Noch steht das Unternehmen ganz am Anfang. Doch soviel steht schon fest: Die Boulder Diagnostics GmbH wird mit der Einführung der „ersten sicheren Diagnostik für akute und chronische Borreliose“ der Stadt Mellrichstadt ein weiteres Alleinstellungsmerkmal bescheren – und zwar europaweit und darüber hinaus. Dass der Standort Mellrichstadt überhaupt ins Spiel kam, ist, wie könnte es anders sein, der Firma Reich zu verdanken. Überzeugt von der Einrichtung, hat die Reich Consulting GmbH, der vermögensverwaltende Part der Reich-Gruppe, als Partner in die Boulder Diagnostics investiert – mit der Vorgabe, den Standort für das Europageschäft in Mellrichstadt anzusiedeln.
Eingerichtet wird der Boulder-Diagnostics-Laborstandort in den Räumen der Firma Compari in der Stockheimer Straße. Zwar stehen die Räume überwiegend noch leer, doch sind sie bereits an den Anforderungen des neuen Mieters ausgerichtet, wie Reich-Prokurist Thomas Erhard und Wolfgang Pieken, Geschäftsführer der Boulder Diagnostics, im Rahmen eines Pressegesprächs aufgezeigt haben. Dabei verfolgten sie zwei Ziele: Prokurist Erhard unterstrich die Bedeutung für den Standort Mellrichstadt, um nachhaltig Arbeitsplätze für die Stadt zu schaffen, und Geschäftsführer Pieken stellte das Unternehmen Boulder Diagnostics näher vor.
Vier qualifizierte Arbeitsplätze werden mit dem Aufbau des Laborstandorts Mellrichstadt geschaffen, besetzt mit medizinisch-technischen und biologisch-technischen Assistenten. Ein Biologe befindet sich derzeit zum Technologietransfer an der Universität Nijmwegen in Holland. Auf längere Sicht soll am Standort Mellrichstadt ein mittelständisches Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern aufgebaut werden. Das eröffnet auch jungen Menschen die Möglichkeit, nach dem Studium beispielsweise wieder in heimatliche Gefilde zurückzukehren – mit besten Berufsaussichten.
Neuartige Diagnostik-Tests
Für die Qualifikation dieser neuen Einrichtung – und das stellen Erhard und Pieken übereinstimmend heraus – spricht auch die Partnerschaft mit der Abteilung Immunologie der Universität Erlangen, die als anerkanntes Zentrum der Borreliosetherapie in Deutschland gilt. Entsprechende klinische Studien mit dem Universitätsklinikum Erlangen dienen der Validierung, sprich dem Nachweis, dass eine analytische Methode für den Einsatzzweck geeignet ist. Letztlich darauf ausgerichtet, als akkreditiertes und zertifiziertes Routinelabor für Diagnostik von Borreliose anerkannt zu werden. Damit nicht genug: Boulder Diagnostics in Mellrichstadt will sich als europäisches Vertriebszentrum für CE zertifizierte Reagenzien zum Nachweis von Parasitenkrankheiten etablieren.
Boulder Diagnostics Inc. widmet sich nach den Worten von Geschäftsführer Pieken der Vermarktung von neuartigen Diagnostik-Tests für Krankheiten, die heute nicht sicher nachgewiesen werden können. Sie arbeiten zusammen mit führenden wissenschaftlichen Instituten – darunter mit der Universität Nijmwegen – und innovativen Unternehmen in der Entwicklung von „bahnbrechenden Innovationen, die neue sichere Diagnostik-Tests liefern können, wo die heutigen Methoden versagen“. Und zwar was den Nachweis von Borreliose angehet, ebenso den Nachweis von Parasiten sowie auf dem Arbeitsfeld für Stoffwechselstörungen.
Spirofind-Immuntests zum Nachweis von Borreliose bieten laut Wolfgang Pieken eine „neue Methode zur Erkennung von chronischen Infektionen, die mit den derzeitigen Tests oft übersehen werden“. Der Bedarf für neue Diagnostik bei Borreliose ist also unbestritten. Insbesondere bei chronischer Borreliose-Infektion sei mit heutigen Methoden kein sicherer Nachweis möglich. Zwar tritt bei der Hälfte der Patienten im akuten Fall ein typisches Hautmuster auf, das sich aber nicht für die Diagnose einer chronischen Infektion eignet. Konkret: Die auf serologischen Ansätzen beruhenden Nachweismethoden haben laut Pieken „eine notorisch hohe Fehlerquote“ – annähernd 50 Prozent – und taugen so für eine klinische Diagnose nicht.
Standort Mellrichstadt stärken
Anders als gängige Methoden fragt der Spirofind-Nachweis die spezifische und anhaltende Reaktion des Immunsystems auf Borreliose-Befall ab. Und das ist neu an der Methode: Hierzu wird Blut von Patienten mit abgetöteten Borrelien im Labor beimpft, dann werden die Immunsignale abgefragt. Bei gesunden Patienten ergibt sich nur eine geringe Reaktion, bei infizierten Menschen ist eine stark erhöhte Reaktion feststellbar.
Seit zwei Jahren sei man unterwegs gewesen und habe die akademischen Institute nach Ansätzen zu neuen Testmethoden „abgeklappert“. Nun „wissen wir, dass wir wirklich etwas in der Hand haben“, betonte der Boulder Diagnostics-Geschäftsführer. Am Hauptstandort des Unternehmens in Colorado, unweit des Centers for Disease Control der amerikanischen Bundesbehörde, gleichzustellen mit dem renommierten Robert-Koch-Institut, hat die Methode aus Nijmwegen eingeschlagen. Und auch Karl-Hermann Reich und seinen Prokuristen Thomas Erhard überzeugt, nachdem Freiherr von Stein den Kontakt vermittelt hatte, in dieses innovative Geschäftsfeld zu investieren – freilich unter der Prämisse, den Standort Mellrichstadt zu stärken.
Daneben gilt das weitere Augenmerk des Unternehmens der Diagnostik zum Nachweis von Parasiten: ParaFlor-Reagenzien erkennen Parasiteninfektionen schnell und sicher, vereinfachen also den Nachweis erheblich, wie Wolfgang Pieken versicherte.
Was das Arbeitsfeld MetaboVis für Stoffwechselstörungen – als dritte Diagnostik-Testmethode – betrifft, ist die Heimanwendung noch in der technischen Entwicklung. Ziel ist: MetaboVis-Schnelltests sollen die Messung von kritischen Risikofaktoren in einem sicheren und schnellen Format bringen.
Der Startschuss ist gefallen, im Mai werden die Geräte installiert, so dass Ende Mai die Boulder Diagnostic GmbH ihren Betrieb aufnehmen wird.
Der Markt für Diagnostik von Borreliose
Die Borreliose wird durch Zeckenbiss auf den Menschen übertragen (Foto oben: Thinkstock). Von Norden nach Süden steigt in Deutschland die Rate der mit Borreliose infizierten Zecken. Während in der Küstenregion etwa 30 Prozent der Zecken befallen sind, beträgt die Befallrate im Raum Erlangen beispielsweise über 80 Prozent.
Nach Studien akademischer Einrichtungen, aber auch deutscher Krankenkassen erkranken in Deutschland etwa 1,8 bis zwei Prozent der Bevölkerung jährlich an Borreliose. Dies entspricht einer Zahl von 1,6 Millionen Patienten im Jahr. Wegen der fehlenden Diagnose ist eine sichere Aussage über die chronisch verlaufenden Fälle bisher nicht möglich.
Vor Zeckenbissen waren die Menschen auch in grauer Vorzeit nicht gefeit: Ötzi, der Mann aus dem Eis und etwa 5300 Jahre alt, war mit Borreliose infiziert, wie die DNA der Gletschermumie ergeben hat. So deuten Borrelien darauf hin, dass er der älteste nachgewiesene Fall einer durch Zecken übertragenen Borreliose ist.
Die von Zecken übertragenen Erreger der Lyme-Borreliose sind bereits bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland weit verbreitet. Das zeigt eine repräsentative Studie des Robert-Koch-Instituts. Etwa sieben Prozent der 14- bis 17-Jährigen sind laut einer aktuellen Zeitungsmeldung mindestens einmal von einer infizierten Zecke gebissen worden.
Das Risiko, durch einen Zeckenbiss zu erkranken, ist in Bayern erschreckend groß. Gesundheitsminister Marcel Huber (CSU) rief erst jüngst die Bevölkerung zu erhöhter Vorsicht und Vorsorge auf.