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MAIN-SPESSART: „Wenn es nötig ist, wird gezahlt“

MAIN-SPESSART

„Wenn es nötig ist, wird gezahlt“

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    Hilfsangebot: Das Jugendamt ist dafür zuständig, gestrauchelten Jugendlichen unter die Arme zu greifen. Darüber, ob das im Landkreis Main-Spessart in ausreichendem Maße geschieht, gehen zwischen einem Würzburger Richter und dem Landratsamt die Meinungen auseinander. Unser Foto zeigt ein Symbolbild zur Beratung einer Jugendlichen.
    Hilfsangebot: Das Jugendamt ist dafür zuständig, gestrauchelten Jugendlichen unter die Arme zu greifen. Darüber, ob das im Landkreis Main-Spessart in ausreichendem Maße geschieht, gehen zwischen einem Würzburger Richter und dem Landratsamt die Meinungen auseinander. Unser Foto zeigt ein Symbolbild zur Beratung einer Jugendlichen. Foto: Foto: Regina Vossenkaul

    Mangelt es im Landkreis Main-Spessart an Hilfestellung für gestrauchelte Jugendliche und Heranwachsende, weil das Jugendamt des Landkreises einen rigiden Sparkurs fährt? Diesen Vorwurf jedenfalls erhob vor wenigen Tagen in ungewöhnlich deutlichen Worten ein Richter des Würzburger Amtsgerichts.

    Die Verantwortlichen des MSP-Jugendamtes sind über die Aussagen verwundert bis empört. „Wer bei uns Hilfe braucht, der kriegt Hilfe“, sagt Jugendamtsleiter Michael Martin. Der Landkreis tue auf diesem Feld sogar mehr, als er rechtlich müsse.

    Es war der Fall eines heute 19-jährigen Mannes aus dem Raum Lohr, der den Würzburger Jugendrichter Bernd Krieger vor wenigen Tagen zu einer Pauschalkritik am Jugendamt Main-Spessart veranlasst hatte. Der junge Mann war in den vergangenen zwei Jahren regelmäßig mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Nachdem er zuhause rausgeworfen worden war, schlug er sich ohne Arbeit, Einkommen und Obdach durch – und zwar mit Einbrüchen, Diebstählen und Betrug.

    Im November 2012 landete er deshalb vor dem Gemündener Amtsgericht. Das gab dem jungen Mann eine allerletzte Chance, indem es zwar eine Haftstrafe verhängte, diese jedoch zur Bewährung aussetzte. Das vor allem deshalb, weil der 19-Jährige mittlerweile Arbeit und Wohnung gefunden und Besserung gelobt hatte.

    Doch keine zwei Wochen nach dem Gemündener Urteil drehte der 19-Jährige das nächste krumme Ding. Als ihm seine Schwester, bei der er wohnte, 1230 Euro gab, um damit Rückstände beim gemeinsamen Vermieter zu begleichen, setzte sich der junge Mann an den nächstbesten Geldautomaten und verspielte den Betrag in einem Rutsch.

    Wegen dieser Veruntreuung und Unterschlagung landete er in Würzburg hinter Gittern und wenig später vor dem dortigen Amtsgericht. Fast alle Beteiligten rechneten damit, dass der junge Mann nun eine längere Haftstrafe antreten müsse. Doch es kam anders: Richter Bernd Krieger verhängte eine sehr milde Strafe in Form eines vierwöchigen Arrests, der durch die Untersuchungshaft bereits verbüßt war.

    Der Richter wies den 19-Jährigen einer Würzburger Einrichtung für betreutes Wohnen zu und beorderte ihn ins Don-Bosco-Bildungswerk. Sein Urteil begründete er auch damit, dass der junge Mann vom Jugendamt Main-Spessart zu keinem Zeitpunkt die Unterstützung erhalten habe, die im zugestanden hätte. Die Behörde hätte den Heranwachsenden längst unter ihre Fittiche nehmen müssen, schimpfte der Richter. „Doch im Landkreis Main-Spessart holt dich die Katz'“, beurteilte er die amtliche Unterstützung für gestrauchelte junge Menschen.

    „Im Landkreis Main-Spessart holt dich die Katz'.“

    Bernd Krieger, Richter am Amtsgericht Würzburg

    Main-Spessart sei in Sachen Jugendhilfe unterfrankenweit ein „nach unten ausschlagendes Negativbeispiel“, hob der Richter zu einer Generalschelte an. Im Landkreis werde bei der Jugendhilfe gespart – auf Kosten von aus der Bahn geratenen Jugendlichen. Die vehemente Kritik des Richters gipfelte in der Aussage, wonach das Verhalten des MSP-Jugendamtes „absolut rechtswidrig“ sei. Schließlich, so seine Argumentation, sei die Behörde durch das Sozialgesetzbuch VIII zur Hilfe in solchen Fällen verpflichtet.

    Bei den Verantwortlichen im Karlstadter Landratsamt sorgten die Aussagen für eine Mischung aus Unverständnis und Empörung. Michael Deubert, Sachgebietsleiter für Kommunales und soziale Angelegenheiten, spricht von einer ebenso plumpen wie haltlosen Behördenschelte. Der Vorwurf, dass in Main-Spessart auf Kosten der hilfebedürftigen Jugendlichen gespart werde, sei absurd. Die Praxis des MSP-Jugendamtes werde von Regierung und Verwaltungsgericht gedeckt.

    Was Richter Krieger zu seiner Kritik veranlasst hat, können sich Deubert und Martin nicht erklären. Zumindest einen Erklärungsansatz liefert jedoch die Schilderung Martins zum üblichen Ablauf eines Falles, bei dem ein Gericht einen jugendlichen Straftäter zum Absolvieren eines sozialen Trainingskurses oder Antiaggressionstrainings verurteilt. Demnach kann der Richter einen solchen Kurs dem Verurteilten zwar zur Auflage machen. Jedoch sind es danach die Pädagogen des Jugendamtes, die entscheiden, ob sie einen solchen Kurs für den Verurteilten für sinnvoll erachten und ob das Jugendamt die jeweils rund 3000 Euro teuren Kurse bezahlt.

    „Den Richtern gefällt es nicht, dass sie auf die Zustimmung des Jugendamtes angewiesen sind“, sagt Martin. Es könne jedoch nicht sein, „dass das Gericht nach Lust und Laune irgendwelche Maßnahmen anordnet und damit die Haushaltsstellen des Landkreises bewirtschaftet“, pocht der Jugendamtsleiter auf die fachliche und finanzielle Eigenverantwortlichkeit seiner Behörde. Diese würde es sich wünschen, dass Richter jeweils den Rat der Sozialarbeiter einholen, und zwar bevor sie einem Jugendlichen bestimmte Trainingskurse zur Pflicht machen.

    Allerdings, das macht Martin auch klar, habe es in der Vergangenheit nur einen einzigen Fall gegeben, in dem das Jugendamt einem vom Gericht verhängten Trainingskurs für einen Jugendlichen nicht zugestimmt habe. Ohnehin sei die Verpflichtung verurteilter Straftäter zur Teilnahme an solchen Kursen ausgesprochen selten. In früheren Jahren habe es kaum ein halbes Dutzend solcher Fälle pro Jahr gegeben, zuletzt mitunter gar keinen mehr.

    Schon allein aufgrund der niedrigen Fallzahlen sei der Vorwurf, der Landkreis versuche, in diesem Bereich seinen Haushalt zu entlasten, haltlos, so Martin. Und Deubert ergänzt: „Wir stehen bei der Jugendhilfe nicht unter dem Diktat des Budgets. Wenn es nötig ist, wird gezahlt, auch wenn es den Haushalt sprengen sollte.“

    Die Bereitschaft des Landkreises zur Hilfe dokumentieren laut Martin auch die sozialen Trainingskurse, die das Jugendamt seit Jahren von sich aus und abseits von Gerichtsurteilen gefährdeten Jugendlichen auf freiwilliger Basis anbiete. 25 000 Euro lasse sich der Landkreis dieses Angebot für bis zu fünf Kursteilnehmer pro Jahr kosten.

    Der nun zum Auslöser des Disputs gewordene junge Mann aus Lohr sei jedoch zu einem solch freiwilligen Kurs nicht bereit gewesen. „Er war zu nichts zu motivieren. Er wollte sich einfach nicht helfen lassen“, erinnert sich die Sozialarbeiterin, die über einen längeren Zeitraum mit dem Heranwachsenden in Kontakt stand. Gegen den Willen des Betroffenen oder der Eltern könne das Jugendamt jedoch nicht tätig werden.

    „Wer bei uns Hilfe braucht, der kriegt Hilfe.“

    Michael Martin, Leiter des Jugendamts Main-Spessart

    Welchen Stellenwert die Hilfe für Jugendliche beim Landratsamt hat, unterstreicht Martin mit einem Hinweis auf den bunten Strauß an Hilfsangeboten, den das Jugendamt mit insgesamt 45 Mitarbeitern bereithalte. Er reiche von der Erziehungsberatung über die sozialpädagogische Familienhilfe und etliche weitere Angebote bis hin eben zu sozialen Trainingskursen.

    Insgesamt umfasse der Etat des Jugendamtes ohne Personalkosten 5,5 Millionen Euro. Angesichts der Tatsache, dass die von Gerichten verordneten Trainingskurse für Jugendliche zuletzt mit jährlich weniger als 5000 Euro zu Buche geschlagen haben, sei der Vorwurf, der Landkreis spare auf Kosten der Jugendlichen, für ihn daher absolut nicht nachvollziehbar, so Martin.

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