Der Grünsfelder Rieneck-Saal platzte aus allen Nähten, als gut 100 Bürger zur Sitzung des Gemeinderates gekommen waren. Das ungewöhnlich hohe Interesse hatte seinen guten Grund: Zum wiederholten Male stand das Thema Erweiterung der Biogasanlage auf der Tagesordnung.
Gleich zu Beginn des umstrittenen Punktes machte Bürgermeister Alfred Beetz deutlich, dass es sich bei den aktuellen Beratungen nur um einen Zwischenschritt handelt. „Wir beschließen heute noch keine Satzung“, so Beetz. Er erläuterte noch einmal die Geschichte der Biogasanlage mit den verschiedenen Leistungsstufen und Planungsschritten und wies auf die landwirtschaftliche Privilegierung hin.
Zum Zeitpunkt der Genehmigung seien im Rahmen der Privilegierung nicht mehr als 500 Kilowatt elektrischer Leistung möglich gewesen, alles andere hätte eine Bauleitplanung nach sich gezogen. Aktuell spricht man über 1100 Kilowatt elektrischer Höchstleistung.
Inzwischen sei die Privilegierung erhöht worden, hieß es, man definiere diese aber nun nicht mehr in Kilowatt, sondern in Kubikmeter Gas – und hier liege die Grenze jetzt bei 2,3 Millionen Kubikmeter jährlich. „Wenn damals die Privilegierung schon so gegolten hätte, hätte man heute, mit effizienterer Technik, schon so hoch fahren können wie jetzt beantragt“, machte Beetz deutlich.
Heftige Diskussion
Im Gemeinderat entzündete sich anschließend eine heftige Diskussion, die teils sehr emotional geführt wurde. Gemeinderätin Simone Platzen bemängelte die fehlende Transparenz und die unzureichende Information des Gemeinderates und der Bevölkerung. Der Meinung war auch Viola von Brunn: „Gemeinderäte und Bürger sind im Unklaren gelassen worden, was die Leistung der Anlage angeht.“ Sie zitierte den Betreiber, der angeblich Zusagen für die Leistungserhöhung und die Infrastruktur seitens der Gemeinde erhalten hat. Hier widersprach Bürgermeister Beetz und sagte, dass es keine rechtlich verbindliche Zusage gebe.
Seitens der Bürger wurde eingeworfen, dass der Betreiber Lothar Derr seine erlaubte Höchstleistung von 500 Kilowatt bereits mehrfach deutlich überschritten habe und daher staatsanwaltliche Ermittlungen eingeleitet worden seien. Derr reagierte auf diese Vorwürfe nicht, Bürgermeister Beetz entgegnete, dass ihm nichts über derartige Ermittlungen bekannt sei. Zum Thema mangelnde Transparenz ernteten die Gemeinderätinnen Platzen und von Brunn heftigen Widerspruch vom Gemeinderatsmitglied Rainer Kehlhetter. Er warf von Brunn vor, sie habe bei den vorangegangenen Sitzungen nicht aufgepasst. Der mangelnden Transparenz widersprach auch Ratsherr Edgar Oettig, der sich „umfänglich informiert“ fühlte. Allerdings gab er zu, dass es nicht einfach gewesen sei, den Überblick zu behalten. Er äußerte auch Verständnis für die Kritik der Bürger. Das komplizierte Thema und der lange Planungszeitraum seien „günstige Wachstumsbedingungen für nachwachsende Zweifel.“ Oettig plädierte für einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, der Punkte wie die Geschwindigkeitsbegrenzung der Transportfahrzeuge, die Fahrtzeiten, die Straßenreinigung oder auch Ausgleichszahlungen regeln soll – die Hauptkritikpunkte der Bevölkerung also. Ratsherr Dieter Schenek sagte: „Wir versuchen nach Grünsfeld Gewerbe zu bekommen, da finden auch Gespräche statt und da werden auch Zusagen gemacht.“ Schenek sieht den Betreiber in der Pflicht und vertraut darauf, dass der angesprochene öffentlich-rechtliche Vertrag eingehalten wird. Gemeinderat Bernhard Haag mahnte, die Vergangenheit ruhen zu lassen und ins Jetzt zu kommen. „Wir müssen das Beste daraus machen. Wenn der Vertrag eingehalten wird, kann es funktionieren.“
Auslage ab Mitte September
Während der Diskussion meldeten sich immer wieder die Bürger zu Wort, die vor allem die Belastung durch den Verkehr zur Sprache brachten. Susanne Endres überreichte Bürgermeister Beetz eine Liste mit Unterschriften gegen die Biogasanlage. Beetz machte immer wieder deutlich, dass das Verfahren nach Recht und Gesetz durchgeführt werde. Er betonte aber auch, dass die Firma Sonoco ohne die Zusage der Gaslieferung nicht nach Grünsfeld gekommen wäre. „Immerhin hat uns Sonoco 40 Arbeitsplätze eingebracht und zahlt 30 000 bis 40 000 Euro Grundsteuer jährlich“, so Beetz. Er kritisierte, dass bis dato kein einziger schriftlicher Einwand der Bevölkerung eingegangen sei. Auch er sieht mit dem öffentlich-rechtlichen Vertrag eine gute Möglichkeit, die Belastung der betroffenen Bürger zu senken. „Bei den Zuckerrübenlastern, die durch Grünsfeld rollen, haben wir diese Möglichkeit nicht und da beschwert sich keiner“, so Beetz.
Zu vorgerückter Stunde konnte der Gemeinderat mit zwölf Ja-Stimmen, vier Nein-Stimmen und einer Enthaltung drei Beschlüsse fassen: Der Gemeinderat empfiehlt dem zuständigen Zweckverband die eingegangenen Anregungen abzuwägen, den Bebauungsplan auszulegen (voraussichtlich ab Mitte September) und die Beteiligung der Behörden zu beschließen. Die Bürger erhalten somit die Gelegenheit, den Bebauungsplan während der vierwöchigen Auslegungsfrist einzusehen und ihre Bedenken schriftlich zu äußern.