Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Tauber
Icon Pfeil nach unten

Grünsfeld: Ein verschollenes Rechnungsbuch kehrt zurück: Einblick in die Grünsfelder Vergangenheit von 1677

Grünsfeld

Ein verschollenes Rechnungsbuch kehrt zurück: Einblick in die Grünsfelder Vergangenheit von 1677

    • |
    • |
    Edgar Weinmann (rechts) überreicht Pfarrer Oliver Störr das historische Rechnungsbuch.
    Edgar Weinmann (rechts) überreicht Pfarrer Oliver Störr das historische Rechnungsbuch. Foto: Ulrich Feuerstein

    Ein fast 400 Jahre altes Dokument ist wieder aufgetaucht. Die „Gründtsveldter GottesHausRechnung“ von 1677 öffnet ein Fenster in die Vergangenheit. Edgar Weinmann, passionierter Geschichtsforscher und Ehrenbürger, hat das historisch interessante Büchlein jetzt Pfarrer Oliver Störr überreicht.

    Das Dokument misst etwa 30 mal neun Zentimeter. Seine rund 100 Seiten ermöglichen einen spannenden Einblick in eine längt vergangene Zeit. Abgefasst hat das Buch Johann Georg Alter. In den Jahren 1678 und 1679 war er einer von zwei Bürgermeistern der Stadt Grünsfeld.

    Die Zeit, aus der das Buch stammt, war wechselvoll. Der Dreißigjährige Krieg lag noch nicht lange zurück und hatte ein in weiten Teilen verheertes Land hinterlassen. Grünsfeld wurde nach dem Tod des letzten Landgrafen von Leuchtenberg im Jahre 1646 würzburgisches Oberamt. Während der Kriege Ludwigs XIV. von Frankreich blieb die Stadt von Einquartierungen nicht verschont. 1677 bezog beispielsweise der kaiserliche Hauptmann D’Avila hier sein Winterquartier.

    Zu dieser Zeit war Magister Johann Müller Pfarrer in Grünsfeld. Er war vorher Pfarrer in Eltmann Kaplan gewesen und wurde am 26. November 1673 in Anwesenheit der Räte und der vier Lehrer präsentiert. Pfarrer Müller musste für seine Seelsorgearbeit die Hilfe der Franziskanerpatres von Tauberbischofsheim in Anspruch nehmen. 1683 wurde Müller von Magister Johannes Jacobus Steinmüller abgelöst.

    Der Pfarrer warnte vor der "fremden und irrgläubigen Religion"

    Die den Heiligen Petrus und Paulus geweihte Pfarrkirche war 1659 abgebrochen und innerhalb von zwei Jahren neu errichtet worden. Am 24. August 1661 fand die feierliche Einweihung statt. Der Bericht in der Pfarrchronik betont ausdrücklich, dass die Einweihung nach katholischem Ritus und katholischen Zeremonien vonstattenging. Die Sorge um den katholischen Glauben – schließlich befand man sich noch in der Zeit der Gegenreformation – klingt auch in der Festpredigt des damaligen Pfarrers Smisinck an: „Hütet euch, dass ihr nicht zu einer fremden oder irrgläubigen Religion euch noch wendet.“

    Das Rechnungsbuch gibt nun einen Einblick in die finanziellen Verhältnisse der Pfarrei. Die scheinen nicht so schlecht gewesen zu sein. Verzeichnet sind Zinseinnahmen und Gelder aus Stiftungen. Einnahmen wurden aber auch mit Getreide und Wein aus „Grünßfeldter Gewächß“ erzielt. Demgegenüber fallen Ausgaben für gestiftete Messen oder den Kirchenornat und andere Zeremonien an. Auch der „Schulmeister“ will bezahlt werden. Am Ende stehen Einnahmen in Höhe von 896 Gulden, Ausgaben in Höhe von 259 Gulden gegenüber, was einen Überschuss von 637 Gulden bedeutet.

    Das Titelblatt des historischen Rechnungsbuchs, das jahrzehntelang verschollen war.
    Das Titelblatt des historischen Rechnungsbuchs, das jahrzehntelang verschollen war. Foto: Ulrich Feuerstein

    Ein „Inventarium“ listet zudem die durchaus reichhaltige Ausstattung des Gotteshauses auf und ist damit ein schönes Beispiel barocker Religiosität. Diese nämlich ist nicht auf das Kognitive, sondern auf alle Sinne ausgerichtet, sicht-, hör- und greifbar. Verzeichnet ist beispielsweise allerlei „Silbergschmeidt“: Monstranzen, Ciborien (Messkelche) und Patenen (Hostienschalen). Es finden sich Hinweise auf Messgewänder, Altartücher und „Paramente zum ChristKindlein“. Erwähnt werden auch Fahnen („weiß“ beziehungsweise „blau damasten mit Bildern“) und Messbücher.

    Einblicke in die verschwenderische Zeit des Barock

    Beispielhaft für die ostentative Verschwendung im Barock ist das Verzeichnis der vorhandenen Kirchenmusik. Es finden sich Werke des aus Bamberg stammenden Hoforganisten Georg Arnold und des ab 1637 als Magister in Neustadt an der Saale nachgewiesenen (Wolfgang) Christoph Agricola. Spannend ist der Hinweis auf eine Messe mit acht Stimmen von Augustinus Plattner. Ab Mai 1617 ist er als Hoforganist in Bad Mergentheim nachgewiesen. Sein Wirkungsort war die damalige Schlosskirche des Deutschordensschlosses. Die Kirche besaß damals – anders als heute – auch eine Reihe von Musikinstrumenten: Posaunen, Bassgeigen und Bratschen samt Futteralen werden erwähnt.

    Das Rechnungsbuch hat Weinmann per Brief aus Amerika bekommen. „Da hat wohl jemand ein schlechtes Gewissen gehabt“, schmunzelte er bei der Übergabe. Er vermutet, dass es während des Umbaus in den 1960er Jahren entwendet worden ist. Nach rund 60 Jahren ist es nun wieder zurück. Pfarrer Oliver Störr freute sich, das historische Dokument entgegennehmen zu dürfen. „Es bekommt seinen rechtmäßigen Platz im Pfarrarchiv“, betonte er.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden