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RHÖN: Birkwild-Nachwuchs in der Rhön: Die wenigsten kommen durch

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Birkwild-Nachwuchs in der Rhön: Die wenigsten kommen durch

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    Bis aus einem Küken so ein prächtiger Birkhahn geworden ist, oder eine mit ihrem braunen Federkleid etwas unauffälligere Henne, lauern viele Gefahren.
    Bis aus einem Küken so ein prächtiger Birkhahn geworden ist, oder eine mit ihrem braunen Federkleid etwas unauffälligere Henne, lauern viele Gefahren. Foto: Foto: Thinkstock, USO

    Zufrieden blickt Torsten Kirchner dieser Tage zum Himmel über der Langen Rhön. Es wird weiter warm und trocken bleiben. Genau das Wetter, auf das der Wildland-Betreuer für das große Naturschutzgebiet im Zentrum der Rhön immer im Frühsommer hofft. Denn jetzt ist Schlüpfzeit für Bodenbrüter – und dabei besonders für die kleinen Birkhühner. Damit sind gerade diese Tage entscheidend für das Überleben des Nachwuchses und den Erhalt der so seltenen Vogelart in der Rhön. Die Chancen, dass die frisch geschlüpften Küken die ersten Tage überstehen, sind eh schon gering, passt das Wetter nicht, gehen sie gegen Null, weiß der Biologe aus langjähriger, oft schlechter Erfahrung.

    Doch nicht nur die ersten Tage, das gesamte Dasein des Birkwilds ist voller Gefahren – nicht nur wetterbedingten. Vom Ei, über das Küken bis zum ausgewachsenen Vogel: In jeder Phase werden die Tiere gefressen.

    Eine Vielzahl von Räubern wartet nur darauf, eines der inzwischen so selten gewordenen Birkhühner zu entdecken und zu „schlagen“, wie es in der Fachsprache heißt: Fuchs, Waschbär, Marder, Wildkatze, Dachs, Habicht oder auch Rabenvögel heißen die Bedrohungen in den verschiedenen Lebensphasen. Und dazu kommt dann auch noch der Mensch, dem immer wieder Vögel zum Opfer fallen.

    Viele Räuber in der Natur

    Bei der enormen Zahl von Verlusten ist natürlich eine hohe Zahl beim Nachwuchs wichtig. Und das, so erklärt Torsten Kirchner, entscheidet sich im Frühsommer. Im Mai zieht sich das Birkhuhn in höhere Graslandschaften zurück und legt dort etwa alle eineinhalb Tage ein Ei in eine einfache Mulde. Bis zu acht Eier bilden ein Gelege, und erst dann beginnt die Henne mit dem Brüten. In den zwölf Tagen bis dahin hängt schon vieles vom Wetter ab. Ist es zu kalt oder es schneit – was in der Rhön auch im Mai vorkommen kann – erfrieren die Eier, ist es zu warm, beginnt die Entwicklung der Eier, was ebenfalls das Ende bedeutet.

    Natürlich gibt es in der unerbittlichen Natur auch viele Räuber, die sich an diesen Eiern gütlich tun. Werden sie gefressen und die Henne überlebt, legt sie meist einige Eier nach. Bleibt das Gelege unentdeckt, beginnt die 28-tägige Brutzeit. Natürlich ist auch diese Phase voller Gefahren. Der „Super Gau“, so Torsten Kirchner, ist es, wenn die Henne in dieser Zeit gefressen wird. Da ist das Tier weg, und die Eier sind verloren.

    Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, ist relativ hoch. Denn, so hat der Biologe beobachtet, die Henne muss das Nest ein- bis zweimal am Tag verlassen, um Blüten, Fruchtstände, Samen oder Knospen zu fressen. Weil sie da in kurzer Zeit viel Nahrung aufnehmen muss, ist sie nicht so aufmerksam wie sonst. Ein gefundenes Fressen für einen Habicht.

    Überstehen Eier und Henne diese Zeit, schlüpfen die kleinen Küken innerhalb weniger Stunden. Die Nestflüchter „marschieren sofort los“, so Kirchner und suchen Nahrung. Im Gegensatz zu vegetarischen Altvögeln ernähren sie sich in der ersten Zeit von Grashüpfern, Raupen und anderen Insekten, die sie von Grashalmen picken und zupfen.

    Mäht ein Landwirt die Wiese von außen nach innen haben Wildtiere wie Birkhühner kaum eine Chance zu entkommen.
    Mäht ein Landwirt die Wiese von außen nach innen haben Wildtiere wie Birkhühner kaum eine Chance zu entkommen. Foto: Foto: Torsten Kirchner

    Jetzt kommt es entscheidend auf das Wetter an. Ende Juni ist oft die Zeit der Schafkälte und es regnet. Die Küken finden keine Nahrung und ziehen sich wegen der Kälte unter das Gefieder der Henne zurück. Hält sich das schlechte Wetter länger als drei oder vier Tage, verhungern und erfrieren sie.

    Ist das Wetter, wie in diesem Jahr, warm und schön, flitzen die kleinen Birkhühner auf Futtersuche durch die Wiesen, während die Mutter Wache hält. Entdeckt sie eine Gefahr, ertönt ein Warnruf. Die Kleinen bleiben reglos, wo sie sind. Kommt die Gefahr näher, zieht die Henne die Aufmerksamkeit auf sich, indem sie wegfliegt. Dabei lässt sie oft einen Flügel hängen, um eine Verletzung vorzutäuschen. Der Räuber soll so der vermeintlich leichten Beute folgen und von den Küken abgelenkt werden.

    In den ersten zwei bis drei Wochen, bis sie fliegen können, droht den kleinen Birkhühnern eine weitere Gefahr. Denn nun beginnt in der Rhön die Zeit der Wiesenmahd. Um Bodenbrüter wie das Birkwild zu schützen, dürfen die Landwirte im Naturschutzgebiet bekannte Brutflächen erst spät mähen. Brütet eine Henne aber außerhalb oder verspätet, ist die Gefahr groß, dass sie zwar noch wegfliegen kann, ihre Jungen aber tot gemäht werden.

    Dazu ist es leider gängige Praxis vieler Landwirte ihre Wiesen von außen nach innen zu mähen, drängen damit die Wildtiere in die Mitte, wo sie dann keine Chance zum Entkommen haben. Die größte Katastrophe, so Kirchner, richten Bauern an, die nachts mähen. Dann bleiben die meisten Wildtiere sitzen und werden umgemäht. Die Mahd bei Nacht in den Schutzgebieten, so fordert der Biologe, solle künftig unterbunden werden, und Verstöße auch Konsequenzen haben, wenn es um die Vergabe öffentlicher Flächen im Naturschutzgebiet geht.

    Guter Schnitt: vier von acht

    „Haben die kleinen Birkhühner diese Zeit überstanden, haben sie viel gelernt“, betont Kirchner. Sie kennen nun bereits zahlreiche Gefahren. Allerdings ist die Zahl der Tiere jetzt nicht mehr sehr hoch. „Wenn von acht Küken vier überleben, ist das ein richtig guter Schnitt“, weiß Kirchner.

    Niedlich, aber immer in Gefahr: Ein Birkwild-Küken ist auf einer Rhöner Wiese auf der Suche nach Insekten unterwegs.
    Niedlich, aber immer in Gefahr: Ein Birkwild-Küken ist auf einer Rhöner Wiese auf der Suche nach Insekten unterwegs. Foto: Foto: Wolfgang Völkl

    In einigen Wochen werden sich die jungen Hähne zu den alten gesellen, die Hennen bilden mit der Mutter einen lockeren Verband. Um die harte Winterzeit zu überstehen, bilden sich später Hähne- und Hennenvölker. Wenn sie dann noch leben, beteiligen sich zumindest schon einmal die jungen Hennen im kommenden Jahr an der Frühjahrsbalz. Und der Kreislauf beginnt erneut.

    Natürlich, so der Gebietsbetreuer, hat das alles einen Sinn. Den Birkhühnern reicht in der rauen Landschaft absolut kärgliche Nahrung. Blüten, Knospen und Blätter wandeln sie in wertvolles Eiweiß um. Im biologischen Kreislauf hat das Birkwild dann einfach die Funktion, Nahrung für viele andere Tiere zu sein – auch wenn das eine sehr nüchterne Betrachtungsweise ist.

    Birkwildschutz in der Rhön Ende der 1960er Jahre soll es 350 balzende Birkhähne auf der Rhön gegeben haben, belegt sind diese Zahlen nicht. Seit 1977 wird in der Rhön jeden Herbst das Birkwild gezählt. Bei der ersten Zählung waren es zwischen 40 und 50 Birkhähne. Jahr für Jahr nahm die Population ab, der Tiefpunkt mit nur zwei Hennen war 2009 erreicht. In den Jahren 2010, 2011 und 2012 konnten keine Jungvögel mehr aufgezogen werden. Wissenschaftliche Untersuchungen belegten, dass das Birkwild in der Rhön genetisch isoliert und zur Reproduktion nicht mehr in der Lage war. In der Rhön kommt das Birkwild ausschließlich in der Langen Rhön, im Dreiländereck Hessen, Bayern und Thüringen vor. Frische Gene mussten her. Seit 2010 werden Schwedische Birkhühner in der Rhön ausgesetzt. Durch Vertragsnaturschutz wird versucht, die Lange Rhön von Verbuschung frei zu halten. Rund 250 landwirtschaftliche Betriebe sorgen durch Mahd der Wiesenflächen für Offenhaltung der Landschaft. Rund 800 000 Euro Fördermittel fließen pro Jahr für Mahd und Beweidung aus Brüssel und München in die Rhön. Über die Effizienz dieser Maßnahmen gehen die Meinungen auseinander. Bei der Herbstzählung 2016 zeigten sich den rund 50 ehrenamtlichen Zählern gerade mal zwölf Hähne und vier Hennen, was einer Stabilisierung auf niedrigem Niveau entspricht. Allerdings werden weiterhin Tiere aus Schweden zugeführt. me,geha

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