Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten

KARLSTADT: Wie Hendrix Gitarre hinter dem Kopf gespielt

KARLSTADT

Wie Hendrix Gitarre hinter dem Kopf gespielt

    • |
    • |

    Als der Beat hierzulande Einzug hielt, war auch schon der Asbach-Cola mit dabei, hörten sich nur unter 16-Jährige die Musik von DJs an, und man musste sehen, dass man möglichst nüchtern blieb, um mit dem Auto noch Feldwege ansteuern zu können. So war das, als hier in der Gegend die ersten Beatabende die Jugendlichen aus den Löchern lockten.

    Der Übergang von Tanz- zu Beatabenden war fließend. Die ersten Bands spielten auf Tanzveranstaltungen. Als eine „Riesennummer“ bezeichnet Rainer Hain aus Karlstadt, der auch heute noch musikalisch unterwegs ist, das Tanzcafé in Heugrumbach in den 60ern, wo auch Beatmusik zum Besten gegeben wurde. Es verfügte über einen immensen Parkplatz und zog junge Leute aus Schweinfurt, Karlstadt, Hammelburg und Zellingen gleichermaßen an. Es war zwar nicht besonders groß, aber dafür war ziemlich was los. In der Kellerbar gab es als Besonderheit mit Vorhängen abgetrennte Einzelkabinen, in die Jungs Mädels zum Sekttrinken und Knutschen einladen konnten.

    Auf Tanzabenden oder in Tanzcafés war das Publikum altersmäßig ziemlich gemischt. Dort forderte die männliche Jugend bei Schlagern und Fox, wie es sich gehörte, die jungen Damen zum Tanz, der manchmal dann doch eher nach „Freistilringen“ aussah, wie Jürgen Musielak aus Adelsberg scherzhaft bemerkt. Die Jungen holten sich natürlich aber nicht selten einen Korb.

    Der Übergang hin zu Beatabenden hat sich ab etwa Mitte der 1960er vollzogen. Es war die Zeit der Beatles und der Stones, und so wurde auf Tanzabenden für die Jugend auch das ein oder andere Beatstück gespielt. „Beat“ war seinerzeit gleichbedeutend mit „Rock“ oder „Pop“.

    „Plattenpartys waren was für die unter 16-Jährigen.“

    Günter Weyer Beatabendbesucher

    Zu Beginn der 70er gab es dann mehr und mehr reine Beatabende, der Eintritt lag bei vier, fünf Mark. Die Jugend, generell „ein bisschen verstrubbelter“ als heute, sagt Musielak, war dort meist unter sich. Dafür sorgte schon allein die laute Musik, mit der man sich bewusst von Blasmusik und der als verkrustet empfundenen Gesellschaft abzugrenzen versuchte, erinnert sich Hain.

    Die neue Technik hat zur Entwicklung beigetragen. Mit E-Gitarre und -bass sowie einer Gesangsanlage beziehungsweise einer sogenannten PA konnte man zu viert jetzt ganze Turnhallen und Festzelte beschallen. Zuvor war dafür eine ganze Blaskapelle von 20 Mann nötig.

    Bands wie „The Four Trashmen“, „The Keeners“, „The Modern Sounds“, die unverwüstlichen „The Jets“, die Karlstadter „The Cyborgs“ oder die ebenfalls aus lokalen Musikern bestehenden „Never Mind“ spielten, wie auch die heutigen Beatabendbands, Gecovertes. Man wollte schließlich klingen wie seine Vorbilder, und bekannte Hits waren das, was das Publikum hören wollte.

    Unsinnig große Anlagen beschäftigten beim Aufbau bis zu vier Roadies oft fünf Stunden lang. „Ein Bruchteil hätte auch gereicht“, sagt Hain. Riesenanlagen galten damals aber als Statussymbol. Und die Musiker – es funktionierte offenbar – wurden von Groupies angehimmelt. Livemusik war für die Jugend damals das Größte, „Plattenpartys waren was für die unter 16-Jährigen“, erzählt der Wiesenfelder Günter Weyer. Er erinnert sich, dass er von einem Gitarristen sehr beeindruckt war, der wie Jimi Hendrix hinter dem Kopf spielen konnte.

    Ein Beatabend war aber anfangs, wie der Name schon sagt, tatsächlich eine Abendveranstaltung. Um acht Uhr begann die Band zu spielen und da war die Halle meist auch schon voll. Um eins, halb zwei war das Spektakel zu Ende. Zu so etwas wie „Vorglühen“ wäre nicht einmal dann Zeit gewesen, wenn man es vorgehabt hätte. Wenn, sagt Weyer, dann haben das Pfennigfuchser gemacht.

    Es ging damals, am Übergang von den 60ern zu den 70ern, in Sachen Alkohol etwas gesitteter zu. Jugendliche soffen noch nicht wie die Bürstenbinder – neben Bier und dem bereits beliebten Asbach-Cola gab es auf Beatabenden auch keine so bunte Vielfalt an Alkoholischem.

    Auch wenn schon 16-Jährige unter den Besuchern waren, ging es noch ohne strenge Einhaltung des Jugendschutzgesetzes, wenn sich darum überhaupt jemand kümmerte. Bei manch einem gab es der Geldbeutel auch gar nicht her, sich zu betrinken.

    Es mag damals weniger auf das Jugendschutzgesetz geachtet worden sein, aber dafür waren oftmals die Eltern strenger als heute. Bis 1975 war man schließlich erst mit 21 volljährig. Musielak weiß ein Lied davon zu singen, wie es war, als Jugendlicher spät nach Hause zu kommen. Da hat die Mutter mit Hilfe eines ausgelegten Blechtellers, der dann schepperte, kontrolliert, wann man nach Hause kam, und vom Vater hat es eine Ohrfeige gesetzt, bevor man überhaupt etwas sagen konnte.

    Ab etwa Mitte der 60er war es nicht mehr ungewöhnlich, dass auch junge Leute über ein Auto verfügten, meist das der Eltern. Das Auto damals war aber nicht nur als Fortbewegungsmittel wichtig. Bei Beatabenden haben junge Pärchen es auch schon mal gerne als Rückzugsort genutzt. Manche Wagen sind dabei allerdings in Feldwegen stecken geblieben und mussten mit dem Traktor wieder herausgezogen werden, berichtet Musielak.

    Auf Tanzabenden konnte man sich von der Band noch ein paar ruhige Lieder wünschen, wenn man gerade mit einem hübschen Mädchen tanzte. Und auch auf Beatabend war es damals noch üblich, dass man Liedwünsche äußerte, was auch erhört wurde, wenn das Repertoire der Band es hergab.

    Anfangs fanden Beatabende etwa im Mühlbacher „Gasthaus zum Ochsen“ oder auf fünf, sechs Faschingsbällen in Karlstadt statt. In Adelsberg war jeden Samstag Tanz- beziehungsweise Beatabend. Karlburg mit seiner Karolingerhalle war dann lange der Ort zum Weggehen für die Karlstadter.

    In anderen Orten wie Wiesenfeld gab es bei Wochenendfesten des Tennisclubs oder der Feuerwehr in den Bierzelten einen Tag, traditionell der Freitag, mit einem Beatabend, erinnert sich der gebürtige Wiesenfelder Anton Kohlhepp. Erst nach und nach wurden in den einzelnen Ortschaften, beispielsweise Gambach, Veranstaltungshallen gebaut. Vor allem vor der Gemeindegebietsreform in den 70ern entstanden einige Mehrzweckhallen, in denen man Beatabende abhalten konnte.

    Die ländliche Struktur mit einem reichen Vereinswesen und damit vielen Veranstaltungshallen ist – zusammen mit einer großen Auswahl an fähigen Musikern – wohl der Grund, warum in Franken Beatabende weiterhin so beliebt sind.

    Wieso sich der Begriff „Beatabend“ für diese Veranstaltungen hierzulande gehalten hat, wo er doch in anderen Teilen Deutschlands längst ausgestorben ist oder sich nie durchgesetzt hat, darüber lassen sich lediglich Vermutungen anstellen. Vielleicht hängt das ja mit der sprichwörtlichen fränkischen Sturheit zusammen.

    ONLINE-TIPP

    Mehr Informationen zu den 60er-Aktionen, zahlreiche Sonderthemen sowie viele Bilder unter www.mainpost.de/diewilden60er

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden