In Coronazeiten fühlen sich immer mehr Menschen einsam, haben keine Vertrauensperson oder einen Menschen mit dem sie ihre Interessen teilen können. Ein positives Beispiel sind Rainer Kinscher und Erhard "Schlatt" Götzelmann. Die beiden gebürtigen Laudaer sind seit über 40 Jahren beste Freunde. Die Begeisterung für den Kampfsport und Bruce Lee-Filme brachte sie vor vier Jahrzehnten zusammen. Im Doppelinterview sprechen Rainer und Schlatt über das Thema Freundschaft und weshalb sie am 13. März 2022 ein ganz besonderes Foto nachgestellt haben.
Schlatt und Rainer, wie kam es zu Ihrer Freundschaft?
Erhard Schlatt: "Wir sind aus dem gleichen Ort und kannten uns vom Namen her. Ich wusste von Rainers Affinität zum Kampfsport und auch, dass er Bruce Lee-Filme besaß. Auf dem Dampflokfest in Lauda habe ich seinen Bruder Peter angesprochen, der ihn mir dann vorgestellt hat. Ich habe Rainer gefragt, ob er mit mir zusammen die Filme anschauen möchte. Die Filme zu kaufen, das wäre ja damals sauteuer gewesen (lacht)."
Rainer: "Schlatt war damals etwa 15 und ich 19 Jahre alt. Die vier Jahre bin ich bis heute älter geblieben, auch wenn mich Schlatt sportlich gesehen gerne einholt (lacht). Jedenfalls entwickelte sich aus dem Kennenlernen schnell eine tiefe Freundschaft. Wir waren fast wie Geschwister, waren beim jeweils anderen zu Hause, haben Videos angesehen und stapelweise süße Stückle dazu gegessen (lacht), das dann aber wieder beim Sport abtrainiert. Schlatt war beim Karate, ich beim Taekwon-Do und wir besuchten uns in den Vereinen."
Schlatt: "Wir haben uns gegenseitig motiviert, so wie wir es heute noch tun. Einmal in der Woche treffen wir uns zur gemeinsamen Sportrunde. Auch als junge Männer haben wir uns nicht geschont. Wenn wir miteinander kämpften, hätte man als Zuschauer meinen können, die zwei kennen sich überhaupt nicht."
"Egal, welchen Blödsinn Schlatt vorgeschlagen hat, ich war dabei."
Rainer Kinscher
Was macht Ihrer Meinung nach eine gute Freundschaft aus?
Schlatt: "Dass sie lange Bestand hat und wie ein guter Wein reift. Wir haben den Begriff "beste Freunde" nie benutzt, sind es aber einfach. Auch mit Unterbrechungen, da ich oft im Ausland unterwegs war, aber das tat der Freundschaft keinen Abbruch. Wir sind gerne beieinander und können auf eine lange Zeit zurückblicken. Ich freue mich auf das, was noch kommt."
Rainer: "Intensität, meine ich, spielt auch eine wichtige Rolle. Wir haben Blut, Schweiß und Tränen geteilt. Ich konnte mich immer auf Schlatt verlassen, er hat mir in schwierigen Situationen geholfen. Zuverlässigkeit und Vertrauen sind entscheidend. Eine Art Ur-Vertrauen, blindes Vertrauen, braucht es für eine tiefe Freundschaft."

Was haben Sie in Ihrer Freundschaft zusammen erlebt?
Schlatt: "Das Gefühl, nicht alleine zu sein."
Rainer: "Egal, welchen Blödsinn Schlatt vorgeschlagen hat, ich war dabei. Wir sind zum Beispiel in Kung Fu-Schlappen in die Disko. So würden sie einen heute da nicht mehr reinlassen. So ist auch unser Karate-Foto auf dem Kadett entstanden. Es war Schlatts 18. Geburtstag im März 1982. Wir wollten etwas Spektakuläres machen. Und das Bild hat danach tatsächlich Kreise gezogen. Wir haben es mehrfach als Geburtstagskarte an Bekannte und Familie verschenkt. Nun, vierzig Jahre später, wollten wir es nachstellen. Nicht mehr ganz so gelenkig, aber noch motiviert."
Schlatt: "Das mit dem Auto war übrigens eine Aktion ohne Drogen (lacht). Unsere einzige Droge war das Training."

Können Sie einen Tipp geben, wie man Freunde findet?
Schlatt: "Dafür gibt es meiner Meinung nach kein Patentrezept. Ich vermute, es ist viel Glück dabei. Die Götter haben es scheinbar gut mit uns gemeint. Dieses Geschenk haben wir gepflegt."
Rainer: "Von allen Geschenken, die uns das Schicksal gewährt, gibt es kein größeres Gut als die Freundschaft - keinen größeren Reichtum, keine größere Freude." Das ist von Epikur von Samos und passt gut dazu. Bei uns war es die gemeinsame Liebe zur Kunst und zur Bewegung sowie das Idol Bruce Lee, worauf wir unsere freundschaftliche Beziehung aufgebaut haben."
"Die Götter haben es scheinbar gut mit uns gemeint. Dieses Geschenk haben wir gepflegt."
Erhard "Schlatt" Götzelmann
Gibt es etwas, was Sie sich in Ihrer Freundschaft noch erfüllen möchten?
Schlatt: "Einfach so weitermachen."
Rainer: "Es gibt da dieses Zitat: 'Jetzt erst fühle ich meinen Fauststoß'…"
Schlatt: "…von Gichin Funakoshi. Ein Karate-Pionier der westlichen Welt. Das soll er auf dem Sterbebett rückblickend auf sein Leben gesagt haben."
Rainer: "Es bedeutet, dass etwas reift und dann hoffentlich am Ende das Erfüllende in sich trägt. Die Entwicklung geht nicht in die Weite, sondern in die Tiefe."
Zum Abschluss noch eine Frage an Schlatt: Woher kommt eigentlich der durch Ihre Karateaktivitäten international bekannte Name "Schlatt"?
Schlatt: (Lacht) "Das bleibt mein Geheimnis. Das Geheimnisvolle ist doch viel interessanter als wenn ich die Entstehung des Namens verraten würde. Selbst meine Kinder wissen es nicht. Aber so viel kann ich sagen, den Namen gibt es schon seit ich zehn, elf Jahre alt war. Rainer hatte nichts damit zu tun."
Zur PersonErhard "Schlatt" Götzelmann gründete 2001 die Karateabteilung Tauberbischofsheim. Der Verein bietet ständig Anfängerkurse an und derzeit sonntags von 11 bis 12 Uhr kostenfreie Karatetrainings im Freien nahe der Wörthalle in Tauberbischofsheim. Für eine Teilnahme sind allerdings Vorkenntnisse erforderlich. Bei Interesse eine Mail an: schlatt@schlatt-books.deRainer Kinscher bietet Kurse im Bereich Achtsamkeit und Meditation. Von Mai bis Oktober läuft zudem wieder sein kostenloses Sommerprogramm "Qi Gong auf der Wiese" in Lauda vor dem Dampflokdenkmal. Die Zeiten: montags von 10 bis 11 Uhr und freitags von 18.30 bis 19.30 Uhr. Eine Anmeldung und Qi Gong-Vorkenntnisse sind nicht nötig. Bei Fragen: kibun.raiki@gmx.netQuelle: lihe
