Andrang herrschte am Dienstagnachmittag in der Aula der Kaufmännischen Schule in Bad Mergentheim. Das Regierungspräsidium Stuttgart und das Schulamt Künzelsau hatten Bürgermeister, Schulleiter, Elternvertretungen sowie Vertreter der Kammern und Schulverwaltung zu einer Konferenz über die „regionale Schulentwicklung“ geladen.
In einer vorab stattfindenden Pressekonferenz und der anschließendenden Diskussionsrunde mit allen Beteiligten sollte der grundsätzliche Fahrplan erläutert werden.
„Wir sehen die Schulentwicklungsplanung als große Chance, dass man zu lebensfähigen Lösungen gelangt“, sagte Regierungsvizepräsident Christian Schneider. Seine dringende Empfehlung lautete: langfristig denken. „Die Augen vor dem demografischen Wandel zu verschließen, macht einfach keinen Sinn. Der ländliche Raum darf auch im Bildungssystem nicht abgehängt werden. Das heißt aber nicht, dass alles möglich ist.“
Regionale Ausgewogenheit und Effizienz müssten dabei eine Rolle spielen. Und so können nach Schneiders Aussage nur Schulen den Prozess überleben, die langfristig eine Zweizügigkeit vorweisen. Ein pädagogisch sinnvoller Schulbetrieb sei nur ab einer gewissen Mindestgröße möglich.
Auf Nachfrage der Main-Post, wie sich das auf die Grundschulen auswirke, wenn hier, beispielsweise wie in Wertheim ein Rückgang der Schülerzahlen bis zum Jahr 2019/20 um elf Prozent prognostiziert ist, sagte Schneider deutlich: „Die Grundschulen sind davon nicht betroffen. Hier gilt weiterhin das Prinzip: kurze Beine, kurze Wege.“
Claudia Rugart, zuständig für Schule und Bildung im Regierungspräsidium, betonte, dass man bei strukturellen Veränderungen auch inhaltspolitische Reformen, wie Inklusion und Ganztageskonzepte im Auge haben müsse. Weil viele Gemeinschaftsschulen keine Oberstufe anbieten können, solle deshalb eine enge Verzahnung mit den beruflichen Schulen und Gymnasien angestrebt werden.
Für Jochen Müssig, Dezernent für Kreisentwicklung beim Landratsamt des Main-Tauber-Kreises, wäre es wünschenswert, wenn man bei diesem Prozess die Verschiedenheit zwischen Ballungsgebieten und Ländlichem Raum berücksichtigen würde. Interkommunale Lösungen auch über Ländergrenzen hinweg, Gründung von Schulverbänden und Gemeinschaftsschulen als Basis für berufliche Abiturstufen und Gymnasien lautet sein Konzept. „Dabei müssen örtliche Kirchtürme in manchen Bereichen gekürzt werden“, sagte er und schloss somit Schließungen nicht aus. Sein später gemachter Vorschlag, die geforderten 40 Schüler pro Klassenstufe für die Bildung einer Gemeinschaftsschule im ländlichen Raum zu verringern, stieß auf taube Ohren. Man brauche diese Größe für einen gut funktionierend Schulbetrieb, lautete die Antwort.
In Lauda und Wertheim werden diese Forderungen erfüllt. Hier können ab dem kommenden Schuljahr Gemeinschaftsschulen ihren Betrieb aufnehmen, auch wenn im ersten Jahr die geforderte Schülerzahl nicht erreicht werde, versicherte Schneider. Man sehe hier eher langfristig die Schülerzahl als gesichert an, was in Igersheim nicht der Fall wäre.
Deswegen habe man sich auch gegen Igersheim als Standort für eine Gemeinschaftsschule entschieden. Igersheim hat inzwischen rechtliche Schritte eingeleitet. Dennoch will das Regierungspräsidium mit Igersheim Gespräche führen, „um eine langfristige Lösung zu finden“, so Schneider. Er könne sich für Igersheim durchaus Kooperationen mit anderen Schulen vorstellen. Das Zauberwort heißt laut Schneider für Igersheim „Schulverband“. Auch die Zukunft der Haupt- und Werkrealschule Werbach war ein Thema. Ursula Stock vom Schulamt Künzelsau versicherte, dass man mit der Schule, den Eltern und dem Träger im Gespräch sei und man bestrebt ist, dass die Schüler ihren Abschluss an dieser Schule noch machen können. Die Zusage, dass man beim gesamten Prozess den Schulträgern auch in schwierigen Fällen beratend zur Seite stehen wolle, wiederholte Schneider noch einmal in der anschließenden Runde mit den Beteiligten.
Regionale Schulentwicklung
Vor dem Hintergrund der sinkenden Schülerzahlen, der Einführung von Gemeinschaftsschulen, dem Wegfall der Grundschulempfehlungen strebt die Landesregierung einen Veränderungsprozess der Schullandschaft an. Das Ziel dieser regionalen Schulentwicklung ist im Anhörungsentwurf zur Änderung des Schulgesetzes Baden-Württemberg so formuliert: „Allen Schülern in zumutbarerer Erreichbarkeit die Erlangung des gewünschten Bildungsabschlusses entsprechend ihrer Begabungen und Fähigkeiten bei einem gleichzeitig effektiven und effizienten Ressourceneinsatz zu ermöglichen.“