Die Geothermiebohrungen in Staufen fordern ihr erstes endgültiges Opfer. An diesem Montag wird das erste Gebäude in dem Schwarzwaldort abgerissen. Es stammt aus dem Jahr 1915 und wurde zuletzt als Lagerhalle genutzt.
Als nach den Bohrungen im Jahr 2007 die Erde in Bewegung kam, entstand ein etwa 25 Zentimeter breiter Riss, der das Gebäude teilt. Bislang war es mit Holzbalken vor dem Einsturz bewahrt worden. „Weitere Maßnahmen zur Erhaltung des Gebäudes sind finanziell nicht mehr haltbar“, begründet Bürgermeister Michael Benitz (parteilos) die radikale Lösung.
Die Summe der entstandenen Schäden seit Beginn der Katastrophe beläuft sich auf rund 50 Millionen Euro. 270 Häuser sind in Mitleidenschaft gezogen worden. Bei den Bohrungen war Wasser in eine gipshaltige Erdschicht gelaufen, die sich dadurch ausdehnte. Seitdem hat sich die Erde unter der 8000 Einwohner Stadt um etwa 50 Zentimeter nach oben bewegt. Zurzeit hebt sie sich um bis zu drei Millimeter im Monat. Das ist für Benitz ein Hoffnungszeichen: „Die Hebungsgeschwindigkeit nimmt ab.“
Bisher wurden rund 7,5 Millionen Euro für Sanierungsmaßnahmen ausgegeben. Hiervon stemmte die Stadt 2,3 Millionen Euro, 500 000 Euro wurden von städtischen Betrieben getragen. Den Rest von 4,7 Millionen Euro übernahm zur Hälfte das Land und der kommunale Finanzausgleich. Im September 2012 einigten sich die Betroffene und die Gemeinde auf eine Schlichtung. Ziel ist laut des Geschäftsführers der Interessengemeinschaft, Csaba-Peter Gaspar, Vereinbarungen zu finden, um die Schäden zu regulieren. „Vor Gericht zu klagen und einen Schuldigen zu finden, dauert viel zu lange.“
Mehr als 100 solcher Schlichtungsanträge seien bereits abgewickelt worden. Gaspars Haus ist auch betroffen. Die Giebelwand geriet ins Kippen und musste befestigt werden. „Der Boden unter der Apotheke hat sich so sehr angehoben, dass Kunden über die hochstehenden Holzstücke des Parkettbodens stolperten.“
Geld für Härtefälle
Eine Stiftung sammelt zusätzlich Geld für Härtefälle. So kann finanziell schlechter gestellten Betroffenen geholfen werden. Wolfgang Schuhmann vor Vorstand der Stiftung lobt die Aufarbeitung der Katastrophe: „Alle Bewohner Staufens sind betroffen. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen ist der Zusammenhalt der Stadt sensationell.“
Zum Gegner von Erdwärmebohrungen ist Benitz nicht geworden. „Der Schadensfall Staufen hat die Geothermie-Welt verändert.“ Die Branche habe von Staufen gelernt. Schuhmann ergänzt: „Dass mit einem kleinen Pieks in die Erde eine Dauerkatastrophe ausgelöst wird, konnte niemand wissen.“