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BISCHOFSHEIM: Ein Landarzt wie er im Buche steht

BISCHOFSHEIM

Ein Landarzt wie er im Buche steht

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    mmer für seine Patienten da: Auf 50 Jahre Arzt-Tätigkeit kann Dr. Gottfried Hagitte zurückblicken.
    mmer für seine Patienten da: Auf 50 Jahre Arzt-Tätigkeit kann Dr. Gottfried Hagitte zurückblicken. Foto: Foto: Eckert

    Er ist Arzt mit Leib und Seele, er kennt seine Patienten und deren Familien meist schon über Generationen hinweg. Er wird bald 83 Jahre alt und trotzdem, oder gerade deswegen, geht er jeden Morgen in die Praxis und versieht seinen Dienst. Die Rede ist von Dr. med. Gottfried Hagitte – ein Hausarzt wie er im Buche steht. Freundlich, geduldig, ein guter Zuhörer und fachlich auf dem neuesten Stand.

    Auf 50 Jahre ärztliche Tätigkeit kann er am heutigen Tag zurückblicken. Vor einem halben Jahrhundert kam er nach Bischofsheim, übernahm die Arztpraxis von Dr. Robert Winkler, der nach 25-jähriger Tätigkeit nach Hamburg wechselte. „Für mich war es eine Rückkehr nach Unterfranken“, erinnert sich Hagitte an die Anfänge. In Sachsen geboren, studierte er von 1949 bis 1954 in Würzburg Medizin. Zur weiteren Ausbildung ging er nach Leipzig. Dort heiratete er auch seine Frau Hildegard, mit der er mittlerweile 56 Jahre verheiratet ist. Vor nunmehr 50 Jahren begann er dann seine Tätigkeit als praktischer Arzt und Geburtshelfer in Bischofsheim. Die Praxis wurde damals mit einer Sprechstundenhilfe, der vielen noch bekannten Irene Peter, bewältigt. „Die Verhältnisse waren eben damals völlig andere. Sowohl in der Stadt als auch in den Ortschaften gab es nur wenige Telefonanschlüsse. Nur einigen Haushalten stand ein Auto zur Verfügung.“ So hielt Dr. Hagitte in fünf Dörfern Außensprechstunden ab. Es mussten damals auch wesentlich mehr Hausbesuche gefahren werden. Auch medizinisch ging es damals anders zu als heute. Im Vergleich zu früher seien heute vermehrt Wohlstandskrankheiten wie Gicht und Diabetes zu behandeln. „Unkomplizierte Knochenbrüche oder ausgerenkte Gelenke wurden, da ein Röntgengerät zur Verfügung stand, in der Praxis behandelt.“ Dabei war Hagitte oft genug außerhalb der Sprechstunde auf die Hilfe oder Assistenz seiner Frau – einer gelernten Krankenschwester – angewiesen. „Landarztehefrau sein bedeutete viel Einsatz zu jeder Tages- und Nachtzeit, werktags wie sonntags.“ Geburten fanden noch in der Mehrzahl als Hausgeburten statt. Kleinere und größere Wunden wurden ebenfalls in der Praxis oder auch vor Ort versorgt. „Der Hausarzt war eigentlich immer erreichbar. Der Samstag war ein ganz normaler Arbeitstag.“ Nicht zu vergessen, dass das Ehepaar Hagitte selbst sechs Kinder hat. „Die Kinder hatten aber nie das Gefühl, dass ihr Vater nicht da war“, erinnert sich Hildegrad Hagitte. Da die Wohnung über der Praxis liegt, konnte er immer schnell nach oben laufen. Die kurzen Wege waren für das Familienleben von Vorteil. Dr. Hagitte möchte die Erinnerungen nicht als eine Verherrlichung der alten Zeit sehen. „Es war damals so! Und es ist gut, dass es heute nicht mehr so ist“, betont er. Denn bei den teils schlechten Verkehrswegen, ohne flächendeckende Telefonanschlüsse und natürlich ohne Funk und Handy musste manch akuter Krankheitsfall lange warten, bis der ersehnte Doktor eintraf. „Für den gesamten Landkreis Bad Neustadt standen zwei Krankenwagen zur Verfügung. Da liegen Welten zwischen damals und heute.“

    „Es ging darum, den Kassenarztplatz für Bischofsheim zu erhalten. “

    Dr. Hagitte über seine Motivation wieder in den Beruf einzusteigen

    1992 erlitt er einen Herzinfarkt, den er dank moderner Medizin gut überstanden hat. So trat im Sommer 1993 Dr. Martin Wünsch in seine Praxis ein. Am 1. Januar 1999 musste Gottfried Hagitte aufgrund der damals gesetzlichen Bestimmung, dass ein Arzt mit 67 Jahren nicht mehr praktizieren darf, in den zwangsweisen Ruhestand gehen. Sein Nachfolger war Dr. Martin Bühner. Doch mit dem Ruhestand wurde es nichts. „Ich wurde gar nicht vor die Frage gestellt, ob ich aufhöre.“ Gottfried Hagitte übernahm ab diesem Zeitpunkt die Urlaubsvertretungen für beide Ärzte. „Ich blieb Jahr für Jahr der Praxis erhalten und verlor den Kontakt nicht.“ So hat er auch den medizinischen Anschluss nicht verpasst, bildete sich weiter und hielt sich auf dem Laufenden, um die Urlaubsvertretungen adäquat wahrnehmen zu können. Gesetzlich war es möglich, drei Monate im Jahr vertretungsweise als Arzt tätig zu sein. Dann trat am 1. Januar 2011 Kollege Heinz Helm aus Unsleben in die Praxis ein. Für Dr. Hagitte war klar, drei Ärzte können die Urlaubsvertretung unter sich regeln. Doch weit gefehlt. Gleich in den Osterferien wurde er gerufen. Die persönlichen und familiären Umstände der Ärzte erforderten weiterhin Gottfried Hagittes Bereitschaft, im Vertretungsfall einzuspringen. Nachdem Dr. Martin Bühner aus Krankheitsgründen aus der Praxis ausschied, wurde Dr. Hagitte zum 1. Oktober wieder komplett „reaktiviert“. Mittlerweile war auch die Regelung aufgehoben, dass ein Arzt mit 67 Jahren in den Ruhestand zu gehen hat. Dr. Hagitte beantragte die kassenärztliche Zulassung erneut und ist nun wieder regulärer Arzt in Bischofsheim.

    Regelrecht grotesk mutete an, dass er sich noch einmal mit Lebenslauf, Abiturzeugnis und Staatsexamen bei der Kassenärztlichen Vereinigung bewerben musste, und das, obwohl er zuvor 36 Jahre als Kassenarzt tätig war. „Beabsichtigt hatte ich so eine Entwicklung nicht“, erzählt er. Aber es ging darum, den Kassenarztplatz für Bischofsheim zu erhalten. „In einem anderen Ort wäre es für mich nicht in Frage gekommen. Hier kenne ich die Menschen, kenne die Familien zum Teil über Generationen hinweg. Ich kenne das Umfeld, die Familiengeschichte, die gesundheitlichen wie sozialen Probleme. Fortlaufend behandele ich Patienten, die ich entbunden habe. Zum Teil begleite ich die Familien über Generationen hinweg.“ Dieses Wissen ermögliche ihm, Atmosphäre zu schaffen und das Vertrauen der Patienten zu gewinnen. Es gehe auch nur, weil die Menschen ihn kennen und sein Altwerden nicht bewerten. Immerhin wird Dr. Hagitte in wenigen Wochen 83 Jahre alt. Damit ist er der älteste niedergelassene Arzt in der Region.

    Allerdings macht er auch Abstriche im Vergleich zur früheren umfassenden Tätigkeit. So fährt er keine Notarzteinsätze mehr. „Das ist mir körperlich zu anstrengend.“ Hausbesuche sind aber noch immer an der Tagesordnung und die tätigt er auch sehr gerne. Fit hält er sich nicht nur durch die tägliche Arbeit in der Praxis, sondern auch durch tägliche sportliche Betätigung wie Ski-Langlauf, Schwimmen und Radfahren.„Da ich immer mit Leib und Seele und Freude meinem Beruf nachging, gehe ich auch heute noch jeden Morgen gerne zu meinem Dienst.“

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