Kein Geringerer als Heinrich Böll, 1972 Nobelpreisträger für Literatur, soll den 1941 und 1942 im Exil in Mexiko von Anna Seghers geschriebenen Roman „Transit“ zum schönsten Roman der im Jahr 1900 als Annette Reiling in Mainz geborenen Autorin erklärt haben. Nach insgesamt dreizehn Jahren im Exil kehrte die Schriftstellerin 1947 wieder nach Deutschland zurück und entschied sich für Ostberlin.
Kathrin Mayr inszenierte das Schauspiel „Transit“ für die Badische Landesbühne. Ihre Adaption des gleichnamigen Romans war jetzt in der Tauberbischofsheimer Stadthalle zu erleben. Die Fassung sieht – wie der Roman – den Leser als Zuhörer, dem als Monolog des Erzählers rückblickend Erlebnisse in Marseille berichtet werden, die mit einem gerüchteweise gesunkenen Schiff enden.
Flüchtlinge im Zweiten Weltkrieg
Der Ich-Erzähler ist ein heimatloser Flüchtling, der im Zweiten Weltkrieg auf der Flucht vor den Nationalsozialisten in der noch unbesetzten Hafenstadt Marseille herumirrt. Er wird für den verstorbenen Schriftsteller Weidel gehalten. Hautnah erlebt er die kafkaesken bürokratischen Hürden für die nach Frankreich emigrierten Juden und politisch Verfolgten, die in Marseille auf Visa, Transitpapiere und Bordkarten für eine Passage nach Übersee hoffen. Marie taucht auf, Weidels Frau, die ihren Mann verlassen hat und ihre Zukunft mit einem Arzt in Übersee sieht.
Tobias Gondolf, Madeleine Hartig und Thilo Langer verkörpern verschiedene Flüchtlinge; im Mittelpunkt stehen der „Ich-Erzähler“, „Marie“ und den „Arzt“ in einer Dreiecksbeziehung. Marie glaubt beharrlich noch an das Auftauchen ihres längst verstorbenen Ehemanns. Die abgespeckte Bühnenversion mit einem Trio erschwert die Orientierung des Zuschauers. Zudem spielt die genaue Chronologie der Ereignisse im Chaos von verfallenen und wieder neu beantragten Ausreisevisa bei nervtötenden Behördengängen keine Rolle mehr. Im Vordergrund des Verwirrspiels stehen die nüchternen Schilderungen des verzweifelten, von Lethargie geprägten sinnlosen Wartens. Nur scheinbar zupackend agiert der Ich-Erzähler, denn ständig bekommt er Knüppel zwischen die Beine und wird ausgebremst. So müssen sich Flüchtlinge in fremden Ländern fühlen.
Dreieckverhältnis im Fokus
Dieses ständige Aussitzen und die lähmende Untätigkeit bringt Bühnenbildnerin Johanna Bajohr nachvollziehbar auf die Spielfläche mit einem Gewirr aus Eisen, die als Türen ins Nichts führen. Ventilatoren stehen für den kalten Mistral, der durch die Hafenstadt fegt. Ein unwirtlicher Ort ohne Wärme. Auf die Suche Maries nach Zuneigung fokussiert sich die Inszenierung, ganz im Sinne von Anna Seghers, die in ihrem Roman mit dem Dreiecksverhältnis eine Parallele zu Jean Racines Tragödie „Andromache“ sah: „Was mit dieser Frau und ihren zwei Freunden und ihrem toten Geliebten passiert, das gleicht der Handlung von Andromaque: Zwei Männer kämpfen um eine Frau, aber die Frau liebt in Wirklichkeit einen dritten Mann, der schon tot ist.“ Schleichend überträgt sich die Zerrissenheit der Protagonisten, die viel mit Schnipseln vor den Lüftern hantieren oder mit Verrenkungen zwischen dem Gestänge Langeweile und Frust zu überspielen suchen, mehr und mehr auf das Publikum, das weder etwas von den vielen Einzelschicksalen im Roman erfährt, noch ohne Vorwissen die Chronologie der Ereignisse halbwegs nachvollziehen kann. Reichlich Beifall gab es dennoch - für die schauspielerischen Leistungen.