Einen Ausflug in das Reich der südamerikanischen Schamanen machte das Schöffengericht am Amtsgericht Gemünden. Unter Vorsitz von Richter Dr. Sven Krischker hatte es über die Strafbarkeit von Mimosa Hostilis (Wurzelrinde), durch einen Physiotherapeuten aus dem Landkreis Main-Spessart zu entscheiden. Die Verhandlung endete mit einem Freispruch.
So wie viele andere Menschen in Deutschland setzt auch der angeklagte 27 Jahre alte Mann auf Naturverfahren. Zur Ausschmückung seiner in Orange und Gelb gehaltenen Praxisräume hat er Gebilde, wie sie gerne im esoterischen Bereich verwendet werden, ausgewählt. Sie wurden von seiner Lebensgefährtin angefertigt und sollten mit natürlichen Mittel gefärbt werden. Für die Färbung brauner Fäden nahm das Paar Kaffeepulver. Für die orangenen wollten sie Wurzelrinde verwenden. Den Tipp dafür hatte der Physiotherapeut einer Plattform im Internet entnommen.
Über den Händler auf die Spur in den Landkreis gekommen
Von dort hatte er auch eine Händleradresse bekommen, bei der er 500 Gramm Mimosa Hostilis zum Preis von 75 Euro bestellt hat. Was der Mann nicht ahnte: Die bestellte Wurzelrinde fällt in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz und ist wegen ihrer halluzinogenen Inhaltsstoffe verboten. Wie die Kriminalpolizei später festgestellt hat, besaß die von dem Main-Spessarter bestellte Menge einen Wirkstoffgehalt von 2,64 Prozent. Die Menge von 500 Gramm lag um das 3,66-fache über der erlaubten geringen Menge.
So wie dem Angeklagten erging es einer ganzen Reihe von meist gutgläubigen Menschen. In Rechtsanwaltskreisen spricht man mittlerweile von weit über 1000 Ermittlungsverfahren, die derzeit wegen der Bestellungen von Wurzelrinde bundesweit eingeleitet worden sind.
Dem 27-Jährigen ist die Kriminalpolizei auf die Spur gekommen, weil sie gegen den Händler, der auch hier in den Landkreis geliefert hat, Ermittlungen geführt hat. Bei einer Durchsuchung konnten bei ihm 20 Kilogramm sichergestellt werden, wie ein Kriminalbeamter als Zeuge aussagte. Im Jahr 2019 hatte der Händler mit dem Vertrieb von Mimosa Hostilis zu Färbezwecken angefangen und sie auf einer ganz normalen Webseite im Internet angeboten. Gegen den Händler läuft ebenfalls ein Verfahren, genauso wie gegen alle Käufer, die mehr als 200 Gramm bestellt hatten.
Gewünschter Erfolg beim Färben blieb aus
Für den Kunden aus dem Landkreis gab es nach der Lieferung gleich doppelten Ärger. Nicht nur, dass die Polizei und die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt haben, auch der gewünschte Erfolg beim Färber seiner Behänge blieb der gewünschte Erfolg aus. "Es sollte ein schönes Gelb/Orange werden, stattdessen ist es ein schwaches Rosa/Rot geworden", berichtete er dem Gericht. Aus Enttäuschung über das schlechte Ergebnis wurden die gefärbten Fäden entsorgt. Die restliche Menge Wurzelrinde wanderte auf Anraten seines Verteidigers auch sofort "in die Tonne", nachdem die Ermittlungen aufgenommen worden waren.
"Ich habe daraus gelernt", meinte der Angeklagte, der zugab, bei der Bestellung nicht genug aufgepasst und sich nicht umfassend informiert zu haben. Künftig will er sich mehr Zeit nehmen für seine Online-Käufe.
Es sei nicht unüblich in gewissen esoterischen Kreisen, Kräuter, Pulver und ähnliche Erzeugnisse zu verwenden, meinte die Staatsanwältin. Dass der Angeklagte nur einmalig bestellt hat, die Menge überschaubar war und er das überzählige Material vernichtet hat, wertete sie nicht als vorsätzlichen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Darum beantragte sie einen Freispruch. Diesem Antrag schloss sich der Verteidiger an. Dementsprechend lautet auch der Urteilsspruch. Nach Ansicht des Gerichts konnte dem Mann auch kein Handeltreiben nachgewiesen werden. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.
WurzelrindeDie Mimosa Hostilis Wurzelrinde stammt von Bäumen, die überwiegend in Mexico und Brasilien wachsen. Sie wird als Jurema, Jurema Preta, Black Jurema oder Vinho de Jurema bezeichnet und ist der begehrteste Teil der Pflanze. Diese Wurzelrinde fällt in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz und ist wegen ihrer halluzinogenen Inhaltsstoffe verboten.(hn)