(lsw) Atomschmuggel – allein das Wort erzeugt Gänsehaut. Immer wieder taucht nukleares Material unbekannter Herkunft irgendwo auf der Welt auf – und landet dann oft in den Laboren des Instituts für Transurane (ITU) in Karlsruhe. Dort analysiert der Wissenschaftler Klaus Mayer und eine Handvoll Kollegen die gefährliche Fracht. „Wir versuchen herauszufinden, wer etwas wann, wo und warum hergestellt hat“, sagt der 51-jährige Experte für nukleare Forensik.
Wichtig ist weniger, wo die Proben aufgetaucht sind, sondern woher sie stammen. Hintergrund ist selten der illegale Handel mit dem strahlendem Material. Das kommt nach Angaben von Mayer kaum noch vor. „In den letzten Jahren sehen wir verstärkt Nuklearmaterial, das in Altmetallschrott auftaucht.“ Dieser stamme meist aus zurückgebauten Anlagen außerhalb der Europäischen Union und werde achtlos entsorgt oder von ahnungslosen Schrotthändlern verhökert.
Auf Schrottplätzen entsorgt
Immer häufiger schlagen auf deutschen Schrottplätzen die Strahlenmessgeräte aus. Mayer erinnert an einen Fund vor vier Jahren im brandenburgischen Hennigsdorf. Dort war ein Schrotthändler auf eine verstrahlte Lieferung aus Osteuropa aufmerksam geworden. Eine Probe des Stahlrohres, an dem hochangereichertes Uran haftete, ging an die ITU-Experten. „Wir stellten fest, dass das Uran aus dem Brennstoff für eine Forschungsanlage in Russland stammte“, erklärt Mayer. „Das Datum der Herstellung konnten wir auf ein bis drei Monate genau eingrenzen.“
Ihren Service bieten die ITU-Experten „europaweit und auch weltweit“ an. „Wir werten die Proben aus, bestimmen wenn möglich die Herkunft und geben die Ergebnisse dann weiter an unsere Auftraggeber“, erläutert Chemiker Mayer. Die Aufträge kommen sowohl von Regierungen und der Polizei als auch von internationalen Organisationen, die sich mit der Überwachung des spaltbaren Materials beschäftigen wie Euratom und die Internationale Atomenegiebehörde IAEA.
Nur mit Handschuhen
Die Proben liegen in Plexiglaskästen, an deren Öffnungen dicke weiße Gummi-Handschuhe hängen. Mit ihnen können die Wissenschaftler die gefährlichen Stoffe anfassen. Untersucht werden auch kleinste Partikel. So nehmen etwa Inspektoren der IAEA bei ihren Prüfungen von Atomanlagen auch Staubpartikel mit. Die Karlsruher Experten prüfen sie dann auf auffällige, nicht natürliche Uranpartikel. Werden sie fündig, nimmt die Überwachungsbehörde die betreffende Anlage noch mal genau unter die Lupe.
Kaum waffenfähiges Material
Seit 1993 hat die IAEA knapp 2000 Vorkommnisse mit nuklearem Material – Uran und Plutonium – und sonstigen radioaktiven Stoffen etwa aus der Medizin registriert. Meist handelt es sich dabei nach Auskunft von Mayer um Strahlenquellen, die gefunden wurden oder abhanden kamen. „In nur etwa zehn Fällen pro Jahr geht es um Nuklearmaterial. Davon wiederum ist nur ein verschwindend geringer Bruchteil waffenfähig.“
Für den Fall der Fälle hat das Institut vorgesorgt: In Zusammenarbeit mit deutschen Polizeibehörden entwickelten die Experten ein Verfahren, mit dem sich Fingerabdrücke auf strahlender Schmuggelware sichern lassen, ohne dass das gefährliche Material angefasst werden muss. Dafür kommt die Probe in eine Kammer mit erhöhter Luftfeuchtigkeit und wird dann mit Sekundenkleber bedampft.
Im Kleber enthaltene Substanzen reagieren mit Fingerabdrücken und machen sie weißlich sichtbar. „Dann muss der Abdruck nur noch abfotografiert werden“, erklärt Mayer. Eine ähnliche Einrichtung gebe es nur noch in den USA. Einige andere Länder hätten aber schon Interesse bekundet. In der Praxis angewendet wurde das Verfahren in Karlsruhe bislang noch nicht.