Dieser Dampfkessel ist außergewöhnlich, er fällt auf in der Kesselschmiede des Dampflokwerks Meiningen. Außergewöhnlich deswegen, weil keine Feuerbüchse an diesem Kessel zu sehen ist. Und auch keine Öffnungen für einen Schlot. Die Buchstaben „FLD“ sind auf der Führerhausseite des Kessels angekreidet. Was für „feuerlos“ und „D-Kuppler“ steht.
Dieser Kessel, gehört zu einer so genannten Dampfspeicherlokomotive. 20 Jahre lang war diese Lokomotive als technisches Denkmal abgestellt. Die Meininger Dampflokspezialisten haben den Auftrag, diese Maschine wieder betriebsfähig aufzuarbeiten. Diese Lok soll im Werksverkehr vom Großkraftwerk Mannheim wieder eingesetzt werden. Bei einer öffentlichen Führung durchs Dampflokwerk im Dezember war die inzwischen fast fertiggestellte Lok zu sehen.
Ein D-Kuppler ist eine Lok mit vier Treib- und Kuppelachsen. Deren Anzahl werden bei Lokomotiven mit Buchstaben nach der Abfolge im Alphabet bezeichnet. D ist hier der vierte Buchstabe. Die Lokomotive 98886 der Museumsbahn Fladungen ist ebenfalls ein D-Kuppler.
Auffällig bei diesen feuerlosen Dampfspeicherloks ist deren „dickbauchiger“ und glatter Kessel. Die Maschine arbeitet mit komprimiert gespeichertem Dampf. Zum Betrieb wird der Kessel, ein einfacher Druckbehälter, etwa zu zwei Dritteln mit heißem Wasser gefüllt. Wasser hat die Eigenschaft, große Energiemengen unter hohem Druck zu speichern. In den verbleibenden Raum wird Dampf mit hohem Druck eingeblasen. Dampfspeicherloks arbeiten mit einem Betriebsdruck von 20 bar und einer Wassertemperatur von etwa 200 Grad Celsius.
Nachfüllen nach sechs Stunden
Bei der Entnahme von Dampf entsteht durch den Druckverlust sofort eine Nachverdampfung aus dem Wasser, so dass wieder Dampf zur Verfügung steht, mit etwas geringerem Druck. Nach ungefähr sechs bis acht Stunden – eine große Leistung im Rangier- und Verschiebedienst – muss eine solche Dampfspeicherlok wieder befüllt werden. „Selbst mit einem Restdruck von nur einem bar kann die Dampfspeicherlok noch eine kurze Strecke fahren, so dass meist die Nachfüllstation noch erreichbar ist“, war bei der Führung durchs Werk zu erfahren.
Einsatzgebiete feuerloser Lokomotiven waren Industriebetriebe, die mit entflammbaren und explosiven Stoffen zu tun hatten. Wegen der Brand- oder Explosionsgefahr durften dort keine Dampflokomotiven mit Feuerung fahren. Darüber hinaus sind Bedingungen, wie zum Beispiel in Kraftwerken, wo Dampf in großen Mengen als Abfallprodukt anfällt, optimal für den Betrieb von Dampfspeicherlokomotiven.
Dampfspeicherlokomotiven können im Kurzstreckenbetrieb Anhängelasten von über 2000 Tonnen bewegen. Die Meininger Dampflokwerker haben Erfahrung mit diesen feuerlosen Lokomotiven. Denn zu Anfang der 1980er-Jahre ist dort – im damaligen Reichsbahn-Ausbesserungswerk, das seinerzeit „Helmut Scholz“ hieß – eine Serie mit 200 dieser Maschinen neu gefertigt worden. Der namensgebende SED-Politiker Scholz (1924 - 1967) war übrigens gelernter Lokschlosser und -führer sowie stellvertretender Minister für das Verkehrswesen der DDR.
Die Meininger Dampfspeicherlokomotiven waren vom Typ FLC, also dreiachsige „C-Kuppler“. Üblicherweise ist der Kessel bei Dampfspeicherlokomotiven etwas nach vorne versetzt. Um eine gleichmäßige Gewichtsverteilung zu erhalten, sind die Zylinder unterhalb des Führerhauses angeordnet. Und der Abdampf entweicht über ein Rohr hinter dem Führerhaus. Probefahrten mit der fast fertigen Lokomotive haben bereits stattgefunden.