Mit der ersten Corona-Welle im Frühjahr vergangenen Jahres wurden die Pflegeeinrichtungen zu ihrem Schutz von der Außenwelt stark isoliert. Besuche von Angehörigen wurden eingeschränkt, Ehrenamtliche durften die Heime nicht mehr betreten, Physio- oder Ergotherapie brachen weg und auch Gruppenangebote waren nicht mehr möglich. Der Wunsch nach Zuwendung und Abwechslung konzentrierte sich vor allem auf das Pflegepersonal.
In dieser Zeit wurde das Projekt "Heimatgefühle - kurz mal vorbeigeschaut" in der Fachstelle für Senioren und Menschen mit Behinderung im Landratsamt Rhön-Grabfeld geboren. Dieses macht es sich zur Aufgabe, Bewohner in den Pflegeheimen zu unterhalten und aktivieren. Nun wurde diese außergewöhnliche Initiative vom bayerischen Sozialministerium ausgezeichnet. Sie erhielt den mit 3000 Euro dotierten Sonderpreis "Unser Soziales Bayern".

Was verbirgt sich hinter "Heimatgefühle - kurz mal vorbeigeschaut"? Ideengeberin und Verantwortliche ist Veronika Enders, Mitarbeiterin der Fachstelle. Die Kampagne richte sich an die Bewohner von Pflegeeinrichtungen, die von der Pandemie besonders betroffen sind, erklärt sie. Um deren Isolation zu durchbrechen, wurden die Einrichtungen mit Tablets ausgestattet. Gleichzeitig wurde die Bevölkerung dazu aufgerufen beziehungsweise Ehrenamtliche gezielt angesprochen, Kurzvideos hochzuladen, die in den Heimen dann gezeigt wurden. Das Bayern-Lab Bad Neustadt übernahm den technischen Part und richtete die Tablets seniorengerecht ein.
Musik, Witze, Mundart und Sitztanz
Das Projekt läuft nach wie vor. Musikalische Beiträge, Witze, Mundart-Stücke, Märchenlesungen oder der Lieblingsausblick in der Rhön – alles, was auf die Senioren unterhaltsam und aktivierend wirkt, wird gerne gesehen – und gehört. Wer den Bewohnern eine kleine Freude machen möchte, kann sein Video über einen QR-Code (siehe Abbildung) hochladen. So können die Senioren in ihren Zimmern über die Tablets zum Beispiel einen Gottesdienst, den eigens eine Pfarrerin für sie gehalten hat, mitverfolgen. Ein anderes Video zeigt die Mühlbacherin Gabi Gröschel in ihrem Wohnzimmer beim Vortragen von Mundartstücken. Eine Familie präsentiert Zungenbrecher, was nicht nur Vergnügen bereitet, sondern auch zum Mitmachen animiert. Gisela Scheckeler bietet Sitztänze dar und fordert ebenfalls zum Nachahmen auf. Besondere Einsendungen sind zudem ein Rundblick über die Rhön vom Heidelstein aus oder Flötenspiele von Kindern.

"Es fing mit fünf Videos an, inzwischen sind es über 30", freut sich Veronika Enders. "Wir haben viele tolle Aufnahmen bekommen, mehr als erwartet." Das Projekt hat sich stetig weiterentwickelt. So konnten schließlich auch die Tagespflege-Stellen mit Tablets ausgestattet werden. Reaktionen aus den Pflegeeinrichtungen zeigen, dass das Angebot beliebt ist und gut angenommen wird. In manchen Heimen ist es ein fester Bestandteil der Betreuung geworden.
Ein Höhepunkt des Projekts war eine Aufzeichnung in der Stadthalle Bad Neustadt im Frühjahr 2021, die den Senioren 90 Minuten Heimatgefühle am Stück bescherte. Die Initiative dazu war von Stadthallenmanager Michael Schönmeier ausgegangen. Verschiedene Künstler aus der Region, wie Fredi Breunig, Kaufmannsware, Spilk und viele mehr, boten Abwechslung im Lockdown-Alltag - ohne Zuschauer und nur zu dem Zweck der Unterhaltung der Heimbewohner. Das Video wurde anschließend auf YouTube veröffentlicht und über 2000 Mal aufgerufen.
Herausragend in Unterfranken
Das ganze Engagement wurde nun in München mit einer Auszeichnung belohnt. Veronika Enders und Roland Mai, Leiter des Bayern-Labs Bad Neustadt, konnten den Preis aus den Händen von Sozialministerin Carolina Trautner entgegennehmen. Für jeden bayerischen Regierungsbezirk wurde ein herausragendes Projekt ausgewählt, welches sich mit seinem Angebot kreativ und innovativ an ältere Menschen und andere Personengruppen, die durch das Coronavirus besonders gefährdet und beeinträchtigt sind, richtet. Für Unterfranken machte die Rhön-Grabfelder Fachstelle das Rennen.
Carolina Trautner dankte bei der Preisverleihung im Sozialministerium allen Beteiligten von "Heimatgefühle – Kurz mal vorbeigeschaut". Sie hätten sich "mit unermüdlichem Engagement für die gesellschaftliche Teilhabe der etwa 1100 Seniorinnen und Senioren in Pflegeeinrichtungen und Tagespflegen des Landkreises eingesetzt, um so der Vereinsamung entgegenzuwirken". Indem die Pflegeeinrichtungen mit seniorengerecht eingestellten digitalen Medien ausgestattet worden seien, sei es den Bewohnern ermöglicht worden, Kontakt zu halten. Zahlreiche Bürger hätten in einer landkreisweiten Videokampagne verschiedene Aufnahmen zur Verfügung gestellt, um mehr Teilhabe zu erreichen. Besonders lobend sei in München herausgestellt worden, schildert Veronika Enders, die Verbindung von Sozialem, Pflege, Ehrenamt und Digitalisierung. Die Kooperation mit dem Bayern-Lab sei sehr gut angekommen, so Enders.
Hoffen auf eine Fortsetzung
Veronika Enders größter Wunsch ist es nun, dass das Projekt fortgeführt wird. Angesichts dessen, dass nun wieder vermehrt kulturelle Veranstaltungen abgehalten werden, wäre es schön, wenn sich Menschen finden würden, die Konzerte, Gottesdienste, Heimatabende etc. mitfilmen und die Videos hochladen. "Wir haben einen guten Kanal in die Pflegeheime gefunden, der den Bewohnern Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht." Sie hofft, dass weiterhin fleißig Videos eingesendet werden. "Es muss nicht immer ein Mega-Auftritt sein", appelliert sie an die Bürger mitzumachen.
Auch Landrat Thomas Habermann freut sich über die Auszeichnung: "Corona hat uns gesellschaftlich in vielerlei Hinsicht hart getroffen. Unsere Senioren in den Heimen waren in harten Lockdown-Phasen zu ihrem eigenen Schutz phasenweise isoliert. Mit dieser kreativen Tablet-Idee, die wir dank der Initiative des bayerischen Sozialministeriums mit unserer Fachstelle für Senioren und Menschen mit Behinderung und vielen engagierten Mitwirkenden umsetzen konnten, haben wir ihnen ein digitales Fenster zur Außenwelt geschaffen." Habermann ist es ein Anliegen, den vielen Teilnehmenden zu danken, die mit ihren Videos den Landkreis Rhön-Grabfeld in die Einrichtungen gebracht haben und immer noch bringen.
Videokampagne „Heimatgefühle – kurz mal vorbeigeschaut“ Wer bei dem Video-Projekt "Heimatgefühle - kurz mal vorbeigeschaut" mitmachen möchte, kann sich bei Fragen an Veronika Enders von der Fachstelle für Senioren und Menschen mit Behinderung unter 09771/94-433 wenden. Oder einfach Videos auf https://cloud.rhoen-grabfeld.de/u/d/456fe92aa5e648e7bdab/ hochladen oder den abgebildeten QR-Code einscannen.Quelle: sbr