Wie prächtig sind die Werke Johann Sebastian Bachs! Das Präludium und die Fuge in e-Moll zum Beispiel, das zauberhafte G-Dur-Trio oder gar das berühmteste Orgelwerk schlechthin, die mächtige Toccata und Fuge d-Moll. Doch ach, all diese Werke sind gar nicht von Johann Sebastian Bach, obwohl sie seit Jahrhunderten seinen Namen tragen.
Hinter den Namen Bach setzt Dr. Wieland Meinold ein großes Fragezeichen. Nicht hinter die historische Person freilich, nein, aber hinter die Urheberschaft einiger der bekanntesten Werke des Komponisten. Diese hat Bach nämlich entweder gar nicht selbst geschrieben, oder er hat sie um- oder lediglich bearbeitet. Was freilich die jahrhundertealte Musikwissenschaft dem Genie gerne verzieh, ihm die Literatur zuschrieb und in das Bach-Werkverzeichnis (BWV) aufnahm.
Schon ein wenig mutig zeigt sich da Dr. Meinold, wenn er seinen erstaunten Zuhörern in der Stadtpfarrkirche St. Kilian erzählt, dass die berühmte d-Moll Toccata gar nicht Johann Sebastian Bach komponiert hat. Sein Schüler war es, Johann Peter Kellner, der wohl auf eine Idee seines Lehrers hin dieses ungewöhnliche Werk komponierte, das dann im Notenarchiv des Meisters verschwand. Und prompt diesem zugeschrieben wurde.
Heute hat die Musikwissenschaft ganz andere und viel genauere Methoden, Werke einzelnen Komponisten zuzuordnen. Die Forscher machen da auch vor großen Namen nicht halt, und so schafft es Dr. Wieland Meinold tatsächlich, ein ganzes österliches Orgelkonzert mit Werken Bachs zu füllen, die dieser gar nicht geschrieben hat.
Der in Lüneburg tätige Kantor Georg Böhm, ein Onkel Bachs, hat wohl das Präludium und die Fuge in e-Moll BWV 533 komponiert, Bachs Schüler Johann Ludwig Krebs die Fuge G-Dur, BWV 577, und Johann Christian Kittel, ebenfalls ein Schüler Bachs, schrieb wohl die zauberhafte Fantasie mit Fuge und Kadenz a-Moll, BWV 561. Das berühmte Trio G-Dur, BWV 586, stammt gar von dem zu Lebzeiten Bachs viel berühmteren Komponisten Georg Philipp Telemann. Das kleine harmonische Labyrinth, BWV 591, hat Johann David Heinichen komponiert und das Präludium und die Fuge a-Moll, BWV 551, sind Bearbeitungen der Werke von Dietrich Buxtehude aus Lübeck.
Wenn Dr. Wieland Meinold in der kurzen Pause seines Konzertes erzählt, wer wohl welches Werk wann komponiert hat oder wer dem großen Johann Sebastian die Ideen für einzelne Kompositionen gab, der brauchte aber keine Angst zu haben, das Denkmal Bach werde von seinem Sockel gestoßen. Vielmehr spielte Meinold in atemberaubender Weise barocke Orgelwerke und ordnete diese im Zuge der Wissenschaft neu ein. Bei allen Zweifeln an den bisher bekannten Ursprüngen dennoch eine Reminiszenz an die Werke Bachs.
So fantastisch detailreich und brillant auf der fulminant gespielten Hey-Orgel interpretiert, bleibt die Fantasia con Fuga e cadenza in a-Moll ein Meisterwerk der Musikliteratur. Egal, ob von Bach oder Kittel letztlich vollendet. Eigenwillig hingegen die Darbietung der Toccata und Fuge in d-Moll zum Abschluss des Konzertes. In der Melodik etwas und im Tempo geringfügig variiert begeisterte Dr. Wieland Meinold mit seiner Weise, dem berühmtesten Werk für Orgel von Johann Sebastian Bach Leben einzuhauchen. Oder war es doch eher Johann Peter Kellner, der das Hauptthema dieses Werkes so kunst- und effektvoll zu gestalten wusste?