Die Oberbürgermeister im Südwesten haben nach Auffassung des Kommunalexperten Paul Witt im Bundesvergleich am meisten Macht. Ihre Machtfülle ergebe sich unter anderem aus der langen Amtszeit von acht Jahren und daraus, dass sie nicht wie in anderen Bundesländern abgewählt werden können, sagte der Rektor der Verwaltungshochschule Kehl, der Nachrichtenagentur dpa.
Der OB ist in Baden-Württemberg nach Witts Worten Chef des Gemeinderats und stimmberechtigtes Mitglied in allen dessen Ausschüssen. Zudem ist er Dienstherr aller Verwaltungsmitarbeiter und vertritt die Gemeinde rechtlich und nach außen. „In den anderen Bundesländern kommen nie alle diese Funktionen zusammen. Im Südwesten haben die Oberbürgermeister fast die Macht wie kleine Könige“, resümierte der Wissenschaftler.
Im Südwesten herrsche die „Konkordanzdemokratie“ vor, erläuterte Witt. Das heiße, dass die Gemeinderatsmehrheit und der Oberbürgermeister trotz möglicherweise unterschiedlicher Parteizugehörigkeit auf Kompromisse bedacht sind. Eine Konstellation wie derzeit in Stuttgart mit einem CDU-Oberbürgermeister Wolfgang Schuster und einer Gemeinderatsmehrheit links von der CDU berge keine Nachteile. „Der OB muss dabei ein besonderes Verhandlungsgeschick zeigen.“
Das habe den Vorteil, dass er nicht auf Gutsherrenart Beschlüsse durchwinken lassen könne, sagte der Diplomvolkswirt. Das geschehe nicht, wenn der OB nicht dasselbe Parteibuch habe wie die Gemeinderatsmehrheit. „Der OB wirkt dann wie eine Filzbremse, die verhindert, dass Strukturen verkrusten.“
Eine mögliche grüne Doppelspitze im Staatsministerium und im Stuttgarter Rathaus, vor der Sebastian Turner, der von der CDU nominierte OB-Kandidat, gerade warnt, spiele aus Wählersicht keine Rolle. Witt: „Land und Kommune sind da zu verschiedene Ebenen.“
Dagegen könne es für die Wähler ein Manko darstellen, wenn der neue OB aus dem linken Lager kommt, das die Mehrheit im Gemeinderat stellt. Dies würde für den Grünen Fritz Kuhn, die von der SPD gestützte Schwäbisch Haller Sozialbürgermeisterin Bettina Wilhelm und den Stadtrat der Gruppierung SÖS (Stuttgart Ökologisch Sozial) Hannes Rockenbauch gelten. „Hier könnte ich mir vorstellen, dass die Wähler sich nach strategischen Gesichtspunkten entscheiden.“