Am Sonntag werden Lizzy und Alfons Jesus begegnen. Das müssten die beiden aber ziemlich gelassen nehmen. Denn auf ihren großen Tag sind sie gut vorbereitet. Religiöse Verzückung ist nicht zu erwarten. Eher eine Art religiöser Toleranz. Denn wenn Jesus auf einem ihrer Rücken in Jerusalem einzieht, werden Lizzy und Alfons stoisch, aber keinesfalls störrisch ihren Dienst verrichten.
„Ich bin schon gespannt auf den Sonntag, ich werde auf jeden Fall einmal anrufen, um zu erfahren, wie es gelaufen ist“, sagt Elisabeth Heller. Sie ist, sagen wir mal, die Pflegemutter von Lizzy und Alfons, und hat größtes Interesse, dass es ihren Schützlingen wohlergeht, bei Jesus und beim Apostel Simon, der sie an der Leine ziehen wird.
Das alles geschieht bei der Premiere der Sömmersdorfer Passionsspiele. Jesus, Simon und das gesamte biblische Personal sind nur Laienschauspieler. Aber die beiden Esel sind echt, und sie werden das Laienspiel im Schweinfurter Land gewiss bereichern.
Erstmals stehen auf der Sömmersdorfer Laienbühne Tiere neben den Darstellern, dem neuen Testament gemäß dürfen deshalb auch keine Esel fehlen. Die beiden Tiere, die bis August mit Jesus in Jerusalem einziehen werden, stammen vom Lindleshof bei Sulzfeld. „Es war ein Zufall, wir hatten eine Anzeige geschaltet, in der wir unseren Friedel zum Verkauf anboten, da meldete sich Alfred Seufert aus Sennfeld bei uns“, erzählt Elisabeth Heller, die die Ferienwohnungen des Sulzfelder Lindleshofs führt.
Alfred Seufert, der früher selbst in Sömmersdorf mitgespielt hat, kümmert sich um die Tiere, die in Sömmersdorf auftreten sollen. Seine Aufgabe war es in den vergangenen Wochen, Lizzy und Alfred so zu trainieren, dass erwachsene Menschen auf ihnen reiten können.
„Herr Seufert hat sich die beiden bei uns auf dem Hof erst angeschaut, auch andere Kandidaten“, erzählt Elisabeth Heller. Es war also ein richtiges Esel-Casting. „Tja, Lizzy und Alfons waren dann wohl die Geeignetsten, von der Größe und von ihrem Verhalten her“, erzählt Heller. „Es gab nur ein Problem: Geritten ist auf ihnen noch nie jemand“, schmunzelt Heller im Nachhinein.
Tier-Trainer Seufert war sich aber sicher, dass die genügsamen Tiere dies schnell erlernen würden.
Seit 2011 leben die beiden Esel auf dem idyllischen Ferienhof der Familie Heller. Das Eselfohlen Friedel mussten die Hellers in diesem Jahr verkaufen, was den beiden anderen immerhin zu ihrer Rolle verhalf.
Die hat den Tieren einiges an Probenfleiß abverlangt. Denn wochenlang trabten die Esel durch Sömmersdorf, um sich für ihren großen Auftritt fit zu machen.
Gutmütig ließ sich Esel Alfons Tag für Tag durch die Straßen von Sömmersdorf führen, Eselin Lizzy trabte flott voran. Neugierige Köpfe tauchten an den Hoftoren auf. Die beiden Grautiere waren die Attraktion im Straßenbild des bekannten Passionsspielortes.
Dabei war auch Reinhold Full, Lizzys Führer, der als Apostel Simon den Esel in die Stadt Jerusalem führen wird. Nun ist man gespannt, wie die Tiere auf die Rufe der jubelnden Menge reagieren werden, wenn es bei der Premiere ernst wird. „Respekt habe ich schon", bekennt Theresa Seemann, die als Jüngerin Susanna abwechselnd mit Kerstin Marx, der Johanna-Darstellerin, den zweiten Esel führen wird. „Aber man darf keine Angst zeigen“, lacht die junge Mutter, und packt Alfons fest am Zaumzeug. Aber der 74-jährige Alfred Seufert steht ihr ja zur Seite. Er weiß, dass Esel „überhaupt nicht stur sind, sondern sich tiergerecht verhalten und höchstens von den Menschen verdorben werden“.
Für etliche Wochen sind die beiden Esel von ihrer Heimat, dem Lindleshof, getrennt, schließlich wird vom 23. Juni bis 18. August gespielt. Die reisenden Tier-Schauspieler sind so lange auf dem Hof von Ruth Stark untergebracht.
Dort hört man ab und an einen Eselsschrei von Lizzy, der an den Klang einer Vuvuzeela erinnert. Nach einem jeden Übungsgang durchs Dorf gab es für die fleißigen Esel Äpfel vom Vorsitzenden des Passionsspielvereins, Robert König. Sie sind das besondere Leckerli für die Tiere.
Elisabeth Heller muss noch bis Juli warten, ehe sie Lizzy und Alfons einmal live auf der Bühne von Sömmersdorf erleben kann. Und auch die Feriengäste auf dem Lindleshof müssen sich noch gedulden, bis sie die beiden Tiere auf dem Hof wieder einmal streicheln können. „Aber dann können unsere Gäste auch auf Lizzy und Alfons reiten“, freut sich Elisabeth Heller.