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BAD KÖNIGSHOFEN: Die Rote-Armee-Fraktion im Grabfeld

BAD KÖNIGSHOFEN

Die Rote-Armee-Fraktion im Grabfeld

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    Andreas Baader besuchte in seiner Jugendzeit das Gymnasium Bad Königshofen und wohnte im früheren Melanchtonheim.
    Andreas Baader besuchte in seiner Jugendzeit das Gymnasium Bad Königshofen und wohnte im früheren Melanchtonheim. Foto: FOTO DPA

    Ingrid Schubert war schon bei der Gründung der RAF dabei. Sie gehört zur so genannten ersten Generation. Geboren wurde Schubert 1944 in Ebern, aufgewachsen ist sie in Maroldsweisach, wo sie mit ihrer Familie im Kernort wohnte. „Sie war ein freundliches Mädchen“, erinnert sich eine ehemalige Schulkollegin.

    Doch Schubert blieb nicht lange in Maroldsweisach. Schon Anfang der 50er Jahre zog sie mit ihrer Familie fort. Später studierte sie Medizin an der Freien Universität Berlin und schloss ihr Examen mit der Note „Gut“ ab. Zu dieser Zeit hatte sie bereits Kontakt mit Angehörigen der späteren RAF aufgenommen. Im Mai 1970 befreite sie zusammen mit Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und anderen den Kopf der Roten Armee Fraktion, Andreas Baader, aus der Haft.

    Baader im Melanchton-Heim

    Auch Baader kannte Bad Königshofen. In den 50er Jahren besuchte er dort das Gymnasium und wohnte im Melanchthon-Heim. Er soll ein intelligenter, aber frecher und aufsässiger Schüler gewesen sein. Nach der Grundschule habe er immer wieder die Schulen wechseln müssen. Auch in Bad Königshofen blieb es bei einem kurzen Gastspiel. Nach etwa einem Jahr verließ er das Gymnasium und kehrte später zurück zu seiner Mutter nach München. Dort endete seine Schullaufbahn – in der Oberstufe flog er von der Schule. Im Mai 1970 saß Baader wegen Brandanschlägen auf zwei Kaufhäuser in Frankfurt im Gefängnis. Ensslin, Schubert und anderen gelang es, ihn zu befreien. Diese Aktion gilt als Geburtsstunde der RAF – von da an wurde nicht mehr nach einzelnen Personen gefahndet, sondern nach einer ganzen Gruppe: der Baader-Meinhof-Bande.

    Als Ingrid Schubert dadurch in die Schlagzeilen geriet, habe man schon lange nicht mehr über sie gesprochen, erinnert sich die damalige Schulkollegin. Schubert habe keine Verwandten mehr in Maroldsweisach gehabt und sei selbst nie mehr dort gewesen.

    Nach der Befreiung von Andreas Baader ließ sich Ingrid Schubert im Sommer 1970 mit etwa 20 anderen in einem in einem Camp der El Fatah in Jordanien militärisch ausbilden. Zurück in Deutschland erbeutete die Gruppe im September 1970 bei drei zeitgleichen Banküberfällen in Berlin rund 217 000 Mark. Ingrid Schubert, die RAF-intern die Decknamen Irene und Nina trug, fuhr eines der Fluchtautos. Nur wenige Tage später wurde sie mit Horst Mahler, Brigitte Asdonk und Irene Georgens in Berlin verhaftet. Im April 1971 verurteilte man sie zunächst zu sechs Jahren, 1974 zu einer Gesamtstrafe von 13 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt saßen auch Andreas Baader und Gudrun Ensslin hinter Gitter.

    Vor 30 Jahren

    Im Jahr 1977 erschütterte eine ganze Anschlagsserie die Republik. Die zweite Generation der RAF, darunter Sieglinde Hofmann, versuchte, die Gefangenen freizupressen. Im April ermorden sie Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seine Begleiter, im Juli Jürgen Ponto, den Sprecher der Dresdner Bank. Seinen Höhepunkt erreicht der Terror im Herbst 1977.

    Sieglinde Hofmann ist in Bad Königshofen aufgewachsen, besuchte dort die Schule und absolvierte eine Ausbildung zur Arzthelferin. „Ein sehr intelligentes Mädchen“, erinnert sich ihre ehemalige Chefin Käte Hügelschäffer. „Klein, schmal, unscheinbar, sehr beliebt“, beschreibt Hartmut Knahn Sieglinde Hofmann. Er besuchte mit ihr Anfang der 60er Jahre einen Tanzkurs in Bad Königshofen. Nachdem sie ihre Ausbildung zur Arzthelferin abgeschlossen hatte, schloss sie eine weitere an. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Fürsorgerin, die sie mit dem Staatsexamen beendete. „Sie wollte weiterkommen“, sagt Hügelschäffer über ihre ehemalige Auszubildende. Das Staatsexamen ermöglichte Sieglinde Hofmann die Chance, zu studieren.

    Sie ging an die Uni nach Heidelberg und schloss sich dem „Sozialistischen Patientenkollektiv“ (SPK) an, einer Gruppe um Dr. Wolfgang Huber, wissenschaftlicher Assistent an der psychiatrisch-neurologischen Universitätsklinik in Heidelberg. Etwa ein Dutzend aus dem Umfeld des SPK wechselte später zur RAF und wurde Teil der zweiten Generation. Darunter auch Sieglinde Hofmann. Während ihres Studiums in Heidelberg sei sie noch ein paar Mal in Bad Königshofen gewesen, sagt Hügelschäffer. Dann verschwand Sieglinde Hofmann im Untergrund.

    Am 5. September 1977 entführt sie zusammen mit anderen RAF-Mitgliedern den Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer. Sie töten seine Begleiter und nehmen Schleyer als Geisel. Über 30 Tage bleibt er in ihrer Gewalt. Der Staat lässt sich nicht auf einen Austausch ein. Selbst als Terroristen am 13. Oktober 1977 die Lufthansa-Maschine „Landshut“ mit 86 Passagieren an Bord kapern, bleibt die Bundesregierung hart. Baader, Ensslin, Schubert und anderen Gefangene bleiben in Haft.

    Am 18. Oktober stürmen Beamte der GSG 9 das Flugzeug in Mogadischu. Alle Geiseln werden befreit. Noch am selben Tag begehen Baader, Ensslin und Jan-Carl Raspe im Gefängnis von Stuttgart-Stammheim Selbstmord. Am 19. Oktober wird die Leiche von Hanns Martin Schleyer im Kofferraum eines Audi in Mühlhausen gefunden. Im November 1977 erhängt sich Ingrid Schubert in ihrer Zelle im Gefängnis München Stadelheim. Ihr Name taucht im Oktober 1986 noch einmal im Zusammenhang mit der RAF auf. Zum Anschlag auf Gerold von Braunmühl, Abteilungsleiter im Auswärtigen Amt, bekennt sich das „Kommando Ingrid Schubert“.

    Nach der Schleyer-Entführung taucht Sieglinde Hofmann zunächst im Nahen Osten unter. 1979 ist sie beteiligt am Anschlag auf NATO-Oberbefehlshaber Alexander Haig. Ein Jahr später wird sie in Paris verhaftet und zu 15 Jahren, 1995 noch einmal zu lebenslanger Haft verurteilt.

    Nach Bad Königshofen kehrte sie Anfang der 90er Jahre zurück, als Gefangene. „Sie wollte ihre Mutter besuchen, die zu uns ins Spital kam“, erinnert sich Roland Schunk, Spitalverwalter und Heimleiter im Julius- und Elisabethaspital in Bad Königshofen. Ursprünglich war geplant, Sieglinde Hofmann mit dem Auto nach Bad Königshofen zu bringen. Doch das wurde als zu gefährlich angesehen. So flog man sie mit dem Hubschrauber ein. Das Spital war streng bewacht. „Im und um das Haus waren Beamte von GSG 9 und Polizei“, so Schunk. Auch die Straße war zum Teil abgesperrt.

    Nesthäkchen

    „Ich kannte Sieglinde schon als kleines Mädchen“, erinnert sich Schunk. „Sie war das Nesthäkchen der Familie, freundlich, liebenswert und umgänglich.“ Als sie ankam, waren ihre Hände mit Plastikbändern gefesselt. Schunk schnitt – in Abstimmung mit den Beamten – die Fesseln auf. „Ich hätte mich gerne einmal mit ihr über die ganze Sache unterhalten“, sagt er. Doch nach wenigen Stunden war der Besuch beendet. Sieglinde Hofmann musste zurück ins Gefängnis. Erst Ende der 90er Jahre wird sie nach 19 Jahren Haft auf Bewährung entlassen. Heute soll sie im Rheinland leben.

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