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AUBSTADT: Bayernweit einzigartige Wildkirsch-Bestände

AUBSTADT

Bayernweit einzigartige Wildkirsch-Bestände

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    Man sieht es dem Wald, der sich dem Lehrgarten an der Blöße anschließt, von außen gar nicht an, welche Schätze er beinhaltet. Man muss schon „ein paar Schritte“ wandern, um das natürliche Kapital der Kirschenbestände vor Augen zu bekommen. Kompetente Führer an diesem Nachmittag waren die Forstleute Wolfgang Schlegel, Markus Werner und Herbert Gessner, sowie Martin Nickel von der Technischen Universität München/Weihenstephan, die im Rahmen ihres Lehrstuhls für Waldwachstumskunde eine Wildkirschen-Versuchsfläche im Aubstädter Wald unterhält. Auch Phillip Sebald, Stadtrat und Sprecher der Grabfeld-Allianz in Naturfragen, sowie Diplom-Ingenieur und Landschaftsarchitekt Raimund Böhringer (Grabfeld-Allianz) waren nach Aubstadt gekommen, um gemeinsam mit Bürgermeister Wolfgang Abschütz die Kirschenbestände unter die Lupe zu nehmen.   „Die Aubstädter Kirschen sind ein Pfund, mit dem wir wuchern müssen“ Diplom-Ingenieur Raimund Böhringer (Grabfeld-Allianz) Die außergewöhnlichen Kirschenbestände, so wurde immer wieder betont, seien ein „Pfund mit dem es zu wuchern gilt“. Die Aubstädter Vogelkirsche ist vor allem deshalb so außergewöhnlich gut, weil sie auf Waldflächen steht, deren Böden so nährstoffreich sind, dass dort eigentlich auch Zuckerrüben wachsen könnten. Ein „Luxus“, den man sich, historisch gesehen, in Aubstadt erlauben konnte, weil die Gemeinde allgemein über gute Böden verfügt und weil im Mittelalter eben auch Holz gebraucht wurde, so dass man auf Flächen, die man auch landwirtschaftlich hätte nutzen können, Wald „zugelassen“ hat. Kommerziell und in erster Linie als Saatgut wird die Aubstädter Wildkirsche – übrigens ein Qualitätsbegriff in Fachkreisen – schon lange genutzt. Seit 25 Jahren werden die älteren Kirschbestände beerntet, sage und schreibe 15 Millionen Kirschpflanzen sind aus diesen Beständen hervorgegangen. Daniel Angerer von der Baumschule Schrader, die die Kirschkern-Ernte seit 13 Jahren organisiert, berichtete davon, dass drei Aubstädter Kirschbäume mittlerweile sogar im Park des thailändischen  Königshofes in Bangkok stehen. Königin Sirikit, selbst eine große Natur- und Pflanzenliebhaberin, hat sich die drei Bäumchen vor Jahren von ihrer Münchner Generalkonsulin mitbringen lassen.

    Sehr gute Waldböden

    Angerer bezeichnete die Aubstädter Kirschenbestände als relativ einmalig in Süddeutschland. Aufgrund der guten Böden haben die Pflanzen einen enormen jährlichen Zuwachs und die Bestände sind gleichzeitig groß genug, um eine kommerzielle Ernte lohnend zu machen. Zur Ernte der begehrten Kirschkerne werden übrigens Netze ausgelegt, auf denen zwei Monate lang alles gesammelt wird, was von den Bäumen herunterkommt. Sämtliche anderen Erntearten (Steigeisen oder Baumrüttler) fallen aus, weil sie die wertvollen Bäume beschädigen könnte. Dann wird das Saatgut von Blättern und kleinen Ästen gereinigt und in ein Sandbeet (Sämlingsbeet) gelegt, wo es dann vom Kirschkern zum Bäumchen werden kann. Das Fruchtfleisch der Wildkirsche ist übrigens uninteressant, ist eher sogar ein Keimhemmer. „Am besten keimt der Kirschkern, wenn er die Kirsche vorher von einem Vogel gefressen wurde“, so die Fachleute. In der Praxis reicht es, wenn das Fruchtfleisch sorgfältig vom Stein getrennt wird. Rund 5000 Kerne kommen auf ein Kilo, die Keimfähigkeit der Aubstädter Kirsche liegt bei sehr guten 60 bis 80 Prozent. In 25 Jahren wurde so knapp eine Tonne Saatgut geerntet. Gefragt sind die Wildkirschen-Zöglinge aus Aubstädter Gefilden in ganz Deutschland und auch im benachbarten Ausland, weil sich mit der Kirsche in der Holzindustrie noch so richtig Geld verdienen lässt und weil sie einen Baustein auf dem Weg hin zu stabilen Mischwäldern darstellt. „Die Kirsche liebt die Wärme und ist schon jetzt ein Baum der Zukunft, weil sie ein Gewinner der allgemeinen Klimaerwärmung sein wird“, betonte Martin Nickel von der TU Weihenstephan.

    Ein Baum für die Zukunft

    Auf seiner Wildkirschen-Versuchsfläche im Aubstädter Forst ist er im Rahmen eines Langzeitsversuchs den Geheimnissen der Aubstädter Kirsche auf der Spur. Anhand seiner Erfahrungen wird klar, was die Aubstädter Kirsche so besonders macht. Die guten Böden lassen sie in den ersten Jahren förmlich in die Höhe schießen, das Holz hat eine schöne. leicht rötliche Maserung und ist gut und gerade gewachsen. Attribute, die die Möbelindustrie zu schätzen weiß, wenn sie im Wald auf Shopping-Tour geht. Wichtig ist natürlich eine umfassende Jungbestandspflege und fachgerechtes Asten. Nickel weiß so ziemlich alles über die Aubstädter Kirsche, sogar per Computertomographie wurde sie schon getestet. Bis zum Alter von 70 Jahren wächst sie stetig, erreicht stattliche Höhen von 25 Metern und lässt sich gut verkaufen. Dann wird die Kirsche langsam feucht, bekommt Risse und das langsame Sterben beginnt. „Älter als hundert Jahre wird kaum ein Wildkirsch-Baum“. Dass Aubstadt heute über diese einzigartigen Altbaumbestände und jungen Wildkirsch-Kulturen verfügt, ist, man glaubt es kaum, den Menschen zu verdanken. „Ohne die traditionelle Waldbewirtschaftung, die durch das 'auf den Stock setzen', also die  Auslichtung des Waldes bei der Brennholzgewinnung, immer wieder für Licht im Wald gesorgt hat, wäre der Wald heute ein Buchenwald“, betonte Wolfgang Schlegel. Die Kirsche, als lichtliebende Pflanze, die „schnell aus dem Gras“ muss, hätte keine Chance gehabt.  

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