In der Dreifachturnhalle hängt dezent ein Bild des japanischen Großmeisters Morihei Uyeshiba (1883-1969). Weiß gekleidete Personen und die Meister mit einem schwarzen Hosenrock (Hakama) führen zunächst Atemübungen und Gymnastik durch. Alles verläuft harmonisch, elegant, sanft und ruhig ab – keine Spur von Hektik. Das Ringen um Tore, Punkte oder Zeiten ist Aikido fremd. So wird die Kampfkunst genannt, der sich derzeit 12 Personen in Mellrichstadt verschrieben haben. Aikido ist seit 20 Jahren schon in Mellrichstadt verwurzelt und wurde am letzen Wochenende gefeiert.
Die Schriftzeichen des Wortes Aikido bedeuten: ai = Harmonie, ki = geistige und körperliche Kraft, do = Weg im übertragenen, philosophischen Sinn. Disziplinen, die auf „do“ enden, haben im Allgemeinen einen ausgeprägten philosophischen Hintergrund. Die Endsilbe „do“ verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Aikido als Selbstverteidigungssystem und der asiatischen Philosophie.
Meister Günther Schießl hatte Aikido nach Mellrichstadt gebracht. Er stammt aus der Fränkischen Schweiz, wohnte damals in Bad Kissingen und später in Bastheim.
Mittlerweile ist er schon 10 Jahre in Costa Rica und er besuchte die Aikidogruppe zu ihrem Jubiläumskurs.
Mit einem Volkshochschulkurs hat alles 1992 begonnen. Der derzeitige Übungsleiter Volker Rommel begann erst im Herbst 1993 mit einem Stock- und Schwertlehrgangs-Kurs an der Volkshochschule Mellrichstadt und übernahm die Gruppe von Meister Günther Schießl.
Dieser erlernte Aikido von Meister Katsuaki Asai (8. Dan Aikikai), der in der Nachbarschaft von Ueshibas Dojo in Tokyo aufgewachsen ist und viele Lehrgänge in Deutschland, so wie in Bad Kissingen, abhielt und somit das traditionelles Aikido des Gründers in die Region brachte. In Bad Kissingen entstand eine Aikido-Hochburg, in der schon seit 40 Jahren diese Kampfkunstart angeboten wird. Unter ihm haben Meister Günther Schießl und Volker Rommel jahrelang ihr können trainiert und durch nationale und internationale Kurse erweitert.
Das Programm des Jubiläumskurss bestand aus zwei Einheiten Aikido mit Meister Günther Schießl, eine Einheit IAIDO mit Franz Jahns (5. Dan IAIDO) und zwei Einheiten Neurobic mit Volker Rommel (Neurobic Instruktor Level 5).
Beim Aikido zieht der sich Verteidigende die Kraft des Angriffs (die geistige Kraft in Form des Willens und die rein körperliche Kraft) harmonisch in die eigene Verteidigungstechnik ein. Kreis- und Spiralbewegung eignen sich besonders gut, Kräfte zu vereinen, die aus unterschiedlichen Richtungen kommen. Bei allen Techniken ist deshalb der Verteidigende der Mittelpunkt. Er nutzt und lenkt die gegnerische Kraft so, dass er den Angreifer kontrollieren kann, bis die Abwehr mit einem Wurf oder einem Gelenkhebel beendet ist.
Aikido ist eine Budo-Disziplin (traditionelle Kriegskunst der Samurai), die während des Übens durch das Zusammenspiel von Geist und Körper einen Weg zeigt, die Harmonie des Universums zu erreichen und im Einklang mit der naturgesetzlichen Ordnung zu leben.
Die Unterschiede zwischen Aikido und Judo, JuJutsu bzw. Karate können wie folgt dargestellt werden: Alle Judotechniken setzten voraus, dass der Partner die Jacke gefasst hat. Erst nach dem Kontakt mit dem Partner lauern die Kämpfer gleichzeitig auf eine Chance, nach sportlichen Regeln den Gegner zu werfen oder am Boden zu besiegen.
Im Aikido wird dagegen stets ein bestimmter Abstand eingehalten, der den eigenen Bewegungsablauf ermöglicht und nicht zu eng ist, um vom Angriff überrascht zu werden. Beide Partner bewegen sich gemeinsam, denn beim Aikido beginnt die Verteidigung fast zum gleichen Zeitpunkt wie der Angriff. Wenn der Partner bereits gefasst hat, ist es für eine wirkungsvolle Abwehr schon zu spät.
Die Techniken werden dennoch erst langsam geübt, damit der Anfänger sich den Bewegungsablauf einprägen kann. Erst wenn der Übende nicht mehr überlegen muss, in welcher Reihenfolge die Bewegung durchgeführt werden müssen, sind schnelle Bewegungen möglich. Die JuJutsu-Techniken, wie sie in Deutschland gelehrt werden, sind nicht so rund und geschmeidig wie beim Aikido. Außerdem sind sie nicht durch eine übergeordnete Theorie oder eine geistige Grundlage verbunden.
Der Hauptunterschied zwischen Aikido und Karate liegt in der Art der Bewegung. Die Karte-Bewegungen sind bis auf wenige Ausnahmen geradlinige Stöße und Schläge. Beim Aikido bilden aber gerade die direkten Bewegungen die Ausnahme. Die Partner bewegen sich beim Karate auch nicht harmonisch miteinander, sondern derjenige, der am schnellsten bis zum Partner durchdringt, ist der Sieger bei sportlichen Wettkämpfen, ähnlich wie beim Fechten.
Die hohe Wirksamkeit der Aikido-Abwehrtechniken beruht nicht nur auf den Hebelgesetzen, durch deren Ausnutzen man mit geringem Krafteinsatz verblüffende Effekte erzielen kann. Beim Aikido werden die Bewegungsabläufe durch das bewusste Atmen unterstützt. Jeder kann sich selbst schnell davon überzeugen, dass ein Schlag, bei dem man einatmet, weniger bewirkt als ein Schlag, bei dem gleichzeitig ausgeatmet und somit die körperliche Kraft verstärkt wird.
Durch das Training beim Aikido wird versucht, die begrenzten körperlichen Kräfte mit der unbegrenzten Kraft des Willens und der Konzentration zu harmonisieren und dadurch eine maximale Wirkung der Abwehrtechniken zu erreichen.
Was auf der Matte geübt wird, soll auf einen möglichen Ernstfall vorbereiten. Wille, Konzentration und Körper werden geschult, um etwas im Beruf Erfolg zu haben oder schwierige Situationen besser bewältigen zu können. Die gleichmäßige Beanspruchung der Muskeln und Gelenke erhält außerdem den Körper geschmeidig und jung. Gleichgewichtsinn, Koordination und Geschmeidigkeit werden weiterentwickelt, geistige Aktivität, Konzentrationsfähigkeit und Selbstbewusstsein gefördert.
Die gymnastischen Übungen beim Aikido behandeln den Menschen als Ganzheit. Sie dienen dazu die Tätigkeit aller Organe zu regulieren und zu harmonisieren, alle körperlichen und seelischen Blockierungen zu beheben und die physischen und mentalen Kräfte – die Lebensenergie Ki – zu sammeln. Wesentliche Merkmale für die Atmosphäre in einem Aikido-Dojo (Übungsraum) sind Höflichkeit, Einhaltung der Etikette und gegenseitige Achtung.
Auf hoher Ebene kann Aikido zu einer Philosophie werden, mit dem Ziel die körperlichen und geistigen Kräfte zu harmonisieren und mit den universellen Gegebenheiten in Einklang zu bringen.
Da auch Messer, Stock- und Schwert im Aikido-Training unterrichtet werden, war das IAIDO-Training von Franz Jahns (5. Dan IAIDO) eine gute Ergänzung im Lehrgangsprogramm.
In Japan gilt IAIDO als die älteste Übungsform von Schwertkampftechniken. Hier wird mit einem blanken Schwert gegen einen imaginären Gegner gekämpft. Es ist die Kunst, aus der Ruhe heraus das Schwert sicher, schnell und für den Gegner tödlich ziehen und führen zu können. Das Wort DO bedeutet WEG, einen inneren Weg, um einen Menschen zu formen, der seine Aufgaben mit voller Konzentration und Aufmerksamkeit erfüllt.
IAIDO dient nicht nur zur Erlangung von höchster Präzision in der Waffenführung, sondern stellt auch eine Methode der Konzentrations- und Atemschulung dar. Im vollendeten IAIDO verschmelzen die exakte Körperbewegung und die Unbeweglichkeit im Gemüt widerspruchslos ineinander. Der Geist muss sich der Situation entsprechend verhalten, der Körper muss folgen. Alle Bewegungen gehen fließend in einer harmonisch-ästhetischen Form ineinander über. Es ist das Streben nach geistiger und körperlicher Harmonie.
Durch die eigene Haltung dem Gegner keine Lust zum Angriff zu lassen und so mit allen Dingen der Welt in Frieden zu leben, dies ist das höchste Ziel des IAIDO.
Neurobic heißt ein neues Training, bei dem nicht nur unser Körper, sonder auch unser Gehirn in hohem Maß trainiert wird. Bei diesem aktiven Körpertraining werden, durch verschiedene über Kreuz ausgeführte Bewegungen, die linke und rechte Gehirnhälfte intensiv miteinander verknüpft und die neuronalen Vernetzungen des Gehirns neu aufgebaut, bzw. Vorhandene trainiert. Durch den Einsatz spezieller Trainingsstöcke und die Art der Bewegungen werden auch die kleinsten Muskeln, Balance, Schnellkraft, Motorik und Gleichgewicht trainiert. Zusätzlich zur Verbesserung der Koordination und der Kondition ist aktiver Stressabbau und vor allem Spaß waren die Ziele dieser Einheit.
Durch den Besuch von Mitgliedern des Black Dragon e.V. aus Hildburghausen war der Lehrgang für den Austausch von Kampfkünstlern und Neueinsteiger ein erfolgreiches Wochenende für alle Beteiligten.
Wer Interesse an der Kampfkunst Aikido, IAIDO und Neurobic hat, kann sich entweder an den Abteilungsleiter Gerhard Wetzel oder den Übungsleiter Volker Rommel wenden. Die Gruppe trifft sich jeden Montag kur von 19:00 Uhr an der Dreifachturnhalle um dann anschließend in der Gymnasiumshalle zu trainieren.