Andreas Wehner, der Schlagzeuger, zieht die Augenbrauen nach oben und nickt. "Er geht jetzt einfach aus dem Seminar raus." Daniel setzt heute also Prioritäten: Dienstag ist Probe-Termin für "Shokei". Da kann die Uni schon mal hintan stehen.
Mit einem rot-orangen Benz, Baujahr 1982, kurven die beiden durch das Würzburger "Frauenland". Sie lesen Daniel auf, den Bassisten. Gitarrist Raphael lenkt den 200er in Richtung Proberaum. Vor wenigen Wochen hat das Trio aus Lohr und dem Landkreis Bad Kissingen in dem Würzburger Club gespielt: 70 Besucher, 15 Euro Gage.
Geld ist nicht alles
Das Trio weiß, dass das Geld mit der Musik andere Bands aus der Gegend verdienen. Geld ist für "Shokei" aber nicht alles. Andreas, Raphael und Daniel - jeder von ihnen studiert - erlauben sich den Luxus, ihre eigenen Songs zu spielen. Tanzbands dagegen spielen die Lieder anderer nach - und können zum Teil davon leben.
Angekommen. Der Jugendtreff "Zoom" im Stadtteil Versbach ist wohl das, was sich Sozialpädagogen als Arbeit nahe an der Jugend vorstellen: brave Graffiti an den Wänden, ausländische Jugendliche, die Billard spielen, und der Proberaum, den sich "Shokei" mit sechs anderen Bands teilt. Neonlicht erhellt die zwölf Quadratmeter im Keller, auf denen Schlagzeug und Verstärker verteilt stehen. Andreas hantiert einige Minuten mit Trommeln und Becken herum. Die beiden anderen haben ihre Instrumente gestimmt.
"Der Name ist so ambivalent wie die ganze Band", erklärt der Schlagzeuger, während er zwei Trommelkessel festschraubt. "Shokei" (ausgesprochen wie "okay") komme aus dem Japanischen und habe dort zwei Bedeutungen. "Lieber Freund" sei die eine, "Exekution" die andere.
Das Schlagzeug hämmert, gerade und ungerade Takte. Mal holt Andreas aus seinem Instrument heraus, was geht. Mal nimmt er sich wieder zurück. Kein Gesang. Raphael lässt die hohen Saiten der Gitarre klingen. Ungedämpft erzeugen sie durch Verzerrer-Effekt einen durchdringenden, schrillen Ton.
Daniel lässt den Bass rollen, spielt ihn wie eine Gitarre, zerlegt Akkorde in ihre Einzeltöne. Alles verschmilzt zu einem Geräusch. Dann: eine Pause. Zwei, drei Schläge. Und wieder ist die Klangwand da. Die Musiker wirken konzentriert.
"Bei uns ist alles gezählt", sagt Andreas später. Das erklärt die Anspannung der Musiker beim Spielen: Sie zählen die Pausen mit. Das dient der Orientierung. Es gibt keinen Sänger, an dessen Texten sich die drei orientieren könnten. Und den wollen sie auch gar nicht haben. "Schlechter Gesang", meint Gitarrist Raphael, "kann alles kaputt machen." Das sieht Andreas genauso: "Viele Bands singen soundso über das gleiche." Wenn's mal mit der Freundin nicht so gut läuft . . .
"Wahrscheinlich würden wir aber über das gleiche singen", sagt der Schlagzeuger, lacht und lehnt sich auf dem weißen Plastikstuhl zurück. Bei der Bandgründung im vergangenen November hat deswegen ein Sänger gar nicht erst zur Debatte gestanden. Daniel und Raphael hatten vorher in der Lohrer Band "Formfleisch" gespielt, bis der Schlagzeuger die Trommelstöcke abgab.
"Shokei", die "lieben Freunde", haben für den Herbst ihre erste CD geplant. "Bis dahin", sagt Raphael, "kommen wir jeden Dienstag hierher". Heute verlassen "Shokei" mitten in der Nacht als letzte das "Zoom". Im rot-orangen Benz geht es zurück in die Würzburger Studenten-Wohnung.