"Die Wandelhalle wurde von 1933 bis 1935 gebaut und diente der Einnahme des Heilwassers während des ‘Wandelns‘", erklärt Kurdirektor Sven Dell die historischen Anfänge des Gebäudes während eines Termins vor Ort. "Es hieß, man solle das Heilwasser während des Gehens trinken, damit der Verdauungstrakt angeregt wird. So sind die Menschen links und rechts an die Wasserausgabestellen gekommen und anschließend in die Wandelhalle in der Mitte, um zur Musik zu laufen, trockenen Fußes."
Während des Zweiten Weltkrieges sei die Anlage zur Stadthalle umfunktioniert und danach sukzessive zur Veranstaltungshalle umgebaut worden. "Diese Entwicklung stand im Kontrast zu den Brunnenhäusern" und so habe man ein Brunnenhaus von der Halle getrennt. "Die Wandelhalle hat heutzutage eine ‘Winterpause‘, da sie nicht mehr gut beheizbar ist", macht Sven Dell einen Sprung in die Gegenwart. Zwar hätte sie 1992 schon einmal eine Generalsanierung mit neuer Heizung erfahren, doch dabei seien die Fenster nicht ausgetauscht worden. "Die Fenster sind tatsächlich noch original von 1933, sieben Millimeter handgezogenes Glas und auch die Türgriffe, Hebel, alles ist 90 Jahre alt. Deshalb wurde dieses Baudenkmal auch seit kurzem in das ‘Große Buch der Denkmäler‘ aufgenommen, weil sie die einzige Wandelhalle Europas aus dieser Bauhaus-Epoche ist."
Aufsteigende Luftblasen im Wasser, passend zu den Heilwasserquellen der Kurstadt
Doch eine Modernisierung des multifunktionalen Gebäudes ist dringend nötig. Momentan werde die Wandelhalle für Auftritte des Kurorchesters, Brauchtumsveranstaltungen, Feste, Märkte, Kurangebote, Firmenevents und zur Vermietung genutzt, aber eben aufgrund baulicher Gegebenheiten und der veralteten technischen Ausstattung nicht mehr für diese Art von Veranstaltungen geeignet. "Während des Umbaus liegen die Schwerpunkte auf der technischen Modernisierung bis hin zur Klimatisierung mit dichten Fenstern und es steht die Sanierung der Betonstützen, in die schon Wasser eintritt, bevor", erläutert der Kurdirektor.

Die charakteristischen Leuchten seien 1990 installiert worden, bemerkt er mit Blick zur Decke vor der Bühne, und denen in einem Ministerium in Stuttgart nachempfunden, die Idee dahinter: aufsteigende Luftblasen im Wasser, passend zu den Heilwasserquellen der Kurstadt. Die Decke bleibe so, wie sie ist, die Holzrückwand dürfe weichen: "Wir möchten mit einem Baustoff arbeiten, der akustisch Mehrwert bietet." In den Boden komme ein Fußbodenheizung, die über die Wärmepumpe betrieben werde, die Lüftung laufe schon heute über das Naturwärmenetz des Stadtwerks "und eine Photovoltaikanlage kommt auf den hinteren Teil des Daches."
Eine nachhaltige, energieeffiziente Renovierung
Auch in der Einteilung "backstage" ändert sich einiges: "Die Künstlergarderoben bekommen einen Aufbau im hinteren Bereich und wandern in die obere Etage." Schließlich soll die gesamte Logistik – Technik, Beschallung, Beleuchtung und so weiter – zusammengefasst werden. "Derzeit ist die Struktur wild gewachsen. Wir wollen sie klar aufsetzen: Die Bereiche Gastronomie, Künstler und Kurverwaltung sollen ohne Überkreuzungen begehbar sein." Er verdeutlicht: "Im Erscheinungsbild wird die Wandelhalle vergleichbar zum heutigen Stand sein, sonst würde uns das Landesamt für Denkmalschutz den Garaus machen. Doch wollen wir eine nachhaltige, energieeffiziente Renovierung schaffen, mit dem Zweck, noch mehr Veranstaltungen zu generieren und vor allem, die Wandelhalle auch im Winter nutzen zu können!"

Für das Vorhaben habe man sich bewusst für ein Architekturbüro aus Stuttgart entschieden, das in Köln die Flora umgebaut hat – ein großes Gewächshaus, und ähnliches Gebäude wie die Wandelhalle, das zum Veranstaltungsort wurde. Auch dort sei, wie in Bad Mergentheim vorgesehen, der Park die gesamte Bauzeit über, zugänglich gewesen: "Sodass wir sehr zuversichtlich sind, dass wir das hier auch hinbekommen", so der Kurdirektor bei der Besichtigung.
Fertigstellung spätestens bis zum Festjahr 2026 geplant
Der Zeitplan sehe vor, dass die Sicherung der Halle im September oder Oktober 2023 passiere, "daraufhin wird hinten das Dach weggenommen, die Künstlergarderobe aufgestockt und im Frühjahr jede einzelne Fensterscheibe ausgeglast und energetisch ausgebessert", auch der Fußboden wird in seinen Einzelteilen herausgenommen werden. Ziel sei es, die Fertigstellung bis spätestens zum Festjahr 2026 zu schaffen, wenn 200 Jahre Wiederentdeckung der Heilquellen und 100 Jahre Erhebung zum Bad gefeiert werden.
Wer stemmt das Großprojekt mit einem Investitionsvolumen von rund 16 Millionen Euro? "Die Kurverwaltung ist eine GmbH bestehend aus den drei Gesellschaftern Stadt, Land und Landkreis. Diese tragen die Investitionen zu je einem Drittel. Zum Glück haben wir die Aussicht auf Fördermittel, unter anderem über das Landesamt für Denkmalschutz und auch aus dem Tourismusinfrastrukturprogramm fließt ein Zuschuss in Höhe von 2,5 Millionen Euro." Die Kurverwaltung hoffe, dass sich die Bau- und Materialpreise einpendeln werden.

"Die Wandelhalle ist die größte Halle der Stadt, hat ein Fassungsvermögen von 800 Personen und so leicht findet man da keine Ausweichfläche", weiß Sven Dell. "Doch wir können uns glücklich schätzen, dass wir das Kurhaus mit Kursaal haben und haben dort einen zusätzlichen Raum umgebaut." So gelinge es, die Zeit bis zur Fertigstellung zu überbrücken. Auch für die zeitweise erforderliche Schließung des Brunnentempels werde es eine Lösung geben: Eine "Ersatz"-Heilwasserausgabe im "Haus des Gastes" nebenan ist installiert, sodass niemand auf "sein" Heilwasser verzichten müsse.
Architektonische Gestaltung der Wandelhalle deutschlandweit einzigartig
Bad Mergentheims Oberbürgermeister Udo Glatthaar sagt, die anstehende Sanierung sei für die Tourismusdestination als Ganzes ein wichtiges Projekt. "Die Wandelhalle prägt als größtes Gebäude die filigrane Architektur des Kurpark-Ensembles. Sie ist von außen betrachtet ein Schmuckstück und im Inneren einer der größten Schauplätze für Kultur und Veranstaltungen in Bad Mergentheim. Mir imponiert immer wieder, dass die architektonische Gestaltung dieses Gebäudes als deutschlandweit einzigartig gilt und die Wandelhalle damit auch historisch von großer Bedeutung ist – was der Denkmalschutz unterstreicht."

Die sanierte Wandelhalle werde Bad Mergentheim nicht nur im Doppeljubiläumsjahr 2026, sondern auch "zur freudig erwarteten Landesgartenschau 2034 weiter aufwerten." Dass die Wandelhalle künftig ganzjährig bespielbar ist, sei ein wichtiger Schritt für die Stadtentwicklung – sowohl für mehr Möglichkeiten bei Kultur und Veranstaltungen als auch für den Wirtschaftsstandort. "Denn auch für Tagungen und Konferenzen wird sie sehr gefragt sein. Trotz klammer öffentlicher Kassen stemmen wir als Stadt deshalb im großen politischen Konsens unseren Millionen-Anteil an den Kosten", so Glatthaar.
