Ein ganz normaler Morgen im Kindergarten St. Michael in Großrinderfeld. Auf der Straße ist es neblig, nass und kalt, im Kindergarten an der Hauptstraße hingegen ist's mollig warm.
Kurz nach 9 Uhr ist es, die meisten Kinder sind erst seit ein paar Minuten hier. "Ich hab schon zu Hause gefrühstückt", erzählt die vierjährige Antje. Aber das hindert sie nicht daran, sich zu den anderen an den kleinen Tisch zu setzen, die herzförmige Brotbox auszupacken und ein zweites Frühstück einzunehmen. "Apfelschnitze", juchzt Antje - und mampft geräuschvoll vor sich hin.
Im Zimmer nebenan denkt gerade keiner ans Essen. Maximilian (5), Limay (5), Philipp (6) und Tim (4) haben im Moment schließlich etwas viel Wichtigeres zu tun. Garagen aus Holzklötzchen bauen, zum Beispiel. Philipp stellt die quaderförmigen Holzstücke rund um seinen roten Matchbox-Ferrari auf. "So passt das", sagt er und steht auf. Er hat keine Lust mehr auf Bauen, er will lieber
Also setzt er sich zusammen mit anderen Kindern in die Advents-Werkstatt und bastelt ein Weihnachtsgeschenk. Konzentriert piekst Philipp Löcher in eine Silberfolie.
Was genau er bastelt, das will der Sechsjährige nicht verraten. "Ist doch eine Überraschung", nuschelt er vor sich hin. Inzwischen ist es 921 Uhr, Maximilian und Tim sitzen immer noch vor ihrer soeben erbauten Bauklötzchen-Stadt. "Ich nehm' die Bäume und du die Pilze", sagt Maximilian zu Tim.
Ganz plötzlich wird aus der hellbraunen Landschaft ein richtiger Urwald. Zwei Meter weiter hopsen Anna-Maria, ihre dreijährige Schwester Antonia und Annika wild im Kreis und kreischen so laut sie können. Das ist den Jungs zu laut - sie halten sich die Ohren zu.
Der fünfjährige Robin sitzt derweil mit den Erzieherinnen Claudia Horn und Irmtraud Lotter an einem Tisch und klebt kleine Fetzen bunten Metallpapiers in einen vorgezeichneten Stern. Alles einhändig, wohlgemerkt.
Nicht zu viel Stress
Auf der anderen Hand sitzt nämlich Robin. "Das ist gemütlich", meint er. Nur wenn er wieder ein bisschen Kleber auf das Papier schmieren will, nimmt er seine zweite Hand zur Hilfe. Nur nicht zu viel Stress am frühen Morgen! Für wen er das bastelt? Robin zuckt mit den Schultern. Für ausgiebige Gespräche ist er um diese Uhrzeit nicht zu haben.
Aber Antje plaudert gerne. Zusammen mit Irmtraud Lotter rollt sie eine Modelliermasse aus, mit der auch sie ein paar kleine Weihnachtsgeschenke machen will. "Für die Mama eins, für den Papa auch eins und für meine Oma", sagt die Vierjährige. Um 934 Uhr ist Antje fertig mit Basteln, jetzt ist Sofia dran. Auch Anna-Maria setzt sich an den Tisch. Sie will ihr Bild von vorgestern fertig malen. Antje will jetzt auch noch was malen. "Einen Kalender", erklärt sie: "Für mich. Damit ich bis am Weihnachtsabend jeden Tag noch ein Türchen mehr aufmachen kann."
Eine Viertelstunde später: Philipp sitzt noch immer in der Advents-Werkstatt und piekst noch immer in der Folie herum. "Den ersten Stern hab' ich fertig", sagt er - und lugt zu Paula rüber, die das selbe macht wie er. "Du hast ja viel weniger Löcher gemacht als ich", moniert er. Aber Paula stört das nicht: "Ich mach ja später noch mehr in die Mitte rein."
Am Basteltisch von Irmtraud Lotter geht das Bäumchen-wechsel-dich-Spiel weiter: Sofia ist auch fertig - jetzt darf Limoy mit der Modelliermasse basteln. Antje malt und klebt noch immer an ihrem Kalender.
Wie viele Blätter der Kalender bis zum Weihnachtsabend noch braucht? Antje weiß es nicht. "So weit kann ich ja noch nicht zählen. Aber weißt du was? Der Papa kann sogar bis 100 zählen", sagt die Vierjährige stolz. Diesmal hat Antje sicher nicht geflunkert.
Aber ansonsten übertreibt sie schon auch gern mal. Letzthin erst hat sie allen im Kindergarten erzählt, ihr Papa habe die Vogelgrippe. "Der hat das gesagt", sagt Antje - und lächelt verschmitzt.