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OSTHEIM: Der etwas andere Osterbrauch: Back mir einen Storch

OSTHEIM

Der etwas andere Osterbrauch: Back mir einen Storch

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    Ein Bild aus vergangenen Jahren: Bäckermeisterin Juliane Witthauer mit einem Blech gebackener Osterstörche in Ostheim.
    Ein Bild aus vergangenen Jahren: Bäckermeisterin Juliane Witthauer mit einem Blech gebackener Osterstörche in Ostheim. Foto: Foto: Josef Kleinhenz

    Der Brauch in der Bäckerei Hugo Schenk, Osterstörche zu backen, bleibt erhalten. Obwohl der Bäckereibetrieb offiziell schon seit 31. Dezember 2015 eingestellt ist, wird der Ofen für die Störche ausnahmsweise in der Karwoche wieder angeschürt.

    Auf vielfachen Wunsch haben sich die einstigen Betreiber dazu entschlossen, diese Gebäckstücke für Gründonnerstag bereitzustellen.

    Bekanntermaßen haben sich Juliane und Jürgen Witthauer, die zuletzt die Bäckerei führten, beruflich neu orientiert. Daher war eigentlich nicht damit gerechnet worden, dass die Störche in der Bäckerei noch einmal gebacken werden. Auch wenn es Mühe kostet, die Prozedur durchzuführen, wollen die Witthauers – so ihr Credo - die lange Tradition der gebackenen Störche erhalten.

    So bekommen heuer wieder die Kinder in Ostheim den gebackenen Storch aus ihrer Bäckerei. Das süße Hefeteig-Gebäck ist nicht nur wegen des Geschmacks beliebt. Aufgestreuter farbiger Zucker soll auch das Religiöse zu Ostern hervorheben. Rot steht für die Liebe, Grün signalisiert den Glauben, Gelb das Licht und Weiß die Reinheit.

    Eine ganze Menge Störche sollen gebacken werden. „Vermutlich sind es aber nicht mehr ganz so viele wie sonst“, schränkte Chefin Juliane Witthauer ein. Wie viel es wirklich werden, richte sich nach den Bestellungen. Fest steht laut Witthauer, dass auch der Gewerbeverein Ostheim zahlreiche Osterstörche erhalten wird. Sie sollen am Samstagvormittag im Rahmen eines Konzerts am Osterbrunnen an die Kinder verteilt werden.

    Allein gelassen mit der Arbeit in der Bäckerei sind die Witthauers nicht. Denn hilfreich zur Seite steht ihnen Heidrun Kelz, die sich mit den Facetten des Osterbackbetriebs bestens auskennt. Die Seniorchefin hat darin Übung, vor allem die Störche mit verschiedenfarbigem Zucker zu bestreuen. Auch ihre Tochter Juliane und Schwiegersohn Jürgen beherrschen diese Aufgabe.

    Göttlichkeit und Menschlichkeit

    Wegen der Zweifarbigkeit seines Gefieders galt der Storch früher als Symbol für Göttlichkeit und Menschlichkeit. Sein Wegzug und seine Rückkehr als Zugvogel sind Sinnbild für die Himmelfahrt und Auferstehung Christi – letzteres passt genau zu Ostern.

    Schon seit 1697 existiert in Ostheim der Brauch, Storchennester zu suchen. Die Geschichte, warum an Ostern der Storch statt der landläufige Hase kommt, ist schnell erzählt. Ein evangelischer Pastor hat im 17. Jahrhundert mit einem Storch einen Kontrast zu katholischen Gemeinden der Rhön und Südthüringen gesetzt und wollte damit zum Osterfest in seinem Gebiet erhöhte Aufmerksamkeit hervorrufen – das geht aus einer historischen Dokumentation hervor, die Religionspädagogin Christel Heid einst zusammenstellte. „Die Störche kommen zu Ostern aus dem Süden zurück und bringen neues Leben. Sie sind Fruchtbarkeitssymbol: Ostern – Auferstehung – neues Leben“. Diese These erschien dem Pastor schlüssig, den Storch als Osterbrauchtum einzuführen.

    Früher war dem Storch noch eine Hefeteigbrezel als eine Art Fastenspeise beigegeben. Die Fastenbrezeln, verbunden mit einem gebackenen Kreuz, symbolisierten das Leiden Jesu und wurden im Mittelalter von Aschermittwoch bis Ostern in den Klöstern an Hungrige verteilt, die an die Pforte klopften.

    Selbst in Teilen Südthüringens wurde früher die Tradition des Osterstorchs gepflegt. In Milz, Römhild, Meiningen, Behrungen, Wolfmannshausen und auch Sonnefeld bekam das Patenkind zu Ostern einen gebackenen Stelzvogel geschenkt.

    Der Römhilder Carl Kade (1880-1962) hatte sich einst im Raum Südthüringen herumgehört und mit der Herkunft des Osterstorchs beschäftigt. In einem musealen Schriftstück betont er: „Es ist bemerkenswert, dass früher in meiner Heimatstadt Römhild nicht der Osterhase, sondern der Storch am Gründonnerstag kam“. Kade befragte sogar ältere Bürger Thüringens, die ihm sagten: Die Freunde des Osterstorchs waren vor allem in der Gegend von Meiningen und im thüringischen Grabfeld beheimatet.

    In Ostheim, das zu Thüringen gehörte und 1945 dem Gebiet Unterfranken zugeordnet wurde, ist der Osterstorch noch in aller Munde. Dort wird am Gründonnerstag für die Kinder der Storch „gepfiffen“. Das heißt, er wird pfeifend gerufen und an seine Pflicht erinnert, österliche Gaben bereitzulegen. Im Osternest finden sich dann der gebackene Osterstorch, gefärbte Eier und Naschereien.

    Jeder Storch auf dem Blech ist ein Unikat. „Das kommt daher, dass der Teig nicht in fester Form gebunden ist, sondern noch von Hand verarbeitet wird“, sagt Bäckermeisterin Juliane Witthauer. Der eine sehe vielleicht etwas größer aus als der andere oder kräftiger, aber im Prinzip immer ansprechend und teils witzig.

    Nicht zu lange Hälse

    Juliane Witthauer hat die Storch-Handwerkskunst von ihren Eltern Siegfried und Heidrun Kelz, die früher die Bäckerei betrieben, von Grund auf gelernt. Leider ist ihr Vater im November 2014 verstorben. Sein Tod habe eine große Lücke in der Firma hinterlassen. Doch die Erinnerung an ihn bleibt. Mit einem Grinsen an seine Mitarbeiter habe er immer appelliert: „Macht nicht zu lange Hälse!“ Letztlich freuten sich aber alle und waren mit der Qualität zufrieden, wenn später die schönen Osterstörche fertig gebacken aus dem Ofen kamen und zur Freude der Kinder über die Verkaufstheke gereicht wurden.

    Sogar Goethe und sein Dienstherr Carl August von Thüringen ließen sich dieses Gebäck nicht entgehen. Sie reisten angeblich zweimal, 1780 und 1782, nach Ostheim und überzeugten sich höchstselbst vom Osterstorch in der Backstube von Hugo Schenk. Sie bissen in den Storch hinein und fanden, dass er gut mundet.

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