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Reflex oder vorsätzliche Körperverletzung?

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Reflex oder vorsätzliche Körperverletzung?

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    Tauberbischofsheim (IHA) Ein Déjà-vu-Erlebnis (aus dem Französischen "schon gesehen") ist laut Definition "eine Erinnerungstäuschung, bei der man das Gefühl hat, etwas schon einmal erlebt zu haben und kommt meist in Erschöpfungszu-ständen, bei Psychosen oder Neurosen vor".

    Dass in einem Prozess vor dem Tauberbischofsheimer Strafrichter aber weder geistige Verwirrung noch Gefühlstäuschung der Grund waren, warum man das Ganze schon einmal erlebt zu haben glaubte, wurde spätestens dann klar, als der Richter den Anlass für die tatsächliche Neuauflage des Prozesses nannte.

    Der wegen vorsätzlicher Körperverletzung angeklagte 26-jährige Russlanddeutsche aus Marktheidenfeld, ehemaliger Türsteher in einer damals noch unter dem Namen Supermäx firmierenden Diskothek in Lauda, hatte die ihm im ersten Verfahren in einem Einstellungsbeschluss auferlegte Geldbuße von 2500 Euro (wir berichteten) entgegen seiner Zusage nicht bezahlt. Die Sache musste deshalb neu verhandelt werden.

    Dem Angeklagten wurde damals wie heute angelastet, am 24. März vergangenen Jahres gegen 2230  Uhr im Eingangsbereich des besagten Tanzschuppens einem jungen Türken durch einen rückwärts ausgeführten Schlag völlig ohne Grund den Kiefer zerschmettert zu haben. Der Geschädigte war deshalb zwei Wochen in stationärer Behandlung.

    Das Verfahren hätte im Prinzip mangels neuer Erkenntnisse "nach Aktenlage" entschieden werden können, wenn die Strafprozessordnung nicht auf dem "Mündlichkeitsprinzip" basierte. So aber durfte man sich noch einmal vom Angeklagten und einem für ihn als Entlastungszeuge auftretenden befreundeten Kollegen anhören, dass der verhängnis- und so wirkungsvolle Hieb nicht mit Absicht geführt worden war, sondern eine reine Reflexhandlung darstellte. Der Geschädigte habe nämlich den Angeklagten zuvor von hinten erschreckt.

    Und weil man als Türsteher zumindest zur damaligen Zeit in jener Disko ständig auf alles habe gefasst sein müssen, so der reaktionsschnelle Muskelmann, habe auch er nicht lange gefackelt. Und blitzartig gehandelt - natürlich nicht ahnend, dass es sich bei dem vermeintlichen Aggressor um einen völlig harmlosen und ihm wohlbekannten Dauerbesucher und zudem überaus schmächtiges Bürschchen handelte. Denn wenn er ihn, so der Angeklagte vielsagend, tatsächlich absichtlich niedergeschlagen hätte  .  .  . (was dann noch von dem "Gegner" übrig geblieben wäre, überließ er der Fantasie des Zuhörers).

    Wenn überhaupt, so deshalb das Fazit des Verteidigers am Ende der Beweisaufnahme, sei sein Mandant allenfalls wegen seiner Überreaktion und damit wegen fahrlässigen Verhaltens zu verurteilen. Dafür aber reiche eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen (im Gegensatz zu den von der Vertreterin der Staatsanwaltschaft geforderten 80 wegen vorsätzlicher Tatbegehung) allemal aus.

    Schließlich blieb der Richter weit unter der ursprünglich verhängten Geldstrafe und verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20 Euro.

    Für den Angeklagten bedeutet das: Er hat zwar für den Moment erreicht, dass er weniger zahlen muss. Dafür weist das Bundeszentralregister für ihn aber nun eine weitere Vorstrafe auf - mit allen (auch finanziellen) Konsequenzen, die ein solcher Eintrag für ihn als Arbeitslosen nach sich ziehen kann.

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