(lsw) Es hätte alles so schön werden können. Am 1. Mai wird das Elite-Internat Salem ganz groß seinen 90. Geburtstag feiern – mit viel Prominenz sowie Diskussionen, Ausstellungen und einer Revue zur Geschichte der weltbekannten Schloss-Schule im idyllischen Bodensee-Hinterland. Doch nun dürfte nicht die Erfolgsstory der 1920 vom Reformpädagogen Kurt Hahn und Max Prinz von Baden gegründeten Koedukationsschule im Vordergrund stehen. Denn das Internat plagen negative Schlagzeilen wegen Missbrauchsfällen und der gescheiterten Neubesetzung der Schulleiterstelle.
Umstrittene Personalie
Die Personalie hatte in den vergangenen Wochen für große Aufregung gesorgt. Der Internatsverein, Trägerin der Schule, hatte die Rektorin des Humboldt-Gymnasiums in Schweinfurt, Monika Zeyer-Müller (CSU), engagiert. Sie sollte zum 1. September Eva Marie Haberfellner ablösen, die seit 2007 an der Spitze steht. Doch über die 53-jährige Pädagogin war nicht nur Vorteilhaftes bekannt geworden. Schüler in Schweinfurt klagten Medienberichten zufolge über ein schlechtes Klima an der Schule. In Salem wurde ihr angekreidet, keinerlei Erfahrung mit Internaten und Auslandsschülern zu besitzen. Immerhin haben unter den rund 700 Schülern in Salem etwa 20 Prozent einen ausländischen Pass. Auch die CSU-Mitgliedschaft wurde zum Stein des Anstoßes. Die Wogen gingen so hoch, dass das Internat die Verpflichtung Zeyer-Müllers rückgängig machen musste.
Nun also beginnt die Suche nach einer neuen Schulleitung wieder von vorn. Dabei haben sich die Rektoren seit 2005, als Bernhard Bueb nach 31 Jahren in den Ruhestand ging und mit der Streitschrift „Lob der Disziplin“ Furore machte, die Klinke in die Hand gegeben. Zunächst kam Ingrid Sund, zuvor Leiterin der Deutschen Schule Paris. „Die Chemie hat nicht gestimmt“, hieß es, als Sund schon ein Jahr später aufgab. Dann übernahm Haberfellner, zuvor unter anderem Dekanin der Reutlinger European Business School. Nun schiebt die 64-Jährige ihren Ruhestand hinaus, bis die Spitze neu besetzt wird. Auch die Missbrauchsfälle haben Kratzer auf dem Image hinterlassen. Zwar scheint das Internat, in dem betuchte Eltern rund 30 000 Euro Schulgeld pro Jahr für ihre Sprösslinge hinblättern, weniger betroffen zu sein als andere Bildungseinrichtungen. Doch teils widersprüchliche Aussagen des langjährigen Leiters Bueb und der aktuellen Schulleitung konnten den Anschein erwecken, die Übergriffe sollten womöglich heruntergespielt werden. Bueb, von 1972 bis 1974 auch Lehrer an der in Misskredit geratenen hessischen Odenwaldschule, hatte Missbrauch in Salem eingeräumt. Nun ist Salem in die Offensive gegangen, hat Ehemalige aufgefordert, möglichen Missbrauch zu melden und eine Ombudsstelle eingerichtet. Die Anziehungskraft Salems habe unter dem Wirbel jedoch nicht gelitten, die Zahl der Anmeldungen neuer Schüler sei nicht zurückgegangen, sagt Internatssprecherin Suzan Hahnemann.
„90 Jahre sind für uns Auftrag, Visionen für eine Pädagogik des 21. Jahrhunderts zu entwickeln“, heißt es in der Einladung.