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BADEN-BADEN: Was der frühe Tod aus Künstlern macht

BADEN-BADEN

Was der frühe Tod aus Künstlern macht

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    Skurril: Das Werk „Law Stay Away“ von Dash Snow. Es ist Teil der Ausstellung „Nach dem frühen Tod“ in Baden-Baden.
    Skurril: Das Werk „Law Stay Away“ von Dash Snow. Es ist Teil der Ausstellung „Nach dem frühen Tod“ in Baden-Baden. Foto: Foto: Uli Deck, dpa

    Ein früher Tod, am besten unter mysteriösen Umständen, verkauft sich in der Kunst gut. Das zeigt eine Schau anhand von van Gogh, Basquiat, Schlingensief und einigen zu Unrecht Unbekannten.

    Hat er es geahnt, das Schicksal herausgefordert oder gar bewusst herbeigeführt? Sicher ist nur: Bas Jan Ader brach 1975 mit einer kleinen Jolle zu einer Atlantiküberquerung auf. Zehn Monate später wurde sein Boot an der irischen Küste angespült. Der Künstler selbst wurde nie gefunden. Seine dokumentierte Performance „In Search of the Miraculous“, wie er seinen letzten Törn nannte, ist die wohl radikalste Position der Ausstellung „Nach dem frühen Tod“.

    Die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden spürt dabei der Frage nach, was mit Künstlern und ihrem Werk passiert, wenn sie früh sterben. Und das ist durchaus nicht so vorhersehbar, wie es auf den ersten Blick scheint. Die renommierte Ausstellungshalle zeigt dies von diesem Samstag an (bis zum 21. Juni) anhand ganz unterschiedlicher Beispiele aus dem 20. und 21. Jahrhundert: von Vincent van Gogh und August Macke über Jean-Michel Basquiat, Jackson Pollock und Ana Mendieta bis hin zu Keith Haring und Christoph Schlingensief.

    Die Schau beginnt mit dem stillen Bild eines Künstlers, um den es seit seinem Tod ziemlich laut ist: „Rosen und Sonnenblumen“ von Vincent van Gogh. Zu Lebzeiten ein verkanntes Genie, erzielten seine Arbeiten schon wenige Jahre nach seinem mutmaßlichen Suizid vor 125 Jahren Höchstpreise. Kaum ein Museum kommt ohne ihn aus.

    Und nicht nur das: Für den Baden-Badener Museumschef Johan Holten ist van Gogh das Paradebeispiel für die Vermarktung und Verkitschung des Ouvres nach frühem Tod. Van-Gogh-Accessoires wie Becher, Schirme oder Tücher haben längst die Schwelle der Museumsshops überschritten.

    Wenn ein Mensch vor der Zeit stirbt, versucht man dem häufig einen Sinn zu geben. Das bleibt nicht folgenlos für das Werk. In den Bildern von van Gogh sucht man nach den Spuren von Wahnsinn, bei Basquiat nach denen seiner Drogensucht und bei Schlingensief nach denen der Krebserkrankung. „All das, was man über die Person weiß, wird mit dem vermengt, was man sieht – mit dem Werk also“, sagt Holten.

    Darf man das? Holten findet: Nicht unbedingt. Zwar verändert eine tödliche Krankheit die öffentliche Wahrnehmung häufig zum Guten: So hatten viele Kritiker für den gesunden unbändigen Provokateur Schlingensief – er ist in der Ausstellung mit der Treppenlift-Installation „Stairlift to Heaven“ vertreten – nur Häme übrig. Nachdem er krank wurde, waren die Kommentare deutlich freundlicher.

    Dass ein später anerkanntes Werk auf die Krankheit hin befragt wurde, passierte aber auch anderen: Dem exzessiv auf den Tod zusteuernden Martin Kippenberger etwa. In Baden-Baden erschreckt er aus einem Selbstporträt mit rotem Plüsch den Betrachter. Bei ihm wie bei seinen ebenfalls nach dem Konsum diverser Substanzen gestorbenen Künstlerkollegen Dash Snow oder Jason Rhoades sieht Holten immerhin einen Zusammenhang zwischen Werk und Todesursache.

    Doch wie ist das mit den Reifenspuren auf Beton des Tschechen Jan Mancuska und seinen Fußskizzen, die gleich einer Himmelsleiter gehängt sind? Bei Piero Manzonis (echter) „Künstlerscheiße“ oder Blinky Palermos Bild „Mittelblau“ deutet jedenfalls wenig auf Tod hin.

    „Dass die Sonne morgen aufgehen wird, ist eine Hypothese; das heißt: wir wissen nicht, ob sie aufgehen wird“, zitiert Kurator Hendrik Bündke in seinem Katalog-Text gleich zu Beginn Ludwig Wittgenstein. Und warnt damit vor einer Festlegung der Künstler auf Krankheit und frühen Tod.

    Auch weil man in Baden-Baden nicht dem Impuls nachgeben will, diesem automatisch eine Bedeutung für das Werk zuzuschreiben, sind die „Studioworks“ von Eva Hesse bedeutsam: Die schalenartigen, filigranen Gebilde aus Mulltuch sind zum Kunstobjekt erhoben, obwohl man nicht mal weiß, ob diese überhaupt Kunst sein sollten oder nur Abdrücke von Kunstwerken waren. Ein bewusstes Fragezeichen. Und vielleicht auch ein kleiner Ausgleich für viele Künstlerinnen, deren Werke selbst nach einem tragischen oder mysteriösen Tod nie das Preisniveau ihrer männlichen Kollegen erreichten.

    Der Konstanzer Ökonomieprofessor Heinrich Ursprung beziffert allein den „Todeseffekt“ bei Basquiat, der im Alter von 27 Jahren starb, auf etwa 400 Prozent. Bei dem an Aids gestorbenen Keith Haring stieg das Preisniveau der Werke demnach schon bei Bekanntwerden der Krankheit – „und zwar um gut 300 Prozent“.

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