„Diktatur oder Demokratie“, dieser Satz zog sich wie ein roter Faden durch einen Vortrag in der Aula der Dr. Karl-Grünewald Realschule in Bad Königshofen. Zeitzeuge, Demokrat, evangelischer Pfarrer, Bürgerrechtler und Politiker Rainer Eppelmann machte Station in der Schule und referierte eindrucksvoll und stimmgewaltig über eine „Zeit, die wahnsinnig weit weg ist, aber nicht vergessen werden darf“, so der Politiker der zunächst dem Demokratische Aufbruch in der DDR, später dann der CDU angehörte und 1990 Minister für Abrüstung und Verteidigung in der letzten DDR-Regierung war.
Mit seiner Berliner Schnauze holte sich der engagierte Mensch Eppelmann bei den Jugendlichen schnell Respekt und schaffte es eineinhalb Stunden lang, die Schüler mitzunehmen auf eine Kurzreise durch die Geschichte der ehemaligen Deutschen Demokratische Republik. „Sie kennen nur Demokratie, keinerlei Einschränkungen und kämpfen sie dafür, dass es so bleibt“, eine provozierende Frage an die jungen Menschen die für Stille in der Aula sorgte.
Sehr plakativ und mit Nachdruck fing Eppelmann an, den Zuhörern zu erklären, wie das so war mit der FDJ, den blauen Hemden, den Jungpionieren und den Genossen aus Berlin. Wie gedruckst wurde und das erzählt wurde, was andere hören wollten.
Erlaubt war nach dem Gesetz der DDR alles, was auch im demokratischen Teil erlaubt war, freie Meinung, freie Wahlen und vieles mehr. Die Praxis sah aber ganz anders aus und war eher konform mit dem was die Partei vorgab. „Das erste Mal bewusst geworden ist mir die Denkvorgabe während dem kalten Krieg, wo Aufrüstung von den Supermächten USA und UDSSR im vollen Gange war und im Westen der Republik plötzlich tausende auf die Straßen gingen und für den Frieden demonstriert haben, so auch der damalige erste Sekretär des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands Erich Honecker“, erklärt Zeitzeuge Eppelmann. Nur hat dieser gegen die damaligen westlichen Pershing-Raketen herzogen und die russischen SS-20 Raketen als Friedenstauben bezeichnet, was Eppelmann nicht nachvollziehen konnte und schnell gemerkt hat, dass die Einheits-Partei das Sagen hatte und die Richtung vorgab.
Eppelmann weigerte sich in die Freie Deutsche Jugend einzutreten, so dass ihm das Abitur verweigert wurde. „Ihr kommt in kurzen Hosen, mit Shirt auf denen Parolen und Sprüche zu lesen sind, ohne dass Lehrer oder Verantwortliche euch ermahnen oder wieder heimschicken, ihr dürft anziehen was ihr wollt. Diktatur oder Demokratie?“, erneut kam die Frage auf. Demokratie ist nicht selbstverständlich gab Eppelmann permanent zwischen den Zeilen zu verstehen, man muss dafür aufstehen, kämpfen und sich engagieren, so sein Credo an die jungen Schüler. „Das ökonomische Versagen der sozialistischen Länder hat sich abgezeichnet es war nur eine Frage wie man den Prozess beschleunigen konnte.“ Dies war der Punkt in dem der Minister a.D. persönlich wurde und der Demokrat und Menschenversteher aus ihm herauskam.
Die katholischen und evangelischen Kirchen war es, die nur in wenigen Bereichen vom Staat kontrolliert wurden und die für den Jungen Eppelmann ein Ort des gewaltfreien Widerstandes waren. „Wer Kerzen in der Hand hält, kann keinen Schlagstock schwingen“, ein wenig geerdeter Stolz spricht aus dem Bürgerrechtler wie er den jungen Zuhörern erklärte das die Revolution in der DDR ohne Gewalt bei den Montagsdemonstrationen abgegangen ist und er sich als Teil einer großen friedlichen Einheit von freien Menschen sieht, die das geschafft haben. „Die Angst hat die Seiten gewechselt, wie die Demonstrationen immer größer wurden und wir erstmalig Plakate in die Höhe hielten, auf denen unsere freie Meinung stand.“ Der Rest ist Geschichte so der Vortrag weiter, der viele Fragen bei den neugierigen Zuhörern aufgeworfen hat.
Fritz Schroth, der Gründer des christlichen Tagungs- und Erholungszentrums Hohe Rhön aus Bischofsheim begleitet Eppelmann, übernahm die Fragenrunde der Schüler und zeigte sich tief beeindruckt von den Gedanken der jungen Menschen. Viele Fragen wurden im Vorfeld erarbeitet. Auch Fragen zu den versuchten Attentaten durch die Staatssicherheit auf ihn und seine Ängste durch seine Arbeit wurden geduldig beantwortet. Etwas nachdenklich wurde Eppelmann bei tagesaktuellen Fragen. „Heute gehört Deutschland zu den attraktivsten Ländern der Welt. Auch heute haben viele den Traum von einem besseren Leben in Freiheit und Demokratie, was ein verständlicher Wunsch ist. Wir haben nur vergessen zu diskutieren was wir leisten können.“
Rainer Eppelmann (74) ist evangelischer Pfarrer, Bürgerrechtler und früherer DA- und CDU-Politiker. Nachdem er innerhalb der DDR Bekanntheit als Oppositioneller erlangt hatte, war er 1990 Minister für Abrüstung und Verteidigung in der letzten DDR-Regierung. Seit 1998 ist er Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Im Bundestag war er von 1991 bis 2005, als er nicht mehr kandidierte.