Als sich das Netzwerk "Frühe Hilfen" vor zehn Jahren im Main-Tauber-Kreis bildete, war nicht absehbar, wie wichtig dieser freiwillige Zusammenschluss von mittlerweile 140 Personen in 47 Institutionen mit vielen Arztpraxen werden wird. Neben den großen Sozialverbänden und Hilfsorganisationen sind auch viele Selbsthilfegruppen und Freie Träger hier organisiert, um das Wohl des Kindes in allen Situationen zu gewährleisten.
Der Bedarf sei unbedingt gegeben, findet Sozialdezernentin Elisabeth Krug, die zum Jubiläumstreffen etwa 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Sitzungssaal des Landratsamtes in der Gartenstraße begrüßte. In den letzten zehn Jahren sei viel passiert und man habe sich positiv weiterentwickelt, fand sie lobende Worte für die teils sehr unbürokratische Zusammenarbeit zum Wohle der Kinder und Jugendlichen. "Ich bin dankbar, dass es eine Vielzahl von ausbalancierten Frühen Hilfen gibt".
Hatte sich das letztjährige Jahrestreffen noch als "Markt der Möglichkeiten" mit dem zunehmenden Medienkonsum der Kinder und Jugendlichen beschäftigt, ging es dieses Jahr um "Kinder psychisch- und suchterkrankter Eltern – Anforderungen und Perspektiven zur Weiterentwicklung der kommunalen Unterstützungsstrukturen".
380 Hilfen im Landkreis
Martina Knödler vom Jugendamt des Main-Tauber-Kreises berichtete, dass jede Woche etwa zwei Kinder durch häusliche Gewalt in Deutschland sterben. Meist stehe das im Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung mindestens eines Elternteils. Im Main-Tauber-Kreis habe man im vergangenen Jahr etwa 380 Hilfen geleistet, davon waren rund 41 Prozent mit mindestens einem erkrankten Elternteil, wovon wiederum 41 Prozent alleinerziehend waren. Bei 30 Prozent wurde sogar von einer Kindeswohlgefährdung gesprochen. Knödler machte in diesem Zusammenhang auf eine zunehmende Zahl von Fällen aufmerksam.

Diese Zunahme konnte auch Diplom-Pädagogin Elisabeth Schmutz vom Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz bestätigen. Sie beschäftige sich schon länger mit den Auswirkungen von psychisch kranken Eltern auf die Entwicklung der Kinder. Viele Probleme entstünden bei oder vor der Geburt, haben sie und ihr Forscherteam herausgefunden. Vor allem Depressionen und Psychosen nannte sie. "Selbst zu erkennen, dass man psychisch krank ist, ist schon mal eine große Hürde", war eine ihrer Schlüsselaussagen. Die Hilfe müsse von außen kommen, und zwar im niederschwelligen Bereich, wenn immer möglich.
3,8 Millionen betroffene Kinder
Etwa 3,8 Millionen Kinder sind laut der Wissenschaftlerin von Eltern mit psychischer oder Sucht-Erkrankung betroffen. Die Krankheit schlage auf die Erziehungsaufgaben durch, den die Feinfühligkeit der Eltern sei herabgesetzt. Schlimmstenfalls kommt es zu einer "unsicheren Beziehungsbindung" bei Säuglingen, die später fast nicht mehr geheilt werden kann.
Helfen könne eine offene Auseinandersetzung mit dem Thema innerhalb der Familie und eine Bezugsperson für das Kind von betroffenen Eltern, die immer ansprechbar ist. Die Behandlung sollte immer offen angesprochen werden und die Kinder mit einbezogen werden, waren Tipps der Fachfrau.
Knödler sprach die gute Vernetzung der Partner in den Frühen Hilfen an, wobei eine Verbesserung des Lotsensystems wünschenswert wäre. Gerade den Familienzentren im Kreis komme eine große Bedeutung zu – neben den Menschen in Kindergarten und Schulen. Elisabeth Schmutz verwies hier auf das Projekt der "Kita-Sozialarbeit", das in Rheinland-Pfalz erfolgreich implementiert worden ist.