Im Sommer 2018 hatte das UNESCO-Biosphärenreservat Rhön eine besondere Mitmachaktion veranstaltet: Rhöner Bürger waren aufgerufen, Orte auf historischen Bildern zu erkennen, diese ausfindig zu machen und neu zu fotografieren. Entstanden sind 22 einzigartige Bildvergleiche, die nun als Postkarten veröffentlicht werden.
Die Foto-Mitmachaktion entstand als Idee aus der wissenschaftlichen Projektreihe "Historische Kulturlandschaft Rhön" heraus, die die Kultur-und Sozialgeschichte der Rhön dokumentiert. Die Fotos geben Aufschluss darüber, wie sich die vom Menschen seit Jahrhunderten geprägte Kulturlandschaft in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat.
Auf der Homepage des Biosphärenreservats Rhön wurden hierzu 35 Bilder aus dem Archiv des Fränkischen Freilandmuseums Fladungen veröffentlicht. Sie stammen vom Rhönklub-Mitglied Hermann Eckert aus Eisenach, der die Rhön in den 1920er und 1930er Jahren bei Wanderungen erkundete und seine Eindrücke in Malereien und Fotografien festhielt. Für 22 der historischen Motive schickten Rhöner Bürger aktuelle Fotos ein. Einigen von ihnen wurden zudem persönliches Hintergrundwissen zu den fotografierten Orten hinzugefügt.

Zwei Studentinnen untersuchten daraufhin jedes der Motive. In ihrem wissenschaftlichen Bericht kamen sie nicht nur zu dem Schluss, dass die Methode des Vergleichs von historischen und aktuellen Bildern die Veränderungen der Kulturlandschaft eindrücklich vermitteln kann, sondern dass das Einbeziehen der Menschen, die in der Rhön leben, wertvolles zusätzliches Wissen zu Gegebenheiten und Geschichte der Region liefert. Den wertvollen Beitrag, den die Teilnehmer der Fotoaktion geleistet haben, wurde nun auf Postkarten festgehalten, je ein historisches und das entsprechende aktuelle Bild, die solange der Vorrat reicht in den Informationszentren des Biosphärenreservats Rhön erhältlich sind.
Ob Simmelsberg, Oberbach, Friesenhausen, Hilders, Gersfeld oder der Kreuzberg, die Postkarten zeigen beeindruckende Vergleichsbilder aus der Rhön. Zur Vorstellung und offiziellen Übergabe der Postkarten an die Öffentlichkeit kamen die Leiter der drei Verwaltungsstellen des Biosphärenreservats Rhön, Michael Geier (Bayern), Torsten Raab (Hessen) und Karl-Friedrich Abe (Thüringen), sowie Julia Rösch, die das Projekt betreute, zusammen.
"Der Vergleich zeigt, wie dynamisch sich die Kulturlandschaft verändert. Beim täglichen Vorbeifahren sieht alles gleich aus", befand Michael Geier. Besonders augenfällig sei die Zunahme des Waldes im Land der offenen Fernen, was auf den Wandel der landwirtschaftlichen Bedeutung und Nutzung zurückzuführen sei. Während in Hessen und Bayern der Wald sich in den vergangenen 100 Jahren Stückweise die Rhön zurück holte, sei jedoch der größte Wandel in Thüringen feststellbar. Vor 100 Jahren gab es wie in Hessen und Bayern noch ein kleinteilige Struktur, die aber durch die Gründung von LPGs aufgehoben wurde, erklärte Abe die Unterschiede zwischen der westlichen und östlichen Strukturänderung. Sorgen, dass das Land der offenen Fernen noch weiter zuwächst, haben die drei nicht. Die Rahmenbedingungen für Weideviehhaltung seien gut, das Interesse daran gegeben. "Es gibt an deutliches Interesse an der Nutzung der vorhandenen Flächen, wir müssen uns da keine grundsätzlichen Sorgen machen", so Geier. Auch in der hessische Rhön sei die Nachfrage gegeben, ergänzte Torsten Raab.
Ansatzpunkte sehen Raab, Geier und Abe bei der baulichen Entwicklung in den Dörfern der Rhön. Sie sprechen sich klar für die Innenentwicklung vor der Außenentwicklung aus und betrachten mit Sorge weitere Ausweisungen von Neubaugebieten. Doch auch die Bau- und Stilkultur müsse zum Thema gemacht werden, darunter falle die Bauweise mit Dachneigung und Dacheindeckung ebenso wie die Farbgestaltung. Vor allem die Vorher-Bilder zeigten, wie harmonisch die Dörfer in die Landschaft eingebettet waren, dies zu erhalten, sei eine wichtige Aufgabe. Über regionaltypische Bauweise und Wohnkultur lohne es sich nachzudenken, regte Geier an.
Das Fazit aus der Foto-Mitmachaktion ist klar: Die Kulturlandschaft ist einem dynamischen Wandel unterworfen. Die Frage sei, ob sie nun ihr Gesicht verliert oder ob sie gepflegt werde. Jeder Einzelne habe viel mehr in der Hand als auf den ersten Blick ersichtlich und das fange beim eigenen Haus, bei der eigenen Gartengestaltung an.
Weitere Infos zur Projektreihe "Historische Kulturlandschaft Rhön" sowie zur Foto-Mitmachaktion inklusive Auswertung und allen Motiven sind auf der Homepage des Biosphärenreservats, www.brrhoen.de, unter "Was wird gemacht?" zu finden.


