Vor zwei Wochen haben Günter Gittels „Hochzeitstauben“ selbst Hochzeit gemacht. Jetzt sitzen sie paarweise in ihren Zellen und wachen eifersüchtig über ihre zwei weißen Eier. „Wenn du jetzt hinlangst, kriegst du eine gefeuert“, sagt Gittel. An Ostern schlüpfen die Jungen und ab April haben die schneeweißen Brieftauben ihren großen Auftritt: Dann lässt Gittel sie bei Hochzeiten auffliegen – und hofft, dass alle wieder wohlbehalten in Massenbuch ankommen. Allerdings verspeist nicht nur der 60-Jährige gerne mal ein Täubchen.
Seit acht Jahren züchtet der gebürtige Rodener nun schon weiße Tauben. Gittel legt Wert auf den Hinweis, dass seine Tauben richtige Brieftauben sind. Was bei Menschen als Makel empfunden würde, gilt bei seinen Tauben als Schönheitsmerkmal: große Nasenwarzen und Augenringe. 20 Paare hat der Massenbucher, wovon er bei Hochzeiten immer acht Stück aufsteigen lässt. Seine Tauben hat er schon in Tauberbischofsheim und Schweinfurt fliegen lassen, im Würzburger Raum ist er regelmäßig unterwegs.
Oft sind die Tauben sogar wieder vor ihm zu Hause in ihrem Schlag. Aber: „Es kommen auch viele nicht mehr heim“, sagt Gittel. „Der Raubvogel unterwegs schläft auch nicht.“ Weil sie weiß sind, fallen sie eher auf, und bei kleinen Grüppchen kann sich ein Falke, Habicht oder Sperber leichter ein Opfer aussuchen. Manche schaffen es verletzt nach Hause. Drei bis fünf von Gittels Lieblingen kehren im Jahr nicht mehr zurück. Er habe aber auch schon von seinem Haus aus zusehen müssen, wie sich ein Raubvogel eine Taube holt, sagt er. Da könne man nichts machen.
Deshalb ist es wichtig, für ausreichend Nachwuchs zu sorgen. Daran arbeiten seine Tauben gerade. Doch nicht alle Täubchen erfreuen dereinst frisch Vermählte. Gittel: „Wir essen auch Tauben, das ist eine Delikatesse.“ Sollte ein Jungvogel nicht ganz den Schönheitsmerkmalen entsprechen, landet er im Kochtopf der Gittels – trotz aller Tierliebe.
Schon als Bub hatte der Massenbucher Tauben. „Wenn dich der Taubenvirus einmal infiziert hat, wirst du ihn nicht mehr los.“ Das sei sogar „schlimmer als Rauchen und Trinken“. Jahrelang war Gittel im Taubenverein in Wiesenfeld, ließ seine damals noch normalen blauen oder Vögel gegen andere antreten. Doch aus gesundheitlichen Gründen musste er eines Tages aufhören. Das sei eine „schwere Zeit“ gewesen, erzählt er, besonders wenn Hunderte Tauben auf einmal über Massenbuch hinweg flogen.
Zehn Jahre lang besaß er keine Tauben. Ein mobiles Bienenhaus, das der Hobbyimker eigentlich verbrennen wollte, brachte ihn dann auf die Idee, sich wieder Tauben zuzulegen und sie dort unterzubringen. Durch Anfragen, ob er nicht jemanden mit weißen Tauben für eine Hochzeit kennt, kam er vor acht Jahren auf seine Tauben – „reinerbig weiße“. „Die waren gar nicht so einfach zu kriegen“, sagt er. Ein alter Mann in Kitzingen habe ihm, wenn auch ungern, drei Paar überlassen.
Auch bei Hochzeitseinsätzen gibt er seine Tauben nicht aus der Hand. Er habe da schon Geschichten von anderen Züchtern gehört, die ihre Tauben für Hochzeiten überlassen hätten. Es sei vorgekommen, dass jemand sie bei großer Hitze im Kofferraum gelassen habe. Gittel fährt grundsätzlich selbst zu den Hochzeitsterminen, bei denen er „schon tolle Sachen“ erlebte. Bei einer Hochzeit hatten die Tauben mit ihren Flügelschlägen die Späne der Streu, auf der sie standen, so aufgewirbelt, dass einige genau im Dekolleté des tief ausgeschnittenen Brautkleids landeten. Das erheiterte die Hochzeitsgäste. Doch seitdem stehen seine Tauben im Korb auf einem Gitter.
Ein andermal musste er, begleitet von einem Kamerateam des Bayerischen Rundfunks, mit 40 Kilometern pro Stunde nach Lohr zu einem Einsatz am Aloysianum fahren und dabei erzählen. Schneller habe er nicht fahren dürfen. Auf seine Frage, ob er nicht doch etwas mehr Gas geben dürfe, die anderen Autofahrer hupten und schimpften schon böse, habe das Kamerateam nur gesagt: „Lassen Sie sich davon nicht stören.“
Außer Tauben und Bienen züchtet er zudem französische Maran-Hühner, die schokoladenbraune Eier legen.