Frühe Büstenhalter, klassischer Feinripp, reizvolle Spitzenwäsche: Dies präsentiert die Ausstellung „Auf nackter Haut“. „Geschichte ist nicht immer Mord und Totschlag“, sagt Thomas Schnabel, Leiter des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg über die ungewöhnliche Ausstellung.
Was verrät die Unterwäsche über ihre jeweilige Zeit? Lange spießige, dann immer raffiniertere Textilien aus drei Jahrhunderten erzählen von gesellschaftlichen Trends, von Körperidealen, Geschlechterrollen und Moralvorstellungen. „Zeit und eine Gesellschaft spiegeln sich nicht nur in großen Staatsaktionen. Manchmal verrät der Blick darunter mehr über die jeweilige Epoche“, sagt Schnabel. So ein Blick erzähle eine ganze Menge über die Gesellschaft – etwa, wenn man sehe, dass die Menschen nach dem Krieg verklemmter gewesen seien als davor.
Und wer hat's erfunden? Die Franzosen. Vom Nachbarn kam vor zwei Jahrhunderten der Zirkular- oder Rundwirkstuhl in den Südwesten. Er revolutionierte die Welt der Unterwäsche. Die Maschinenbau-Innovation ermöglichte die Produktion von elastischen Geweben. Auf der Schwäbischen Alb, am Bodensee und in Stuttgart entstanden zahlreiche Betriebe.
Als die Firma Schiesser 2009 Insolvenz beantragen musste, gab der Insolvenzverwalter die Musterkollektion der Traditionsfirma mit weit über 5000 Wäschestücken aus 135 Jahren als Leihgabe ans Haus der Geschichte. Aus heutiger Sicht kurios wirken etwa Untertrikotagen für Frauen mit taschenartigen Einsätzen für die Brüste, rosa Männerunterhosen, Badeanzüge aus Wolle aus den 1930er Jahren. Filmausschnitte zeigen parallel, wie die intime Hülle Film und Werbung eroberte. Sich wandelnde Wäscheideale werden durch Kino- und Popstars verkörpert. Wäsche aus Papiergarn stammt aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Verschiedene schweißtreibende Kunststoffe setzten sich im Laufe der Zeit nicht durch. Ebenso wenig wie die Idee vom Beginn des 20. Jahrhunderts, dass Unterwäsche kratzen müsse, um die Durchblutung zu fördern. Auffällig: Modische Schnitte und Farbe für Herren-Unterwäsche gab es erst in den 1980er Jahren, deutlich später als für Frauen. So raffiniert und vielfältig die Damen untendrunter gekleidet waren, so konservativ und spießig-unerotisch blieb lange der Herr.