Es braucht in diesen Tagen eine ganze Menge Einbildungskraft, um sich die Zukunft im Großen Haus des Meininger Theaters vorzustellen. In diesen Räumen sollen in acht Monaten wieder unsere Fantasien inspiriert werden? In diesem Haus sollte sich unser Gemüt erfreuen und der Geist in erbaulichen Höhen schweben?
Kaum vorstellbar: Diese riesige Baustelle, auf der in sämtlichen Gewerken geklopft, gehämmert, geschabt, geschraubt, gebohrt, gemalt, gestrichen, verlegt und verkabelt wird, diese riesige Baustelle wird eines Tages verschwunden sein, und auf den neuen Brettern sollen wieder erhabene Sätze gesprochen werden, wie die aus dem Munde von Vincentio: „Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet. Denn mit welcherlei Maß ihr messet, wird euch gemessen werden.“
Mit Shakespeares Komödie „Maß für Maß“ wird der generalsanierte Prachtbau (Sanierungskosten: 24 Millionen Euro) am 9. Dezember nach 18-monatiger Bauzeit wiedereröffnet, gefolgt von Wagners Oper „Das Liebesverbot“, die sich des Shakespeareschen Stoffes bedient, am 10. Dezember. Und dann werden die Zuschauer verblüfft feststellen, dass die Bühnenbilder wie im Fluge wechseln können. Das eine verschwindet und das andere erscheint binnen 20 Sekunden aus dem Untergrund. Dank neuer Drehbühnentechnik, die den Deus Ex Machina des 21. Jahrhunderts, den Gott aus der Theatermaschine, zu neuem Leben erweckt.
Aber wollen wir als Zuschauer wirklich wissen, was sich drüber und drunter, vor und hinter der Bühne ereignet? Das wäre fast so, als würden wir eine spannende Geschichte im Kino verfolgen und parallel dazu das „Making Of“ des Filmes sehen. Im Augenblick ist es faszinierend, zu beobachten, wie das filigrane Räderwerk dieser Maschine neu entsteht. Aber wenn sie denn in Betrieb gesetzt wird, dann sollten wir uns wieder ganz der Illusion hingeben, dass nur das, was wir auf der Bühne sehen, ein Teil der Wirklichkeit ist – und nicht das, was dahinter geschieht.
Am 27. November wird das Große Haus erstmals wieder öffentlich zugänglich sein, mit einer Veranstaltung der Theatermaus, einer Doppelmatinee und einer Technikshow.