Mit der Sonderausstellung „Wie Lohr a. Main 1933 gleichgeschaltet wurde“ zeigt das Lohrer Schulmuseum, wie aus einer „schwarzen Stadt“ eine „braune Stadt“ wurde. Ähnlich wie Lohr wurden damals in ganz Deutschland Städte und Dörfer der braunen Ideologie angepasst. Die Masse der Deutschen, noch erzogen im mit rassistisch-antisemitischen Vorurteilen angereicherten Untertanengeist der Kaiserzeit (1871–1918), war den professionellen NS-Propagandisten und deren skrupellosen Methoden in keiner Weise gewachsen und übernahm oft kritik- und gedankenlos deren Wertmaßstäbe und Vorgaben.
Die Eröffnung des neuen Reichstags nach der Wahl vom 5. März 1933, bei der die Nazis rund 44 Prozent der Stimmen erhalten hatten, wurde von der Lohrer Ortsgruppe der NSDAP zu entsprechenden Feiern und Umzügen genutzt. Dazu gehörte auch ein nächtlicher „Fackelzug mit anschließender Kundgebung über die Bedeutung dieser großen Stunde deutscher Geschichte“, wie die Lohrer Zeitung schrieb. Mit Hitlers Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 bestimmten auch in Lohr die NS-Parteigenossen, was zu geschehen hatte und was zu unterlassen war.
Schon bald zeigten sich die Auswirkungen des hitlerschen Antisemitismus, und ein Lohrer Arzt erklärte per Inserat am 2. April 1933: „Die am Samstag gegen meine Praxis erfolgten Boykottmaßnahmen wurden zu Unrecht getroffen, da ich Protestant und sowohl meine Eltern wie Großeltern weder Juden noch getaufte Christen waren.“ Als am jüdischen Kaufhaus Hirsch ein Schaufenster eingeschlagen wurde, sprach der NS-Sonderkommissar beim Bezirksamt Lohr, Herold, von einem verbrecherischen Treiben, mit dem die NSDAP nichts zu tun habe, und setzte eine Belohnung von 50 Reichsmark für die Ergreifung des Täters aus – ein reines Täuschungsmanöver. Wahrscheinlich hatte ein Parteigenosse im „vorauseilenden Eifer“ die Scheibe zertrümmert.
Neue Straßennamen
Der Anbruch einer neuen Ära zeigte sich 1933 auch mit der Einführung des 1. Mai als neuem Feiertag. An diesem Tag wurden Straßen umbenannt: Die Haaggasse wurde Teil eines wie ein Gürtel um Lohr liegenden Hindenburg-Rings. „Die Hauptstraße wird vom Gasthof Luitpold bis Hotel Post ,Adolf-Hitler-Straße‘ benannt, die bisherige Gärtnerstraße wird umbenannt in ,Horst-Wessel-Straße‘“, wie die Lohrer Zeitung zuvor berichtet hatte.
Ein propagandistisch besonders wirkungsvoller Schachzug der Nazis war die Betonung des Religionsunterrichts und des Schulgebetes als wichtige Komponente des Unterrichts. Eine Bekanntmachung des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 28. März 1933 besagte: „Unsere Religion heißt Christus – Unsere Politik heißt Deutschland.“ Der Verordnung nach hatte der Unterricht an allen bayerischen Schulen „mit Gebet zu beginnen und zu schließen“. Lehrer sollten an den Gottesdiensten zu Schuljahresbeginn und -ende teilnehmen.
Die Betonung christlicher Werte durch die Nazis schien manchem Lohrer Bürger nicht ganz glaubwürdig. Als ein entsprechender Hinweis lässt sich jedenfalls ein Zeitungsinserat vom 15. Juni 1933 im Tageblatt für Spessart und Frankenland ausdeuten, in dem der NS-Sonderkommissar beim Bezirksamt Lohr, Herold, mitteilte: „Solange im Bezirk Lohr der braune Soldat als Christ 2. Klasse behandelt wird, haben wir keine Veranlassung, uns an einer nach außen in Erscheinung tretenden kirchlichen Feier (es ging um die Teilnahme der SA an der Fronleichnam-Prozession) zu beteiligen.“ Acht Jahre später dann war es mit der religiösen Rücksichtnahme vorbei: Kreuze und Gebete in den Schulen waren nicht mehr erwünscht.
Wie schnell und umfassend 1933 das ganze Schulleben auf die braune Ideologie ausgerichtet wurde, zeigt ein Blick in den Jahresbericht des Lohrer Gymnasiums 1933. Demnach war das Jahr gespickt mit nationalsozialistischen Gedenkstunden und Ansprachen in der Schule. Und natürlich sollten die Schüler auch Haus- und Schulaufgaben zu Nazi-Themen schreiben, darunter „Unser Volkskanzler Adolf Hitler – die lebendigste Verkörperung des Römergrundsatzes: ,Homo non sibi, sed patriae natus est‘“ und „Ich bin ein Deutscher – ein Wort des Stolzes und der Pflicht (Darlegung mit Beziehung auf die nationale Umwälzung)“.
Große Begeisterung
Beispielhaft war die am 10. September 1933 in der Nähe von Lohr eröffnete Bezirksführerschule des Reichsarbeitsdienstes bzw. das Arbeitsdienstlager, eine Musteranlage für spätere Lager dieser Art. Anlässlich der Eröffnungsfeierlichkeiten der Anlage schrieb ein bekannter Heimatdichter in der Lohrer Zeitung: „Ueber der Weihefeier der Spessartführerschule wird ein Rauschen hinauswehen über alles deutsche Land. Und hundertmal eindringlicher wird das Rauschen werden, germanischer Spessart, als je. Und einen Namen wird es tragen, jubelnd und stolz, den Namen des Erlösers und Befreiers, der die deutsche Seele wieder heimführte in das Land der Ahnen, in die Feierlichkeit des Erlebens aus Blutgemeinschaft, Würde und Größe, den Namen Hitlers. Heil deiner Sendung, Volkserlöser!“
Das war nicht das opportunistische Geschreibsel eines darbenden Poeten, sondern Ausdruck einer tiefen emotionalen, fast religiösen Begeisterung, wie sie wohl auch in ähnlicher Weise bei der Masse des deutschen Volkes vorhanden war.
Großformatige Fotos, Dokumente, Zeitungsinserate und zeittypische Gegenstände vermitteln dem Besucher ein anschauliches Bild von den politischen Vorgängen in einer typischen Kleinstadt vor 80 Jahren. Eine ideale Ergänzung findet der Museumsbesucher in der ständigen Ausstellung mit dem Zeitrahmen von 1789 bis 1989 und den Schwerpunkten Kaiserreich (1871–1918) und Drittes Reich (1933–1945).
Das Schulmuseum in Sendelbach ist Mittwoch bis Sonntag und an allen gesetzlichen Feiertagen jeweils von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Gruppenbesuche nach vorheriger Absprache außerhalb der regulären Öffnungszeiten möglich.