„Wir sind keine prinzipiellen Windkraftgegner!“, darauf legen Matthias Seifert und Monika Zimmer großen Wert. Das sei nur ein oft verbreitetes Vorurteil. Wo Windanlagen keine Artenschutzprobleme verursachen, das Landschaftsbild nicht zerstören und von der Bevölkerung getragen werden, könnten sie durchaus errichtet werden. Allerdings, das räumt Seifert ein, seien diese Voraussetzungen eher selten erfüllt.
Inhaltlich ähnlich ausgerichtet
Der Hendunger wie die resolute Wargolshäuserin sind Mitglieder in der Kreisgruppe Rhön-Grabfeld des Vereins für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern (VLAB). Der, wie auch der personell und inhaltlich ähnlich ausgerichtete „Verein zum Schutz der Umwelt und des Kulturerbes in Rhön-Grabfeld“, tragen seit Jahren den Widerstand gegen die Windparks Streu und Saale sowie Wülfershausen und Wargolshausen.
Lizenz zum Tieretöten
Der traditionelle Landschafts- und Artenschutz ist die Aufgabe, die sich die Umweltgruppierungen gesetzt haben, betont Bert Kowalzik. Für den Vorsitzenden beider Vereine sind die massiven Beeinträchtigungen von Natur, Landschaft und Mensch durch die Windparks in Rhön-Grabfeld Anlass für das Engagement. Die „Windindustrieparks“ , wie er sie nennt, würden unsinnigerweise die Heimat entfremden, die Landschaft zerstören und viele gefährdete Tierarten bedrohen. Die Genehmigungen seien „eine Lizenz zum Tieretöten“. erklärt Kowalzik bewusst polemisch.
Erst mit der drohenden Zerstörung durch die Windanlagen sei man sich so recht bewusst geworden, in welcher heilen Welt man bislang so selbstverständlich gelebt habe, erinnern sich der stellvertretende VLAB-Vorsitzende Manfred Röhner aus Irmelshausen und der Wülfershäuser Wolfgang Wirsing. Das seien wie bei ihren Mitstreitern die Anfänge ihres Engagements für den Landschafts- und Artenschutz und damit gegen die Windräder gewesen.
Parks zerstören ein Vogelparadies
Nach Angaben des VLAB befinden sich im Gefährdungsbereich von Windparks Streu und Saale, Wülfershausen und Wargolshausen unter anderem fünf Rotmilanbrutpaare, Wespenbussardreviere, ein „Wiesenweihedichtezentrum“ und einen Schwarzstorchbrutplatz. Die Windparks zerstören ein Vogelparadies, so die Überzeugung im Verein.
Natürlich gebe es auch große Sorgen in den betroffenen Gemeinden, es gebe existenzielle Ängste, gesundheitliche Bedenken und Kinder würden aus den betroffenen Gemeinden wegziehen, ergänzt Monika Zimmer weitere Gründe für ihre Motivation.
Artenschutz und Windkraft
Und Motivation ist nötig, denn das Engagement für den Verein und seine Ziele erfordert sehr viel Zeit und Energie. Rotmilankartierung im Rahmen des Rotmilanprojekts, Infoveranstaltungen über Greifvögel, Artenschutzfeste oder Mahnfeuer seien nur einige Beispiele von Aktivitäten aus den vergangenen Jahren, so Bert Kowalzik.
Einen, wenn nicht den Schwerpunkt der Arbeit bilden aber die Bemühungen, den Bau der Windparks vor Ort zu verhindern: Demonstrationen und Proteste auf der einen Seite, Beteiligung an Genehmigungsverfahren, Fremdgutachten analysieren, eigene in Auftrag geben, Gerichtsprozesse, Einsprüche oder Revisionen erheben, schriftliche Auseinandersetzungen mit Behörden oder insgesamt vier intensive Fachgespräche bei Ministerpräsident Horst Seehofer und im Umweltweltministerium auf der anderen Seite, führen die Aktivisten als Beispiele für ihr Engagement an.
Juristisch sehr kompliziert
Entscheidend dabei, ein Genehmigungsverfahren für einen Windpark ist juristisch ungeheuer kompliziert, voller Fallstricke und für die Beteiligten oft völliges Neuland. Baurechtsfragen, Abstandsflächen, Umweltgesetzgebung, Änderungsanzeigen oder Änderungsgenehmigungen, Tötungsverbot oder Tötungsrisiken, 10H-Regelung, Vorrangflächen oder Referenzwerte nach dem EEG, Einspruchsfristen oder Betroffenheitsregelungen. Für Leien ist das Verfahren kaum noch durschaubar.
Auf Augenhöhe
Am tiefsten in die verfahrensrechtliche Thematik hat sich Matthias Seifert eingearbeitet. Er gilt inzwischen als ausgewiesener Kenner der Materie und wird mit seinem Fachwissen nicht nur bei anderen Windparks zurate gezogen. Wie seine Mitstreiter berichten, wird er inzwischen auch von Fachleuten in den Behörden wegen seiner Fachkenntnisse durchaus ernst genommen.
Gebracht hat das bei den Projekten vor Ort allerdings noch recht wenig. Im Windpark Streu und Saale drehen sich die Rotoren im Probebetrieb. Eine Klage von Privatleuten gegen eine Anlage des Parks in Wargolshausen wurde jüngst verloren.
Wie Seifert etwas desillusioniert resümiert, hat er sich nicht nur in die Fachthemen eingearbeitet, er habe auch etwas gelernt: Immer wenn man überzeugt war, „jetzt wir haben sie“, sei nicht reagiert oder eine Ausnahmeregelung erlassen worden, wirft er Behörden vor, die eigenen rechtlichen Vorgaben nicht einzuhalten.
Nachdem der Verein, zum Beispiel, ein Vogelgutachten eines potenziellen Betreibers für nicht ausreichend erachtete und auf eigene Kosten ein Alternativgutachten beauftragt habe, sei der Gutachter zu einem Ergebnis gekommen, das den Bau der Windanlagen verhindert hätte. Dennoch sei von einer übergeordneten Behörde auf Basis „falscher Prognosen“ eine Ausnahmegenehmigung erteilt worden.
Prozesse sind teuer
Eine Petition, die von 1700 Bürgern gegen die Windparke Wülfershausen und Wargolshausen sei vom Landtag zwar gewürdigt worden, geschen sei aber nicht. Folgen habe das aber keine gehabt.
Was die beiden Vereine zudem bremst, sind die eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten. Die juristische Auseinandersetzung zum Beispiel kosten viel Geld. Gerade wurde eine Verbandsklage gegen die Windparke Wülfershausen und Wargolshausen eingereicht. Um diese und weitere Kosten zu tragen, sind die Vereine auf Spenden angewiesen.
Mehrheit steht dahinter
Was die Vereinsverantwortlichen aber zuversichtlich macht, ist ihre Überzeugung, dass ein weiteres Vorurteil nicht stimmt. „Wir sind kein kleines Häufchen“, berichtet Monika Zimmer von ihren Erfahrungen. „Die Leute sind dankbar, dass wir das machen. Mehr als 80 Prozent stehen hinter uns.“
Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern Der Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern (VLAB) wurde 2015 gegründet. Er gilt als Kind der Energiewende und dem daraus resultierenden massiven Ausbau der Windenergie. Im Gegensatz zum Bund Naturschutz in Bayern (BN) sehen die Vertreter des VLAB darin den Ausverkauf der heinischen Kulturlandschaft und des Artenschutzes. Im Streit zwischen Klimaschutz und Artenschutz haben verschiedene prominente Vertreter den Bund Naturschutz verlassen und sind dem VLAB beigetreten. So gehören dessen Ehrenpräsidium zum Beispiel Enoch Freiherr zu Guttenberg und Hubert Weinzierl an. Vorsitzender ist Johannes Bradtka. Der Verband mit knapp 9000 Mitgliedern wurde inzwischen vom Bayerischen Landesamt für Umwelt offiziell anerkannt. Für die Gruppierung mit einem Feuersalamander als Loge bedeutet dies weitreichende Beteiligungsrechte bei Planungsvorhaben und das Verbandsklagerecht. Vorsitzender der Kreisgruppe Rhön-Grabfeld mit etwa 20 Mitgliedern ist Bert Kowalzik. Der ist auch Vorsitzender des Rhön-Grabfelder Vereins zum Schutz der Umwelt und des Kulturerbes in Rhön-Grabfeld (SUKG) mit rund 50 Mitgliedern. Der 2013 gegründete Verein mit ähnlicher Zielsetzung ist auch Mitglied im VLAB.