Wenn Norbert Emmerling ein Grab ausbaggert, findet er immer wieder Dinge, die ihn interessieren: versteinerte Muscheln oder Gesteinsbrocken, die merkwürdige Muster aufweisen. Im Laufe seiner langjährigen Tätigkeit als Bestatter hat Norbert Emmerling Gefallen an diesen Steinen gefunden. Sein Haus und der Garten in Gerchsheim sind voll mit schönen Fundstücken aus den Friedhöfen der Umgebung.
Ohne seinen Beruf wäre der 56-Jährige sicherlich nicht zu diesem Hobby gekommen. Und wohl auch nicht, wenn er anderswo als in der Umgebung von Würzburg Bestatter geworden wäre. In einer Gegend, die geologisch vom Muschelkalk geprägt ist, fördert das Graben in der Erde fast zwangsläufig Millionen Jahre alte Zeugnisse der Erdgeschichte zutage. Norbert Emmerling hat das schon gemerkt, als er 1988 sein Haus in Gerchsheim baute. Im Erdaushub entdeckten er und seine Frau die eine oder andere Versteinerung.
Auf den Friedhöfen der Umgebung kennt sich Emmerling aus. Von Holzkirchen bis Gaubüttelbrunn, von Geroldshausen bis Großrinderfeld: Groß ist das Gebiet, in dem der Bestatter tätig ist. Graben darf er allerdings nicht überall. Denn die meisten Gemeinden haben Verträge mit einem bestimmten Bestattungsunternehmen, das auf dem Friedhof die Gräber aushebt. Hat eine Familie einen anderen Bestatter beauftragt, muss dieser den „Vertragsbestatter“ mit der Arbeit auf dem Friedhof beauftragen.
Gesteinstrümmer
In zahlreichen Gemeinden wie etwa Waldbüttelbrunn, Kist oder Neubrunn ist Norbert Emmerling derjenige, dem das Ausheben der Gräber obliegt. Die kleinen Bagger, die diese Arbeit erledigen, stehen in Emmerlings großer Lagerhalle in Gerchsheim, wo er auch die Särge aufbewahrt. Wenn sich der Bagger in die Erde wühlt, stößt er ab einer Tiefe von ungefähr 1,60 Metern auf die Muschelkalkschicht. Einzelgräber müssen jedoch mindestens 1,80 Meter, Familiengräber 2,40 Meter tief sein. Also müssen Emmerling und sein Bagger durch den Muschelkalk hindurch. Zu diesem Zweck kommt ein Kompressor zum Einsatz, der die Gesteinsschicht zertrümmert. Diese Trümmer sind es, die den Bestatter aus Gerchsheim interessieren. Er muss ohnehin ungefähr ein Drittel des Aushubes auf seinem Grundstück in Gerchsheim zwischenlagern, da ja im Grab anfangs der Sarg Platz beansprucht. Wenn er Zeit hat, untersucht Norbert Emmerling den Aushub auf interessante Fundstücke.
Ursprünglich ein Meer
Vor seiner Garage setzt er aus vielen Bruchstücken derzeit etwas zusammen, das einem urzeitlichen Krokodil ähnelt. Was für ein Tier das vor Jahrmillionen wohl einmal war? Ob es überhaupt ein Tier war? „Ich kenne mich ja nicht aus“, sagt Emmerling bescheiden. Natürlich hat er sich informiert, wie Unterfranken vor langer Zeit einmal ausgesehen hat. „Hier war ein Meer“, weiß Emmerling. Und so wundert es ihn nicht, dass er immer wieder Gesteinsbrocken mit Mustern findet, die an die Schuppen von Fischen erinnern.
Zwei seiner Söhne sind in das Bestattungsunternehmen des Vaters eingestiegen. Einer hat ebenfalls schon eine Neigung zu den Fossilien entwickelt. „Von ihm habe ich diesen schönen Ammoniten“, sagt Norbert Emmerling und zeigt stolz eine große, schneckenartige Versteinerung, die in seinem Büro einen Ehrenplatz bekommen hat.