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RHÖN-GRABFELD: Der jüdische Friedhof ist ein Stück Heimat

RHÖN-GRABFELD

Der jüdische Friedhof ist ein Stück Heimat

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    Alte Vorurteile: Das Anlegen jüdischer Friedhöfe war nicht überall möglich. So wurden im 16. Jahrhundert Bezirksfriedhöfe, wie hier auf dem Wartberg in Kleinbardorf, eingerichtet. Er ist der zweitgrößte in Bayern. Diese Aufnahme entstand um 1930.
    Alte Vorurteile: Das Anlegen jüdischer Friedhöfe war nicht überall möglich. So wurden im 16. Jahrhundert Bezirksfriedhöfe, wie hier auf dem Wartberg in Kleinbardorf, eingerichtet. Er ist der zweitgrößte in Bayern. Diese Aufnahme entstand um 1930. Foto: Foto: Archivfoto Albert

    Es gibt in Bayern noch 123 jüdische Friedhöfe, davon 48 in Unterfranken. Im Landkreis Rhön-Grabfeld sind es noch neun. Die meisten der noch erhaltenen älteren Friedhöfe in Unterfranken sind, wie überall in Mitteleuropa, im 16. und 17. Jahrhundert gleichzeitig mit dem Wiederaufbau der jüdischen Gemeinden nach deren gewaltsamer Auflösung im 14. und 15. Jahrhundert entstanden.

    Auf Grund der alten Vorurteile war das Anlegen jüdischer Friedhöfe nicht überall möglich, so dass sogenannte Bezirksfriedhöfe, wie im heutigen Landkreis Rhön-Grabfeld in Kleinbardorf, eingerichtet wurden. Auf diesen wurden dann die Toten der zahlreichen umliegenden jüdischen Gemeinden bestattet.

    Der jüdische Friedhof ist mehr als nur die letzte Ruhestätte. Er bedeutet ein Stück Heimat, wo die Vorfahren ruhen, und zugleich die Gegenwart Israels, woher die Erde in einem kleinen, dem Toten mitgegebenen Säckchen stammen soll. Der Friedhof ist die Grabstätte der Väter. Das religiöse und emotionale Verhältnis zum Begräbnisort unterscheidet sich im Judentum wesentlich von christlichen Einstellungen.

    Die teuerste Reise des Lebens

    Der Kauf eines Grabes bedeutet für Juden den Erwerb eines Grundstücks, aus dem niemand anderer Nutzen ziehen darf. Aus diesem Grund gibt es bis zum Ende aller Tage weder einen „ehemaligen“ noch einen „aufgelassenen“ jüdischen Friedhof.

    Der letzte Gang auf den Friedhof aber bedeutete in alter Zeit für manchen nicht nur die längste, sondern auch die teuerste Reise seines Lebens. Die jüdischen Friedhöfe zu erreichen bedurfte es bisweilen mehrerer Tagesreisen, der Weg führte durch verschiedene Territorien, Weg- und Leibzölle waren zu entrichten.

    Noch die Toten wurden diskriminiert. In Würzburg etwa mussten laut Torzollordnung von 1634 „Drey heller von einem Schwein. Ein Gulden von einem Doten Juden. Sechs Pfennig von einem lebendigen Juden“ entrichtet werden.

    Ende des 18. Jahrhunderts musste für ein Judenbegräbnis auf dem Judenhügel in Kleinbardorf ein Taler Leibzoll für die von auswärts kommenden Toten hinterlegt werden. Für den Leichentransport waren fünf bis neun Gulden aufzuwenden; dazu kam noch die Bezahlung der Totengräber und des Ruheplatzes.

    „In Anbetracht der Begräbniskosten der Juden möchte man wohl fragen, verdienen dann diese Gedrückten am Ende des 18. Jahrhunderts nicht Erleichterung?“ schrieb der Schweinfurter Schriftsteller Bundschuh 1802 in seinem „Lexikon von Franken“. Und noch 1832 mussten die Juden den Freiherren von Guttenberg als den damaligen Besitzern von Schloss und Gut Kleinbardorf für den jüdischen Friedhof einen Grundzins von 47 Gulden und dem örtlichen katholischen Pfarrer ein Neujahrsgeld von 1 Gulden 15 Kreuzern entrichten.

    Der jüdische Friedhof wird im Hebräischen „Beth Hachaim“ = Haus des Lebens, „Beth Olam“ = Ewiges Haus, Haus der Gräber oder „Guter Ort“ genannt. Diese Bezeichnungen drücken aus, was der Friedhof im Judentum ist – ein Ort der Ruhe, auf dem die Toten ungestört dem jüngsten Tag, an dem der Messias kommt, entgegenschlafen.

    Es gibt einige Merkmale, die, von Ausnahmen abgesehen, allen jüdischen Friedhöfen zu Eigen sind: Fast alle Friedhöfe liegen außerhalb von Ortschaften. Der Grund dafür ist einmal, dass die nichtjüdischen Bewohner oft keinen jüdischen Friedhof in ihrer Nähe duldeten. Jüdischerseits hoffte man aber den seit Jahrhunderten bekannten und gefürchteten Grabschändungen dadurch zu entgehen, den Friedhof so zu legen, dass er durch die Natur geschützt war und ein Gang dorthin mit einiger Mühe, zumindest aber mit einem langen und steilen Anmarschweg verbunden war. Aus finanziellen Gründen wurden die Friedhöfe oft im Wald oder auf Bergkuppen platziert, wo der Boden unfruchtbar und daher recht billig war.

    1901 schrieb der Kleinbardorfer Lehrer Emanuel Fuchs: „Ich fragte einmal einen alten Juden, warum man denn gerade diesen steilen Berg zum Todtenacker ausersehen habe, der doch im Winter bei hohem Schnee und großer Kälte schwer zu ersteigen sei. Er antwortete: ,Damit wir näher am Himmel sind.‘“

    Dem Totenritual und der Beerdigung, die nach jüdischer Vorschrift rasch zu erfolgen hatte, fehlte jeglicher Pomp; denn im Tode waren Arm und Reich gleich.

    Im Landkreis Rhön-Grabfeld gibt es jüdische Friedhöfe in Sulzdorf, Ipthausen, Kleinbardorf, Oberwaldbehrungen, Weimarschmieden, Neustädtles, Unsleben, Mellrichstadt und Bad Neustadt. Einst gab es sie auch in Bischofsheim und Hausen/Rhön. Sie werden der Reihe nach vorgestellt.

    Literatur: Gustav Cohn: Der jüdische Friedhof, Frankfurt/M. 1930; Ilse Vogel: Die Judensäcker von Diespeck, 2003. Unterlagen im Privatarchiv des Verfassers. Christoph Daxelmüller: Der gute Ort – Jüdische Friedhöfe in Bayern, Augsburg, 2009.

    Jüdische Friedhöfe in Rhön-Grabfeld

    In einer mehrteiligen Reihe beleuchtet Kreisheimatpfleger Reinhold Albert Grabkultur und Totenritus der Juden. Der 61 Jahre alte ehemalige Polizeibeamte aus Sternberg beschäftigt sich seit gut einem Vierteljahrhundert intensiv mit dem Schicksal der jüdischen Bevölkerung im Landkreis. Bereits 1990 veröffentlichte er dazu unter dem Titel „Juden im Grabfeld“ ein erstes Buch. Damals noch ein gewagtes Unternehmen. „Ich hatte Angst, dass die Fensterscheiben eingeworfen werden“, erinnert sich Albert und betont, dass heute das Interesse an den Themen ungleich größer sei als damals. Vor allem Jugendliche würden damit sehr viel vorbehaltloser umgehen. Aufgrund seiner fundierten Kenntnisse und seines großen Archivs benötigte er für Erstellung der Serie nur gut zwei Monate. old

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