So richtig fremd muss sich hier niemand fühlen. Die Wände des Jugendzentrums sind voll freundlicher Botschaften in den verschiedensten Sprachen. Witamy sagt man dazu in Polen, Bine ati venit in Rumänien und irgendwo steht auch in Russisch, dass man willkommen ist an diesem Ort. Und das sind die Jugendlichen, deren Eltern aus Kasachstan als Deutschrussen eingewandert sind, in den Räumen des ehemaligen Kindergartens auch nach wie vor.
Ungeachtet der Tatsache, dass Russland einen brutalenAngriffskrieg auf die Ukraine führt und nicht wenige Nutzer in den sozialen Medien ehemaligen Landsleuten pauschale Schuldzuweisungen posten. Aber Nationalitäten spielen im Jugendzentrum eh keine Rolle, hier kann jeder sein, wie er ist. Diesen Eindruck kann man jedenfalls nach einem kurzen Besuch bei der Gruppe gewinnen, die aus 13- und 15 Jahre alten Teenagern besteht.
Wer sich kennt, hat keine Vorurteile
Nein, gemobbt werde hier niemand, nur weil die Eltern oder Großeltern früher einmal in Russland gelebt haben und irgendwann nach Deutschland gekommen sind, sagen die Jugendlichen unisono. Für Renate Knaut, die sich seit 2008 mit Jukunet, dem regionalen Netzwerk für Jugendkultur, auch für die Integration von Jugendlichen engagiert, ist diese Antwort wenig überraschend. Natürlich werde der Krieg thematisiert, aber "man kennt sich halt und da ist es schwer, gegen den anderen Vorurteile zu haben", schmunzelt die Frau, die mit der pädagogischen Leitung und dem Projektmanagement auch eine führende Rolle in der VHS Rhön und Grabfeld einnimmt.
Die ausgebildete Sonderpädagogin kam 2006 für ein Integrationsprojekt des BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) nach Bad Königshofen. Das Projekt für junge Spätaussiedler lief über den Schachclub der Stadt, beteiligt war auch Veronika Keim, die noch heute mit von der Partie ist. Aus diesen Anfängen entwickelte sich langsam ein ebenso verzweigtes wie erfolgreiches Netzwerk, aus dem schließlich auch Ferienangebote mit dem anspruchsvollen Talentcampus und anderem entwickelte. Wie beliebt das ist, zeigte sich jetzt wieder am ersten Tag des Osterferienprogramms, als rund 50 Kinder zu verschiedenen Veranstaltungen kamen.
Kinder von Eltern aus aller Herren Länder
Renate Knaut ist überzeugt davon, dass Ängste, die es in der Bevölkerung gibt, daher rühren, dass man keine Fremden kennt. Im Juze in Bad Königshofen gibt es keine Berührungsängste. Zu der losen Gruppe gehören Jugendliche, deren Eltern ihre Wurzeln in aller Herren Länder haben, wie Indien, Irak, Iran, Tschetschenien, Albanien, Russland, Ukraine, Bosnien und natürlich Deutschland.
Allerdings gibt es bisweilen verbale Attacken, wie der 15-jährige Cedric beim Treffen mit der Redaktion im Jugendzentrum erzählt. Bei einer Auseinandersetzung hat er mitbekommen, wie ein Schüler seinem Kontrahenten aufgefordert habe, "dann geh doch zu Putin". Keinerlei persönliche Erfahrungen mit diskriminierenden Äußerungen hat Ilona gemacht, deren Mutter eine Russlanddeutsche ist und im Haus St. Michael arbeitet, in dem es neben den afghanischen Ortskräften auch ukrainische Flüchtlinge untergebracht sind. Auch Ilona hilft dort mit.
Die gute Seele des Ganzen hat alles fest im Griff
Was nicht heißen soll, dass es nicht auch Kritik gibt. Im Freundeskreis des 13 Jahre alten Adam bemängelt man, dass ukrainischen Flüchtlingen besser geholfen werde, als Menschen aus anderen Ländern. "Die haben jetzt aber Krieg", sagt Adam. Auch Svenja (13) sagt. "Krieg ist immer schlecht, niemand sollte ausgegrenzt werden." Ähnlich äußert sich die 14 Jahre alte Yara.
Die gute Seele des Ganzen ist Katharina Rerich, die seit Jahren als Betreuerin im Jugendzentrum arbeitet. Mit einer Mischung aus tiefer Zuneigung zu den Jugendlichen, aber auch strenger Konsequenz, wenn der Übermut die jungen Leute etwas über die Stränge schlagen lässt, hat sie den Laden im Griff. "Bei uns gibt es auch Probleme", stellt die mit einem Akzent in der Stimme ausgestattete ehemalige Kasachin fest. "Aber da geht es um Herzschmerz und Liebeskummer", sagt sie unter dem Gekicher der jungen Menschen.