Dein Blick gleitet den Pfeil entlang, visiert das Ziel. Du spürst die Spannung in deinen Muskeln, im Bogen. Stille... und du lässt los. So fühlt ein Bogenschütze. Zweimal wöchentlich tauchen junge Sportler in Robin Hoods Welt ein und landen einen Volltreffer nach dem anderen.
Rund um das Schützenhaus Mittelsinn wimmelt es geradezu von Wildtieren: Bär, Wildschwein, Luchs, Dachs, Reh, Marder, Hase und sogar Taube und Ente sitzen geduldig im Gebüsch, wagen sich auf die Lichtung. Hoch konzentriert stehen die Schützen in Position, lautlos schnellt der 73 Zentimeter lange Carbonpfeil mit pinkfarbener Feder von der Sehne des modernen Blankbogens und trifft die aus Schaumstoff hergestellten Tierattrappen.
Hier ist keinesfalls eine Großwildjagd im Gange, sondern der 50-jährige Obersinner Volker Spiegl und der 16-jährige Gymnasiast Marek Ommert gehen mit ihren 16 Trainingskollegen vom Schützenverein dem Hobby 3-D-Bogenschießen nach. Spiegl ist dabei so erfolgreich, dass er bei den Bayerischen Meisterschaften in der Masterklasse souverän den Titel holte, während Ommert in der Jugendklasse auf Rang acht kam.
Alternative zu den anderen Schusswaffen im Verein
Seit 2007 bietet der Schützenverein den Bogensport, das Schießen auf Strohzielscheiben an, was besonders für den Nachwuchs eine interessante Alternative zu den anderen Schusswaffen ist. Während Volker erst vor zweieinhalb Jahren diesen Sport kennenlernte, spannt Marek seit sieben Jahren das Sportgerät, und im September 2017 stieg er mit zehn Gleichgesinnten auf die neue Trendsportart 3-D-Bogenschießen um.
Inzwischen hat Volker Spiegl den Trainerposten der Abteilung übernommen. Durch einen Freund kam er in einen Bogenladen und schon war er von der Begeisterung für Robin Hoods Sportgerät infiziert. Während er anfangs nur auf Zielscheiben schoss, gefiel ihm bald das 3-D-Bogenschießen, die Sportart in der freien Natur, besser.
An der frischen Luft lauert man abenteuerlich "seiner Beute" auf. Der Schütze muss dabei von vorgegebenen Abschusspositionen, sei es durch Astgabeln hindurch, Hänge hinauf oder von Hochständen herab, kniend oder gar liegend versuchen, bei wechselnder Distanz den Pfeil in der ausgestanzte Trefferzone des stilisierten Tiers zu platzieren. Für den besten Treffer gibt es elf Punkte, für sonstige Körpertreffer abgestuft weniger. Durch diverse Lehrgänge hat Spiegl 2018 die Ausbildung zum Jugendassistenztrainer in der vom Bayerischen und Deutschen Sportschützenbund anerkannten Sportart absolviert.
In der Regel wird mit äußerst robusten und schnellen Carbonpfeile geschossen, wissen Volker und Marek. Dadurch entsteht eine flachere Flugkurve, die Fehler in der Entfernungsabschätzung neutralisieren kann. "Bogenschießen ist 90 Prozent Kopfsache und zehn Prozent Material. Wir schießen mit einem Blankbogen und ein Visier ist nicht erlaubt."
Parcours mit bis zu 24 Zielen
Zu einem Parcours gehören bis zu 24 Ziele, auf die jeweils maximal zwei Pfeile bis zu einer Distanz von 30 Metern geschossen werden dürfen. Insgesamt 39 verschiedene "Tierchen" besitzt der Schützenverein für den 3-D-Parcour, die allesamt der "bogensportverrückte" Volker Spiegl im Laufe der Jahre gesponsert hat.
Der inzwischen zum Hightech-Sportgerät entwickelte Blankbogen aus Aluminium-Carbon, ausgestattet mit einer Einstellvorrichtung für einen äußerst präzisen Pfeilabschuss, kostet rund 1000 Euro. Die ab und an zu erneuernde Bogensehne sowie die Carbonpfeile stellen die Sportler in der Hobbywerkstatt selbst her.
Vorsitzender Dirk Schiefer freut sich, dass die neue Sportart eine solch gute Resonanz gefunden hat, und die Mittelsinner sind der einzige Verein im Landkreis Main-Spessart, der das 3-D-Bogenschießen im Angebot hat. Spätestens seit dem Film "Die Tribute von Panem" ist das 3-D-Bogenschießen zur neuen Trendsportart aufgestiegen.
Die sportlichen Erfolge der Mittelsinner 3-D-Bogenschützen Volker Spiegl hat sich im April 2019 für die Bezirksmeisterschaften qualifiziert. Da Unterfranken jedoch keinen Ausrichter fand, mussten die Starter zu den mittelfränkischen Titelkämpfen nach Diebach bei Rothenburg o.d. Tauber ausweichen. 150 Schützen von den Schülern bis den Senioren kämpften um die besten Treffer. Souverän sichert sich der Obersinner mit 341 Ringen den Titel in der Masterklasse, während der Zweitplatzierte 300 Ringe schoss. Die Voraussetzung zur Teilnahme an den Bayerischen Meisterschaften im 3-D-Bogensport war gelegt. Ende Juli war der große Tag: In Wemding bei Donauwörth standen 290 Sportschützen aus dem gesamten Freistaat in 15 verschiedenen Klassen auf den Parcours. In der Masterklasse starteten neben Spiegl 23 weitere Sportler und Volker hatte einen guten Tag: Nach sechs Kilometern und vier Stunden Laufzeit durch den Parcours, der mit 24 Tierattrappen mitten im Wald von den Kampfrichtern gespickt war, stand Spiegl mit 390 Ringen an der Spitze und sicherte sich den Titel des Bayerischen Meisters vor seinem stärksten Konkurrenten aus Vaterstetten, der 388 Ringe erzielte. Urkunde und Medaille krönten die Sieger. Sein Vereinskollege Marek Ommert, das Ausnahmetalent im Jugendbereich, holte sich im 3D-Bogenschießen mit 228 Ringen die unterfränkische Meisterschaft und erreichte bei den Bayerischen Titelkämpfen in einem Top-Starterfeld mit 204 Ringen einen ausgezeichneten achten Rang. Für beide 3-D-Bogenschützen steht als nächstes Ziel die Teilnahme an den Deutschen Meisterschaften am 14. und 15. September im niedersächsischen Delmenhorst im Fokus, bei welcher beide auf eine gute Platzierung hoffen. Trotz allem stehen für sie das Sammeln von Erfahrungen und der Wissensaustausch mit Sportskollegen im Vordergrund.
