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BAD SAULGAU: Die Fratze des Kittelsteigweible

BAD SAULGAU

Die Fratze des Kittelsteigweible

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    Günther Wetzel schnitzt in seiner Werkstatt in Bad Saulgau (Kreis Sigmaringen) eine Fasnachtsmaske. In den vergangenen 43 Jahren schuf er mehr als 5500 Masken.
    Günther Wetzel schnitzt in seiner Werkstatt in Bad Saulgau (Kreis Sigmaringen) eine Fasnachtsmaske. In den vergangenen 43 Jahren schuf er mehr als 5500 Masken. Foto: Foto: Stefan Puchner

    Mit der Martini-Sitzung am 11.11. wird vielerorts die Schwäbisch-Alemannische Fastnacht eröffnet. In der Fastnacht werden vor allem Masken aus Holz getragen. Die sollten bis zum tatsächlichen Beginn der Fastnacht am Dreikönigstag fertig sein. Maskenschnitzer haben jetzt Hochsaison.

    Sie heißen „Kittelsteigweible“, „Doraus-Schreier“, „Pelzteufel“ oder „Boppel“. In der Schwäbisch-Alemannischen Fastnacht gibt es rund 500 verschiedene Figuren. Die meisten Masken dieser Figuren sind aus Holz geschnitzt. Das ist Tradition seit einigen hundert Jahren. Noch immer stellen einige Maskenschnitzer die Fastnachtsmasken in Handarbeit her. Günther Wetzel aus Bad Saulgau (Kreis Sigmaringen) ist einer von ihnen. Seit über 40 Jahren schnitzt er Masken für Narrenzünfte.

    Branchenfremd

    „Meine erste Maske habe ich im Alter von 13 Jahren geschnitzt“, erzählt der 56-Jährige, seines Zeichens Zunftrat der Doraus-Zunft in Bad Saulgau. Er steht in seiner Werkstatt, hat einen Schnitzbeitel in der Hand und bearbeitet ein „Kittelsteigweible“. Akribisch formt er aus einem Stück Holz eine ausdrucksstarke Fratze – detailverliebt widmet er sich der Augenpartie und schnitzt behutsam die Lider. Dann eine Warze auf der Stirn, dann die krummen Zähne und das hervorstehende Kinn, das fast so lang ist wie die krumme, riesige Nase. „Ich bin Maskenschnitzer aus Leidenschaft“, erklärt er ohne seine Arbeit zu unterbrechen. Wetzel ist gelernter Schriftsetzer, das ist ein Beruf in der Druckbranche, den es schon lange nicht mehr gibt. Damit ist er quasi branchenfremd, denn die meisten seiner Maskenschnitzer-Kollegen, von denen es besonders im Schwarzwald noch einige gibt, haben eine Ausbildung als Holzbildhauer. Deshalb musste Wetzel lange mit der Handwerkerinnung streiten. Die wollte seinen Betrieb mit der Begründung schließen, er habe das Handwerk des Holzbildhauers nicht gelernt. „Sogar mit dem Wirtschaftskontrolldienst sind die angerückt“, erinnert sich Wetzel. „Doch der Herr vom WKD hat zu mir gesagt: „Sie sind ein Künstler. Machen Sie weiter so, Sie können ihren Beruf auf Lebenszeit ausüben“. Wetzel ist einer der wenigen Schnitzer, der vom Maskenschnitzen lebt.

    Für eine Maske benötigt der 56-Jährige etwa einen Tag. Er lässt die Form vorfräsen, schnitzt in Handarbeit nach und grundiert, bemalt, lackiert, bohrt und schlitzt ebenfalls von Hand. Eine Maske kostet zwischen 300 und 500 Euro. Laut Jürgen Hohl, Brauchtumsexperte und bis 2008 Leiter des kulturellen Beirats der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte, gehört Wetzel zu den „guten bis sehr guten Schnitzern“. Es gäbe nur noch wenige, die ohne Fräsen die Maske direkt von Hand aus dem Holz herausarbeiteten. „Dann kostet eine Maske aber auch schon mal 2000 Euro oder mehr.“

    Schlechtes Geschäft

    Seit 2005 stagniert das Geschäft der Maskenschnitzerei, sagt Wetzel. „300 bis 500 Euro allein für die Maske. Wer kann sich das noch leisten?“, fragt der Maskenschnitzer. Hohl sieht noch weitere Gründe. „Jetzt kommen die geburtenschwache Jahrgänge“, analysiert er. Nachwuchssorgen habe man zwar keine in den Zünften, aber der Andrang sei vorbei. Außerdem sei ein weiterer Punkt schlecht fürs Geschäft der Schnitzer. „Die Masken werden vom Opa zum Enkel vererbt“, sagt Hohl.

    Wetzel arbeitet mit Lindenholz. Er stellt etwa 100 Masken pro Jahr her. Eine traditionelle Holzmaske wiegt zwischen 400 und 600 Gramm. Es gäbe auch Masken, die seien 2,5 Kilogramm schwer; es sei aber sehr anstrengend, diese zu tragen. In seinem Arbeitsleben habe er rund 5500 Masken gefertigt. 150 davon habe er selbst kreiert. So hat er nicht nur für die alten Zünfte Masken nach Vorlagen geschnitzt, sondern vor allem für neue Zünfte ein Maskenbild entworfen. Das „Kittelsteigweible kennt noch niemand“, freut sich Wetzel. „Das gehört zu einer Zunft in Bittelbronn im Zollernalbkreis, die 2012 zum ersten Mal ausrückt“.

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