Auslöser ist ein Spruch des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden- Württemberg, mit dem keiner mehr gerechnet hatte. Laut VGH wurde der frühere Freiburger Uniklinik-Chef Friedl nach etlichen Operationspannen zu Recht als Chefarzt suspendiert. Das Land nutzte sogleich den Rückenwind des Mannheimer Beschlusses, um die politisch umstrittene Einigung mit Friedl doch noch zur Disposition zu stellen: „Das Urteil der letzten Woche weist eher den Weg zu einer Entscheidung ohne Vergleich“, kündigte Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) an.
Die Entscheidung soll in der kommenden Woche fallen. Hat das Land noch ein paar juristische Pfeile im Köcher? Die hätte es jedenfalls bitter nötig. Denn die VGH-Entscheidung allein dürfte kaum ausreichen, den Vergleich einfach aufzukündigen.
Das jedenfalls legt Paragraf 779 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nahe. Von einem Vergleich, mit dem ein Rechtsstreit beigelegt werden soll, kann man sich nur lösen, wenn der „zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht“. Davon kann hier keine Rede sein: Friedls OP-Pannen, seine strafrechtliche Verurteilung zu einer Geldstrafe, die Berufungsvereinbarung nebst Befugnis zur Privatliquidation – als man die Unterschriften unter den Vergleich setzte, lagen die Fakten auf dem Tisch. Zudem kam das Ergebnis der VGH-Entscheidung nicht überraschend, das Verwaltungsgericht Freiburg hatte 2006 ja ebenso entschieden.
Überraschend war allerdings, dass der VGH überhaupt entschieden hatte. Denn der Vergleich diente ausdrücklich dem Ziel, „alle noch anhängigen gegenseitigen Auseinandersetzungen abzuschließen“. Warum hat der VGH dennoch einen Beschluss gefällt? Übermotivierte Richter? Oder ein Lapsus der Beteiligten?
Die Suche nach der Antwort führt ganz tief in die Feinheiten des Prozessrechts. Zunächst hatten beide Seiten den VGH-Prozess für „ruhend“ erklärt, ein Zustand, der den Richtern solange die Hände bindet, bis einer der Beteiligten das Verfahren reaktiviert. Als die Aussichten schwanden, Friedl disziplinarrechtlich aus dem Beamtenstatus zu entfernen, ließ sich Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) auf den 1,98-Millionen-Vergleich ein.
In dieser Situation geschah folgendes: Das Land erklärte den Prozess vereinbarungsgemäß für „erledigt“, Friedls Anwälte dagegen zögerten – offenbar irritiert dadurch, dass das Land doch wieder auf Distanz zum Vergleich ging. Doch der Schriftsatz des Landes genügte bereits, das „ruhende“ Verfahren wieder zum Leben zu erwecken. Und weil Friedls Anwälte, trotz einer vom VGH gesetzten Frist, ihn nicht für „erledigt“ erklärten, hatten die Richter freie Bahn.
Die entscheidende Frage könnte damit sein: Hat einer der Beteiligten die Bedingungen des Vergleichs nicht erfüllt? Klar ist jedenfalls eines: Kippt der Vertrag über Friedls Abfindung, dann läuft dessen auf 80 000 Euro pro Jahr geschätztes Professorengehalt weiter, auch seine Pensionsansprüche behält er. Und der Mann ist erst 49.