„Eins, zwei, drei . . . sieben, acht Speisekarten, das ist ja schrecklich!“, meinte der eine. „Also, mich stört's überhaupt nicht, ich finde, die Tafeln mit der Kreideschrift passen doch gut zum Bistro Michel“, konterte der andere. „Aber das ist doch überhaupt nicht fränkisch“, so der Einwurf des Ersten. Der nächste fühlte sich hingegen durchaus an die Preistafeln an traditionellen – also fränkischen – Biergasthäusern in der Bamberger Innenstadt erinnert.
Als die Karlstadter Stadträte, die im Bauausschuss vertreten sind, durch die Altstadt schlenderten, um sich den Wildwuchs an Markisen, Sonnenschirmen, Werbeaufschriften in Schaufenstern, Werbeständern und Werbetafeln anzuschauen, wurde schnell klar, dass massiv der persönliche Geschmack im Spiel ist, wenn es darum geht zu beurteilen, was in die historische Altstadt von Karlstadt passt und was nicht.
Anstoß von Goldkuhle
Den Anstoß gegeben hatte Manfred Goldkuhle, der folgendes überprüft sehen wollte:
• Werden Verstöße gegen die Altstadtsatzung nur noch in extremen Fällen verfolgt?
• Werden diejenigen, die sich an die Satzung halten, sozusagen dafür bestraft, weil sie höhere Aufwendungen hatten?
• Leidet das historische Stadtbild durch die Missstände?
• Erhalten Grundstückseigentümer finanzielle Entschädigungen, wenn auf einsehbaren Dachflächen keine Photovoltaikanlagen zugelassen werden?
Die letzte Frage beantwortete Bürgermeister Paul Kruck mit einem klaren Nein. Wessen Dach in der Altstadt einsehbar ist, darf keine Module montieren und erhält für diesen Verzicht auch keine Entschädigung.
Die Bauausschussmitglieder konzentrierten sich bei einer Begehung der Neuen Bahnhofstraße, Hauptstraße, Unteren Viehmarktstraße und des oberen Teils der Alten Bahnhofstraße auf die Werbung der Einzelhändler und Gaststätten sowie die „Möblierung“ des öffentlichen Raums.
Fülle von Störfaktoren
Unter anderem stießen einzelnen Stadträten und Vertretern der Verwaltung – manche wiederum fanden nichts dabei – folgende Dinge auf, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
Die festgeschraubten Tische und Sonnenschirme am Karschter Eck. Die Baumarkt-Betonpflanzkübel am ersten Schifflesbrunnen. Die Lampenvielfalt und der Handy-Automat am Rio. Die verwitterten Pflanzkübel und die Baumarkt-Trennwand bei Reimers Stuben. Die Schaufenster-Beschriftung bei Autsch-Tatoo. Die Werbereiter bei Mahlo-Telecom. Die Eistüte und der Werbeständer bei Fethi. Die Schaufenster-Beklebung beim Fashion Store. Die Schaufenster-Beschriftung bei Jutta Biehle-Schmid. Die Werbung von Schilder-Hossmann sowie vom Schilderladen auf der gegenüberliegenden Marktplatzseite. Die Pflanzkübel am Ratskeller. Die Plastikstühle bei Schrödl. Die Eistüte bei der Eisdiele San Marco. Der Kinder-Hubschrauber bei Zabaione.
Gegen Ende der Begehung war eine gewisse Ermüdung – oder Frustration – festzustellen. Bürgermeister Paul Kruck hatte unterwegs schon wiederholt festgestellt, dass es schwierig wäre, eine umfassende Satzung zu erlassen: „Ich bin mir sicher, Frau Zabl würde es schaffen, das auf 75 Seiten festzuschreiben.“ Doch müsste all das dann noch kontrolliert und durchgesetzt werden.
Bauamtsleiter Herbert Werthmann meinte einerseits, es müsste Regelungen geben, denn auf öffentlichen Flächen werde hier gutes Geld verdient. Und der Werbewildwuchs schaukle sich gegenseitig hoch. Andererseits wäre es am besten, mit dem Gewerbeverein zu sprechen und an die Einsicht der Gewerbetreibenden zu appellieren. Denn ohne die nütze die schönste Vorschrift nichts.
Horst Wittstadt resümierte, er finde mehr Dinge gelungen als misslungen. Das sei auch ein Verdienst von Leo Kübert von der Stadtverwaltung, der sich immer wieder um die Altstadt kümmert. Egon Scheiner empfand die viele Autos im Verkehrsberuhigten Bereich als das Hauptproblem. Kruck erklärte, es sei rechtens hineinzufahren, solange Schritttempo eingehalten wird und keiner außerhalb von Markierungen parkt.
Die Fraktionen sollen sich nun mit dem Thema beschäftigen können. Der Bürgermeister schlug vor, die Altstadtsatzung um einige wenigen Punkte zu ergänzen. „Sonst müssen wir einen zweiten Mann dafür einstellen.“