"Ich freue mich jeden Tag, wenn ich hier 'reingehe, das ist eine superschöne Aufgabe." Das kann nicht jeder Arbeitnehmer von seinem Job sagen. Thomas Funck (41), Werkleiter des Eigenbetriebs Stadthalle und Kulturamtsleiter, arbeitet seit zehn Jahren für die Stadt Lohr.
Diese Redaktion hat mit ihm über Entwicklungen im Kultur- und Veranstaltungsbereich und Manager gesprochen, die auch schon mal morgens um 5 Uhr anrufen. Im Rückblick findet Funck es immer noch erstaunlich, dass die Stadt Lohr einem gerade einmal 30-Jährigen die Chance gegeben hat – für ein Projekt, das in der Öffentlichkeit sehr umstritten war.
Seinerzeit lebte er in Berlin, nachdem er in Würzburg Volkswirtschaftslehre studiert hatte. "Ich wollte in die Region zurück, weil ich sie sehr schön finde." Im Internet las er die Ausschreibung der Stadt für den Chefposten der Stadthalle, die es noch gar nicht gab. Funck bewarb sich und wurde zum Gespräch eingeladen.
Große Unterstützung
Das Gespräch sei sehr offen gewesen und er habe den Eindruck gewonnen: "Diesen Job will ich unbedingt haben." Funck bekam ihn und spricht von einer großen Unterstützung, die er vom Stadtrat und dem neuen Bürgermeister Mario Paul erfahren habe. Diese positive Haltung versuche er seither in seine Tätigkeit einzuarbeiten.
Es sei seinerzeit gelungen, das wahrscheinlich jüngste Stadthallenteam Deutschlands aufzubauen. Mit ihm zusammen habe er Ideen eingebracht, die vom Stadtrat abgesegnet worden seien. Das sei nicht selbstverständlich. Vor allem von US-Bands höre er immer wieder: "Das unterhält wirklich die Stadt? Bei uns muss ein Milliardär so ein Gebäude hinstellen."
Die finanziellen Belastungen durch die Stadthalle will Funck gar nicht klein reden, aber er verweist auf die soziale Funktion des Gebäudes. Es ermögliche den Besuchern die Teilhabe am kulturellen und öffentlichen Leben und die Kommunikation mit anderen Menschen. Deshalb legten sein Team und er großen Wert auf Barrierefreiheit.
Das gelte nicht nur für mobilitätseingeschränkte Personen. Für hörgeschädigte Menschen seien Hörschleifen für die Reihen 3 bis 15 verlegt worden. Besucher berichteten ihm: "Bei ihnen höre ich was." An den anstehenden Literaturtagen könnten Schulklassen kostenlos teilnehmen. Ein Thema mit zunehmender Bedeutung seien Veranstaltungen mit älterem Publikum. Nicht wenige Besucher hätten Rollatoren dabei. "Wir nehmen das sehr ernst", betonte Funck. Es gehe darum, die Betroffenen zu ihren Plätzen zu begleiten und die Rollatoren so abzustellen, dass niemand darüber falle und sie keine Fluchtwege blockierten.
Getränkepreis human halten
Trotz gestiegener Beschaffungskosten will der Werkleiter den Getränkepreis "halbwegs human halten", um auch Familien den Besuch zu ermöglichen. "Die schauen sich hinterher die Ausgaben an. Wenn es unerschwinglich wird, kommen sie nicht wieder."
Die erste große Krise war die Corona-Pandemie. Funck erinnert sich: "Das war eine schwierige Zeit, aber man wächst daran." Es sei gelungen, das wenige, was möglich gewesen sei, positiv zu gestalten, wie die Bilderausstellung mit Richard Kuhn. Im großen Fenster der Halle habe man von der neuen Mainbrücke aus ein großes Gemälde sehen können, das habe vielen Hoffnung gemacht.
Auch den Ukraine-Krieg hat die Stadthalle gespürt: "Er hat den Leuten Angst gemacht. Die Kartenverkäufe sind ein Spiegelbild, wie's draußen läuft." Das habe er schon in der Pandemie gemerkt. Nach verstörenden Fernsehbildern über Leichentransporte in Italien sei tagelang keine einzige Karte verkauft worden.
Ebenso sei es beim Kriegsausbruch gewesen: "Es war Totenstille. Kein Telefon hat geläutet, keine Karte wurde verkauft, die Leute hatten anderes im Kopf." Auch die gestiegene Inflation habe die Stadthalle getroffen. Das Veranstaltungsgeschäft sei eine Art "gesellschaftlicher Gradmesser". Einen Vorgeschmack auf die Kriegsfolgen bekamen Funck und sein Team beim ersten Auftritt der ukrainischen Nationalphilharmonie 2017 – mit einem russischen Pianisten. Das sei eine "hochpolitische Veranstaltung" gewesen, denn Russland hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die Krim besetzt und im Donbass gab es Aufstände russenfreundlicher Kräfte.
Alle Musiker getestet
Der zweite Auftritt im November 2021 sei "dystopisch" gewesen, nicht nur, weil wegen Corona alle Musiker von Rotkreuzlern in Schutzanzügen getestet werden mussten. Der russische Aufmarsch an den Grenzen hatte bereits begonnen, "alle waren unruhig". Als die Russen tatsächlich einmarschiert seien, habe er an die Liste der Musiker denken müssen, was aus ihnen wohl geworden sei.
Die ukrainische Nationalphilharmonie spiele am 22. November wieder in der Stadthalle. Für Funck ist es eine "Qualitätsauszeichnung", dass Orchester und Bands immer wieder kommen wollen. Eine Stadthalle wie die Lohrer gebe es im Umkreis von 100 Kilometern nicht mehr.
Weil sie relativ klein sei, "siehst du überall gut und du hörst überall gut". Es sei noch kein Künstler da gewesen, dem die Stadthalle nicht gefallen habe. Das liege an der technischen Ausstattung, der technischen Betreuung und der Behandlung der Künstler. "Wer einmal da war, kommt wieder."
Sein technisches Team unter Leitung von Stefan Müller habe die Tonanlage speziell auf die Räume eingemessen, was für einen guten Sound sorge. Das Catering nennt Funck "qualitativ hochwertig". Er arbeitet mit Lieferanten aus der Region zusammen und mit lokalen Hotels, "das hat bislang alles funktioniert".
Auf die Frage nach absurden Catering-Wünschen von Stars, von denen man immer wieder einmal liest, winkt Funck ab: "Alles ganz entspannt." Oft handle es sich um einen Test. So sei bekannt, dass die Band Van Halen Schüsseln mit Schokolinsen bestellt habe, in denen eine bestimmte Farbe nicht vertreten sein durfte. "War sie dennoch da, wusste die Band, dass der Veranstalter den ganzen Merkzettel unter anderem mit den technischen Wünschen nicht gelesen hat."
Netzwerk aufgebaut
"Wir bringen qualitativ hochwertige Leistungen, das merken sich Künstler und Besucher." Deswegen meldeten sich auch Manager von Künstlern bei ihm, wenn sie eine Halle brauchten. Über die Jahre hat sich Funck ein Netzwerk aufgebaut.
Der Manager der Amigos, der auch schon mal um 5 Uhr anrufe, habe eines Tages gesagt: "Ich habe da noch was ..." So kam es zu den Auftritten des Darmstädter Kikeriki-Theaters in der Stadthalle, zu denen regelmäßig Hunderte Hessen in Lohr einfallen. Im Mai 2025 ist es wieder soweit. Aber auch die Einheimischen hätten Gefallen daran gefunden, so Funck.
Auf Empfehlung des Amigo-Managers habe sich der Manager von Hansi Hinterseer bei ihm gemeldet. Der Star aus Österreich gebe im kommenden Jahr ein Muttertagskonzert in der Stadthalle, "das kann er nicht oft im Jahr machen". Funck: "Es läuft in dem Geschäft viel über Mundpropaganda und Beziehungen."
In den letzten Jahren überlegten sich die Leute kurzfristiger, ob sie eine Veranstaltung besuchten. Es gebe einen Kipppunkt zwischen dem Wunsch nach Ablenkung und der Haltung, "ich habe jetzt etwas anderes im Kopf". Es sei auch keine Selbstverständlichkeit mehr, dass eine Veranstaltung voll sei. Bei ähnlichen Sujets "mache ich lieber eine weniger".
Den nächsten Programmflyer kündigte Funck wegen der derzeit schwierigen Personallage erst für den 1. Oktober an. Neben den bereits genannten Highlights könne sich das Publikum auf ein Literaturfestival mit der Schriftstellerin Alice Hasters und dem Inklusionsaktivisten Raul Krauthausen, den Gerichtsmediziner Mark Benecke, Götz Alsmann und den Kabarettisten Martin Frank freuen.
Das Tagungsgeschäft in der Stadthalle läuft nach Funcks Worten "sehr gut". Zahlreiche Firmen kämen – wie viele Künstler – regelmäßig wieder, aber man merke auch Krisen. Denn Tagungen würden bei einem Sparkurs als erste gestrichen.
Alte Turnhalle gefragt
Als Kulturamtsleiter (seit 2018) ist Funck auch für die Alte Turnhalle zuständig, die er mit seinem Team ebenfalls betreut. "Das macht viel Arbeit." Die Belegung sei mit rund 200 Veranstaltungen im Jahr "irre". Die Stadt Lohr könne darauf stolz sein, dass sie über zwei solche Hallen verfüge.