Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten
Lohr
Icon Pfeil nach unten

Lohr: Wie Insektenbrei der Artenvielfalt dienen könnte

Lohr

Wie Insektenbrei der Artenvielfalt dienen könnte

    • |
    • |
    Ein Pilotprojekt im Lohrer Stadtwald befasst sich mit der Aufwertung der Artenvielfalt auf Waldwiesen und sonstigen Freiflächen durch gezielte Maßnahmen. Im Bild bauen Veronika Hierlmeier (links) und Laura Korbacher vom Bayerischen Landesamt für Umwelt eine Insektenfalle auf. 
    Ein Pilotprojekt im Lohrer Stadtwald befasst sich mit der Aufwertung der Artenvielfalt auf Waldwiesen und sonstigen Freiflächen durch gezielte Maßnahmen. Im Bild bauen Veronika Hierlmeier (links) und Laura Korbacher vom Bayerischen Landesamt für Umwelt eine Insektenfalle auf.  Foto: Johannes Ungemach

    Nein, im Lohrer Stadtwald wurden neuerdings keine Zeltplätze für Wanderer geschaffen. Bei den zeltähnlichen Gebilden, die Waldbesucher derzeit auf mancher Waldwiese entdecken können, handelt es sich um Insektenfallen. Sie gehören zu einem bayernweiten Pilotprojekt. Mit ihm wird im Lohrer Stadtwald untersucht, wie sich die Artenvielfalt auf Freiflächen im Wald effektiv steigern lässt. Neben den auf den Freiflächen wachsenden Pflanzen dienen auch die Insekten als Gradmesser der Vielfalt.

    Das Projekt geht zurück auf eine Anfrage von Michael Neuner, dem Leiter der städtischen Forstverwaltung, beim Biodiversitätsbeauftragten der Regierung von Unterfranken, Christian Salomon. Neuner wollte sich fachlichen Rat zur Anlage von Blühflächen im Wald einholen. Solche Blühflächen sind nicht zuletzt seit dem bayerischen Volksbegehren zum Thema Artenvielfalt groß in Mode.

    Doch nicht selten, so erklärt Salomon, ist der ästhetische Wert solcher Blühflächen für das menschliche Auge größer als der Beitrag zum Insektenschutz. Unbedachter Saatguteinsatz und Flächenumbruch könnten gar zu einem Verfälschen der heimischen Flora führen und wertvolle, naturnahe Strukturen zerstören. Vor diesem Hintergrund also bat Stadtförster Neuner den Experten der Regierung von Unterfranken um fachliche Unterstützung.

    Ein Bestandteil der Maßnahme ist das Schaffen von Struktur, beispielsweise durch Sandsteinhaufen. Das Bild zeigt (von rechts) Christian Salomon, Stadtförster Jörg Boshof sowie Veronika Hierlmeier und Laura Korbacher vom Landesamt für Umwelt.
    Ein Bestandteil der Maßnahme ist das Schaffen von Struktur, beispielsweise durch Sandsteinhaufen. Das Bild zeigt (von rechts) Christian Salomon, Stadtförster Jörg Boshof sowie Veronika Hierlmeier und Laura Korbacher vom Landesamt für Umwelt. Foto: Johannes Ungemach

    Herausgekommen ist folgendes, fachlich anspruchsvolles Konzept: Die Stadt stellt die Waldwiesenflächen zur Verfügung, Spezialisten erarbeiten ein Maßnahmenpaket zur Steigerung der Biodiversität dieser Flächen, Wissenschaftler überprüfen hinterher den Erfolg der Maßnahmen.

    "Insektenfreundlich"

    Diese Maßnahmen haben mit dem Anlegen klassischer Blühflächen freilich wenig zu tun. Stattdessen geht es darum, abwechslungsreiche Waldsäume zu entwickeln, Waldränder aufzulichten, durch Steine und Totholz Struktur zu schaffen und auch Kleingewässer auf den Waldwiesen anzulegen. Statt, wie bisher, die Wiesen zu mulchen, sollen sie künftig "insektenfreundlich" gemäht oder gar beweidet werden.

    Insgesamt zehn Flächen mit insgesamt rund 15.000 Quadratmetern wurden im Stadtwald auserkoren. Bei einigen von ihnen ging es bereits im vergangenen Jahr los mit einer Untersuchung der Vegetation und des Insektenvorkommens.

    Es wird auch Saatgut ausgebracht, das zuvor auf artenreichen Wiesen der Region geerntet wurde.
    Es wird auch Saatgut ausgebracht, das zuvor auf artenreichen Wiesen der Region geerntet wurde. Foto: Johannes Ungemach

    Es folgte die Flächengestaltung, teilweise mit schwerem Gerät bis hin zum Bagger. Auch gesät wurde, allerdings nicht mit gekauftem Saatgut, sondern mit solchem, das zuvor auf artenreichen Spessartwiesen geerntet wurde, beispielsweise auf der Weikertswiese bei Rechtenbach. Auf den übrigen Flächen laufen die Untersuchungen und Maßnahmen zur Steigerung der Biodiversität in diesem Jahr. Erst vor wenigen Tagen wurden weitere Insektenfallen aufgebaut.

    Das Projekt hat eine Laufzeit bis 2026. Als Partner sitzen neben der Stadt und der Regierung von Unterfranken auch das Bayerische Landesamt für Umwelt und das Bayerische Artenschutzzentrum in Augsburg mit im Boot. Sie finanzieren und übernehmen zusammen mit der Zoologischen Staatssammlung in München beispielsweise die Analyse des Insektenvorkommens.

    Genanalyse im Labor

    Die Insekten landen in den von April bis Oktober stehenden Fallen in einem mit Alkohol gefüllten Behälter. Alle zwei Wochen wird dieser von den städtischen Forstleuten ausgetauscht. Dann wird es unappetitlich: Der "Insektencocktail" wird in einem Labor püriert. Die Genanalyse des entstehenden Breis lässt genaue Rückschlüsse auf die Insektenvielfalt zu.

    Alle zwei Jahre wird die Untersuchung von Botanik und Insektenvorkommen wiederholt. Neben der Artenvielfalt spielt dabei auch das "Abtropfgewicht" der in den Fallen gelandeten Insekten eine Rolle. Da Insekten schnell auf Lebensraumveränderungen reagieren, soll so ermittelt werden, ob die Insektenbiomasse auf den Flächen zugenommen hat.

    "Einzigartiges" Projekt

    Das Ausmaß der wissenschaftlichen Begleitung des Projektes sei "einzigartig", sagt Salomon, der Biodiversitätsbeauftragte der Höheren Naturschutzbehörde an der Regierung von Unterfranken. Um einen Vergleich ziehen zu können, habe man in dem Projekt auch zwei klassische Blühflächen angelegt.

    Am Ende, so erklärt Salomon, soll im Idealfall eine Art Leitfaden für die möglichst effektive Steigerung der Artenvielfalt auf Waldlichtungen stehen. Maßnahmen, von denen sich im Lohrer Stadtwald zeigt, dass sie die Artenvielfalt fördern, könnten danach von anderen Forstbetrieben übernommen werden, hofft Salomon auf eine Modellwirkung. Man wolle mit dem Projekt andere Waldbesitzer jedenfalls animieren, sich ebenfalls um mehr Artenvielfalt zu bemühen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden