Advent ist gemeinhin die nachdenkliche Zeit. Wenn dazu der Jugendhilfeausschuss tagt, dann kann es passieren, dass Landrat Thomas Habermann grundsätzlich wird. Und deutliche Worte findet.
Schon im vorausgegangenen Schulausschuss (siehe nebenstehender Artikel) hatte Habermann den Vergleich gezogen zwischen den Geburtenzahlen von vor 40 und 60 Jahren mit denen von heute. Bei einer Einwohnerzahl von früher 70 000 bis 75 000 seien in Rhön-Grabfeld damals 1600 bis 1700 Geburten pro Jahr zu verzeichnen gewesen. Heute bei rund 82 000 Einwohnern sei diese Zahl auf 650 bis 700 zurückgegangen. Und das, obwohl es den Menschen heute besser gehe, die Schulen besser ausgestattet seien und auch die Arbeitslosenquote viel niedriger sei als damals.
Im Jugendausschuss führte ihn der Bericht der auf Wunsch des Gesetzgebers eingeführten koordinierenden Kinderschutzstelle (KoKi) wieder zu diesem Thema. Diplom-Sozialpädagogin Jessica Dellert und Diplom-Pädagogin Eileen Rußwurm, deren Arbeit Habermann ausdrücklich lobte, hatten dem KoKi vorgestellt. KoKi will Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern bis drei Jahre in schwierigen Erziehungssituationen helfen. Dabei soll vor allem die Vernetzung aller Fachkräfte im Landkreis helfen, die mit Familien in Kontakt stehen, vor allem die Kooperation zwischen Jugendhilfe und Gesundheitswesen. Die Pädagoginnen sehen sich als Navigatoren, um die richtigen Ansprechstellen zu vermitteln.
Handbuch für Hilfsangebote
Unter anderem planen sie ein Handbuch mit Infos über regionale Angebote, befürworten den Einsatz von Familien-Hebammen, die Familien bis zu zwei Jahre nach der Geburt begleiten, und schlagen ein Begrüßungspaket für Neugeborene vor. Das könnte bei einem Hausbesuch übergeben werden.
Alle frisch gebackenen Eltern besuchen? Müssen das alle über sich ergehen lassen? Das wollte der Landrat wissen. Wieder zog er den Vergleich zwischen früher und heute. Vor allem warnte Habermann vor einem aus seiner Sicht fatalen Effekt. Dadurch, dass der Staat immer mehr an Beratungsstellen aufbaue, sende er an potenzielle Eltern das Signal: Achtung! Kinder bekommen ist kompliziert und gefährlich. Das schaffen wir nicht allein. Dies nehme künftigen Eltern die Fähigkeit, in der Erziehung intuitiv das Richtige zu tun. „Wen wundert es da, dass die jungen Menschen zeugung- und gebärfaul werden?“, fragte er provokativ.
So drastisch sah dies das Gremium nicht. Inge Kessler beispielsweise wies darauf hin, dass das Angebot gut für überforderte Mütter sei. Und Diplom-Psychologe Bernhard Roth von der Beratungsstelle des Kreiscaritasverbandes lobte die Idee des Begrüßungspakets, sah es aber nur als Angebot an die Eltern, nicht als Zwang zur Beratung.
Das befürwortete auch Eberhard Helm. Er warnte davor, Hilfe aufzuzwingen. Anbieten sollte man sie schon. Das eigentliche Problem sei, dass es kaum noch einen Zusammenhalt in der Gesellschaft gebe. Und Dekan Gerhard Hausmann lobte besonders das geplante Handbuch mit den verschiedenen Hilfsangeboten.
Einstimmig war schließlich der Beschluss, die beiden Pädagoginnen bis Ende 2014 weiterzubeschäftigen und die Arbeit der KoKi weiterzuführen. Pro Jahr kostet das den Landkreis etwa 50 000 Euro
Auf wenig Interesse stößt nach angaben von Lothar Schulz das Ergebnis der Jugendhilfeplanung in den Gemeinden. Nur Ostheim und Wollbach ließen sich bisher das Ergebnis für ihre Orte vorlegen. Das müsse ja nicht immer im Gemeinde- oder Stadtrat geschehen. Dies wiederum findet Landrat Thomas Habermann sehr schade. Die Gemeinden sollten sich um ihre Jugendlichen kümmern, betonte er. Vielleicht, so eine Anregung aus dem Gremium, sollten die Vereine mit einbezogen werden.
Habermann kündigte jedenfalls an, schriftlich noch einmal alle Bürgermeister an die Möglichkeit zu erinnern, die Daten der Jugendhilfeplanung für ihren Ort erläutern zu lassen.