"Kennt ihr das Lied der Nibelungen, wo die Sprache noch geschwungen, wo der Held noch blond und mutig und die Kämpfe lang und blutig?", lautete am Dienstagabend in Lohr die zentrale Frage. Mit dem Stück "Siegfrieds Nibelungenentzündung" entführte das Kikeriki-Theater (Darmstadt) 150 Stadthallenbesucher in die sagenhafte Gaukler- und Narrenwelt des Mittelalters.
"Wir sind zwar nicht das größte, aber das bekloppteste Theater", begrüßte Roland Hotz, Gründer und Leiter des Kikeriki-Theaters, das Publikum "hinnerm Duttsche" (Maske) im großen Saal der "Alten Oper" Lohrs. Vieles in der Siegfried-Sage sei erstunken und erlogen. "Heute geht es um Fakten und nackte Tatsachen", machte er neugierig auf das zweistündige Blechspektakel. Es spielten 13 Stockpuppen, in Szene gesetzt von Roland Hotz (Text, Figuren, Ausstattung), Bernd Körner, Detlev Kühner und Steffen Stütz (E-Piano). Das Ensemble, zu Hause in der "Comedy Hall" in Darmstadt, verfasst die Stücke, fertigt die Puppen samt Ausstattung, inszeniert, komponiert und spielt.
"Lasset die Spiele beginnen": Die Komödianten erfüllten ihre Blechdosenfiguren am Steckenpferd mit Leben und Charakter. In Schauspiel, Comedy und Mundart nahm Roland Hotz kein Blatt vor den Mund. Der Frontmann glänzte mit Situationskomik, Satire und Ironie – frech, direkt und bisweilen derb, stets nach dem Motto "dem Alltäglichen zum Trotz", was vom Publikum mit Lachen und spontanem Zwischenapplaus honoriert wurde.
Puppen und Menschen offenbarten Leben und Sterben des blonden Recken und Drachentöters Siegfried von Xanten, Ritterehre, Männlichkeit und Weiberzwist. Der "völlig verblondete Maul-Held" mit orangefarbener Sonnenbrille ("so wie Helden aussehen müssen") buhlte um die heiße Burgundentochter Krimhild. Brunhild hingegen entfachte als Domina die Sinne des devoten Königs Gunther. Geplant wurde die pompöse Doppelhochzeit in alten Burggemäuern, denn "sieben Wochen wollte man feiern und es kamen Königsleut, schöne Damen und Mätressen, um sich durchzufressen". Und sogleich rüstete man zum Fest Rittersaal und Liebesnest.
Doch in den Turbulenzen galt es zu bedenken: "Ihr Leut macht euch bewusst, auch bei Königs gibt es Frust." Kleiner Mann ganz groß: Als Lachnummer tummelte sich Gift-Zwerg-Nase Alberich durch die Szenerie. Und um den Bogen zum Hier und Jetzt zu spannen, taufte Roland Hotz den Zwerg um in "Vertikal Benachteiligter". Mit seinem Zaubersaft hatte Alberich "vollbracht, was Siegfried unbesiegbar macht". Doch am Ende war die Dosis so kreiert, "dass Jung-Siegfried nun krepiert". Die Moral von der Geschicht´: "Betet, dass wir auf Erden nie mehr Helden brauchen werden."
Herzlicher Schlussapplaus war für die skurrilen "Helden" der Mythologie der schönste Lohn.