(ahw) „Sie ist eine Frau. Und steht ihren Mann. Und hat Musik im Bauch. Sie kennt das Leben in jeder Fasson. Sie kennt es per Du und per Sie. Ihre Lieder passen in keinen Salon, höchstens die Melodie.“ Diese Zeilen aus Erich Kästners „Ankündigung einer Chansonette“ passen ganz genau auf Gerti Baumgärtel, Kabarettistin, Chansonnette, Schauspielerin, Komikerin, Disseuse und Vollblutweib in einem. Eben eine „Wuchtbrumme mit Herz“, wie sich die Sängerin aus dem oberfränkischen Gattendorf selber bezeichnet.
Baumgärtel ist eine Sängerin, die „mühelos auf das hohe C pfeift“ – zumindest behauptet sie das - und dennoch ihr Publikum mit einer raumfüllenden Stimme mitzureißen weiß. Ihre außerordentliche Bühnenpräsenz durfte auch das Publikum im Schloss Wolzogen erleben. Auf Einladung der Kulturimpulse präsentierte Baumgärtel dort gemeinsam mit dem Erfurter Pianisten Ole Klie auf herzerfrischende, witzig-spritzige, frech-frivole Weise ihr neuestes Musikprogramm „Ich bin (nicht) von Anno Dazumal“.
In ihren amüsanten, aber auch tiefgründigen Liedern und Gedichten nahm die Chansonette die Zuhörer mit auf eine Zeitreise durch die Geschichte des deutschsprachigen Musik-Kabaretts, machte Halt im Berlin der 20er und 30er Jahre, sang Chansons von berühmten Kabarett-Größen wie Käthe Erlholz, Trude Lieske und Paul Graetz, um dann ihr Publikum nach Österreich zu den berühmten „Wiener Schmäh“-Liedern eines Hugo Wiener, Georg Kreisler und Cissy Kraner zu entführen. Ihr Repertoire beinhaltete auch Lieder bekannter Kabarettistinnen wie Lore Lorenz vom Düsseldorfer „Kommödchen“ oder von der Begründerin der Bühne „Kleine Freiheit“ in München, Trude Kolman.
Viele ihrer Liedtexte und Verse stammen aus der Feder von Erich Kästner und Kurt Tucholsky, zwei Schriftsteller, die Baumgärtel besonders verehrt. Mit Schlagfertigkeit, Ironie, Witz und Humor sang sie von Halbweltdamen, kapriziösen Diven, von Dieben und von Ehefrauen, die sich ihrer Gatten auf die verschiedenste Art und Weise entledigen wollen. Oder sie schlüpfte kurzerhand in die Rolle einer „Unschuld vom Lande“, ganz nach der Devise: „Frauen sind mindestens genauso gefährlich.“
Aber auch Ole Klie überzeugte nicht nur als Begleiter am Flügel. Bei seinem Song über einen Schwerenöter, der seine weiblichen Eroberungen auf unterschiedlichste Art und Weise zu Tode kommen lässt, amüsierte sich das Publikum ebenso prächtig wie über die „wuchtige Frauenpower“ einer Gerti Baumgärtel. Diese nahm am Schluss ihres rund zweistündigen Programms noch einmal die Herren der Schöpfung ins Visier und scheute sich nicht, ihnen sprichwörtlich auf den Leib zu rücken.
Mit „Ach Egon, Egon, Egon“ gaben die beiden Künstler am Ende ihres Musikkabaretts noch ein ganzes Chanson-Potpourri zum Besten. Das Publikum sang und klatschte bei den bekannteren Songs mit und forderte Zugaben ein. Dieser Aufforderung kam Baumgärtel gerne nach und stellte noch einmal ihr schauspielerisches und musikalisches Talent mit „Ich kann den Novotny nicht leiden“ und „Nehm'n Se'n Alten“ von Otto Reuter unter Beweis.