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STANDORF: Ulrichskapelle bleibt geschlossen

STANDORF

Ulrichskapelle bleibt geschlossen

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    Die spätromanische, im 13. Jahrhundert erbaute Ulrichskapelle ist weithin bekannt – wegen ihrer Abgelegenheit in herrlich rauer Natur am Nordrand der Hohenloher Ebene und wegen ihrer Jahrhunderte alten, teilweise geheimnisvoll wirkenden Innenausstattung.

    Der 75-jährige Landwirt und Hobby-Heimatforscher Wagner ist ein Standorfer Original. Wer einmal von ihm durch „seine“ Kapelle geführt wurde, vergisst es nie. Gab es dort früher ein keltisches Heiligtum? Wurde das „Turiner Grabtuch“, in dem der Legende nach der Leichnam Jesu nach der Kreuzigung eingehüllt war, einst in der Ulrichskapelle versteckt? Hat das Wasser der unterhalb gelegenen Quelle heilende Wirkung?

    Auf all diese Fragen hat Wagner in Jahrzehnte langer, akribischer Arbeit seine ganz speziellen Antworten gefunden und sie den Kirchenbesuchern kauzig charmant, mit viel Herzblut und in herrlichem Hohenlohisch vermittelt. Sie klingen teilweise sehr spekulativ und halten wissenschaftlichen Ansprüchen nicht stand. „Der Glaube überwiegt, aber er ist durch Wissen untermauert“, pflegte der Kirchenführer Skeptikern entgegen zu halten. Jedenfalls hatten seine Erzählungen nichts zu tun mit Esoterik, Spiritismus oder Neuheidentum.

    Von derartigen Aktivitäten jedoch hatte seit einigen Jahren regelmäßig ein direkter Anwohner der Kapelle berichtet, die etwas außerhalb liegt und vom Dorf her nicht einsehbar ist. Beispielsweise hätten Wünschelrutengänger das Gotteshaus betreten, was Wagner zugelassen habe. „Mehrfach habe ich alles stehen und liegen gelassen, um dem nachzugehen, aber stets eine leere Kapelle vorgefunden“, so der evangelische Pfarrer von Creglingen, Christof Messerschmidt, der auch für Standorf zuständig ist, im Gespräch mit der Main-Post.

    Hintergrund der Anschuldigungen ist nach seiner Einschätzung ein privater Streit zwischen dem Anwohner und dem Kirchenführer. Die Auseinandersetzungen um die Kapelle hätten viel Unruhe in das nur rund 80-Seelen-Dorf gebracht, worauf der KGR vorsorglich das „Wünscheln“ in der Ulrichskapelle ausdrücklich untersagte. Beschwerden von Besuchern über Wagner habe es laut Pfarrer Messerschmidt nie gegeben, und „der KGR und ich haben immer zu ihm gestanden.“ Bis vor einigen Wochen: Messerschmidt befand sich im Urlaub, als der stattdessen alarmierte Dekan Reinhard Tröster (Weikersheim) eine mit Wünschelruten ausgestattete Gruppe in der Kapelle antraf – in Begleitung Wagners. Dieser habe versichert, die Ruten seien im Gotteshaus nicht zum Einsatz gekommen. Dennoch: „Damit die Standorfer wieder in Ruhe leben können“, so Messerschmidt, bleibt die Kirche bis Ende 2008 für Besucher geschlossen. Zudem wurde Wagner als Kirchenführer abgelöst. Die Führungen organisiert ab 2009 die Stadt Creglingen.

    Wagner setzte sich in einem sehr emotionalen Leserbrief zur Wehr, der am Mittwoch von zwei in Bad Mergentheim erscheinenden Tageszeitungen veröffentlicht wurde. Darin betonte er nochmals, dass in seinem Beisein in der Kapelle nicht „gewünschelt“ worden sei, und warf dem Pfarrer vor, das Führungsverbot eigenmächtig durchgesetzt zu haben. Weiter schrieb er: „Da hat man über ein halbes Leben lang ehrenamtlich seine Kraft und Zeit für die Kirche geopfert, und nun wird man behandelt wie der letzte Dreck.“

    Die Ulrichskapelle ist von Legenden umwoben, viele Fragen aus vergangener Zeit bleiben vermutlich unbeantwortet. Und auch ob Kurt Wagner dort tatsächlich esoterische Praktiken geduldet hat, dürfte nicht endgültig zu klären sein.

    Umdeutungen der Ulrichskapelle

    Nach Aussage von Pfarrer Christof Messerschmidt gibt es schon lange neuheidnische und esoterische Umdeutungen der Ulrichskapelle. So werde ihre Mittelsäule, ein gewaltiger, Jahrhunderte alter Eichenstamm, auf einschlägigen Internet-Seiten mit einer keltischen Gottheit in Verbindung gebracht. Auch Menschen, die an Erdstrahlung interessiert sind, fühlen sich Messerschmidt zufolge von dem Kirchlein angezogen, weil sich dort angeblich zwei Wasseradern kreuzen. Ein verstorbener Professor aus Wertheim habe sich an der Kapelle als Wünschelrutengänger betätigt und darüber veröffentlicht.

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