Das Leben geht weiter, der Schmerz bleibt: Drei Jahre nach dem Amoklauf an der Albertville-Realschule in Winnenden haben rund 400 Menschen am Sonntag an die Opfer der Bluttat erinnert. Um 9.33 Uhr läuteten in der Stadt alle Kirchenglocken – zu dieser Zeit vor drei Jahren war der erste Notruf eines Schülers bei der Polizei eingangen.
Der Amokläufer, ein 17-Jähriger, war in seine ehemalige Schule gestürmt und hatte während des Unterrichts mit der Waffe seines Vaters acht Schülerinnen, einen Schüler und drei Lehrerinnen ermordet. Auf seiner Flucht erschoss er drei weitere Menschen und sich selbst.
Auf dem Marktplatz von Winnenden wurden am Sonntag die Namen der Opfer verlesen. Angehörige sowie ehemalige Mitschüler und Freunde legten Blumen nieder. 15 weiße Rosen erinnerten an die 15 Ermordeten. Den ganzen Tag über sollte in mehreren Gottesdiensten der Opfer gedacht werden. Für den Abend stand eine Lichterkette vom Marktplatz bis zur Albertville-Realschule auf dem Programm.
Die Schule hat schon recht bald nach der Tat vor drei Jahren den „Blick nach vorne“ beschworen. Im vergangenen Herbst kehrten die 600 Schüler in ihr altes Schulgebäude zurück. Dieses war für 6,2 Millionen Euro umgebaut worden, etliche Monate lang wurde in Behelfscontainern unterrichtet. Schulleiter Sven Kubick lobte bei der Eröffnungsfeier das Ergebnis: Das neue Erscheinungsbild und die vielen Sicherheitseinrichtungen würden helfen, das Erlebte zu verarbeiten. „So manch ein innerer Widerstand konnte gebrochen, Ängste konnten gelöst werden“, sagte er.
In einem Beet an der Schule sollen 15 Steintafeln an die Opfer der Bluttat erinnern. Erst vor kurzem fiel der Entschluss, die Platten vom ersten Jahrestag dort auszulegen und einen Gedenkort zu schaffen. Über ein öffentliches Mahnmal wird ebenfalls nachgedacht. Es könnte nach Angaben einer Sprecherin der Stadt Winnenden im Stadtpark gegenüber der Schule entstehen.
Rechtlich ist die Schreckenstat noch lange nicht vollständig aufgearbeitet – obwohl der Vater des Täters vor mehr als einem Jahr wegen fahrlässiger Tötung zu einem Jahr und neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden ist. Der Unternehmer hatte die Tatpistole unverschlossen im Schlafzimmer aufbewahrt. „Ohne das komplette Versagen des Angeklagten wäre sein Sohn nicht an die Waffe und die große Menge an Munition gekommen“, hatte der Richter gesagt. Die Verteidiger fochten das Urteil an. Eine Entscheidung, ob erneut verhandelt wird, gibt es noch nicht.
Zusätzlich stehen zahlreiche Zivilklagen im Raum. Die Stadt Winnenden hat bereits angekündigt, Schadensersatz für Kosten von rund 14 Millionen Euro zu verlangen, die ihr durch die Gewalttat entstanden sind. Nach einer ersten, groben Schätzung ihres Rechtsanwalts Jens Rabe ist rund die Hälfte der Kosten schadensersatzfähig. Die Kanzlei überprüfe derzeit die Rechnungen. Schon jetzt seien mehr als eine Million Euro an Forderungen aufgelaufen, sagte Rabe. Neben der Stadt vertritt die Kanzlei auch die Schadensersatzanliegen von rund 30 Hinterbliebenen.
Rückschlag für Gall
Einen Rückschlag musste derweil Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) hinnehmen. Sein Vorstoß bei Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), den Privatbesitz großkalibriger Pistolen zu verbieten, lief ins Leere. Nach Angaben seines Ministeriums begründete Friedrich die Ablehnung unter anderem damit, dass auch kleinere Kaliber tödliche Verletzungen verursachen könnten. Zudem komme ein Verbot quasi einer Enteignung der Sportschützen gleich.